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Wir lassen uns nicht in die Irre führen!

Düzgün Altun

Berlin 9. Oktober, knapp 30000 Frauen und Männer in schwarz-gelben T-Shirts oder Fleece Jacken mit einem Posthorn. Na, schau her, es geht doch. Wenn gewollt ist und ordentlich organisiert wird, sind zehntausende bereit, auf die Straßen zu gehen. Das war die größte Aktion der Post nach ihrer Gründung 1950.

In Deutschland arbeiten im gesamten Brief-und Paketnetz rund 190.000 Menschen, die täglich ca. 48 Millionen Briefe und 6,2 Millionen Pakete bearbeiten und verteilen. 2022 machte die Post AG durch ihre weltweiten Geschäfte über 94 Milliarden Umsatz, davon etwa 22 Milliarden in Deutschland. Die Geschäfte laufen also gut.

Doch was ist aber mit den Kolleginnen und Kollegen?

So wie von zehntausenden Kolleginnen und Kollegen in Berlin gefordert, werden bei der Post sichere und gute Arbeitsbedingungen und -verhältnisse immer seltener.

Eigenartig war aber, dass die Forderungen und alle Reden immer in Richtung Ampelregierung gingen und sehr wenig Kritik an den Konzern gerichtet war. Dass die herrschende Politik eine erhebliche Verantwortung für diese miserablen Zustände bei der Post hat, ist unbestritten. Und, dass durch weitere Reformen wie die „Marktöffnung“ durch mehr Wettbewerb (Briefmonopol der Post soll aufgeweicht werden) etc. die Situation für die Beschäftigten weiter verschärft wird, ist sicher.

Post AG in Verantwortung nehmen!

Schon in der Vorbereitung der Aktion war deutlich geworden, dass unsere Sorgen und Ängste, die Forderungen der Beschäftigten hier „stückweit“ für die Interessen des Konzerns instrumentalisiert werden sollen. Denn es kommt ja nicht oft vor, dass der Arbeitgeber zu einer Protestaktion aufruft und diese mitfinanziert. In der Betriebsversammlung rufen der Bezirksleiter und der Gewerkschaftsvertreter gemeinsam nach Berlin auf. Alle die mitfahren wollen, würden freigestellt werden und weil diese Aktion als eine Art Betriebsversammlung gesehen würde, könne jede Teilnehmerin und Teilnehmer die Stunden gutschreiben lassen. Keine Frage; die Forderungen und lautstarke Kritik tausender Postangestellter, die nach Berlin gefahren waren, ist aufrichtig und wichtig. Die Notwendigkeit eines schlagkräftigen Widerstandes gegen die herrschende Politik ist uns allen bewusst. Gleichzeitig aber müssen wir den Widerstand gegen die Politik und das Vorgehen des Konzerns organisieren. Die Betriebsräte und unsere Gewerkschaft Ver.di täten gut daran, den Fokus auf die Verhältnisse und die Situation in den Betrieben zu richten, statt nur von der Regierung zu erwarten.

Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten und Befristeten und sogenannte Abrufkräften nehmen immer weiter zu. Durch „Optimierung der Arbeitsabläufe“ wie es die Post nennt, wächst der Druck.  Die Arbeit in der Zustellung wird für viele Beschäftigte mit jedem Tag schwerer: mehr Post und breitere Verteilstandorte. Angesichts dieser miserablen Situation ist es zynisch, wenn der Bezirksleiter in der Betriebsversammlung versucht, die Kollegen gegeneinander auszuspielen, in dem er einfach mal los schwadroniert: „Es gibt Zusteller, die nicht solidarisch mit ihren Kollegen sind, weil sie nach dem sie ihre Post verteilt haben, einfach nachhause gehen, statt den Kollegen zu helfen, der einen größeren Bezirk hat“. Oder die noch übrig gebliebenen Fahrer (vor dem Outsourcing hatte die Post ca. 20.000 Fahrer, jetzt sind es nur noch ca. 2500) mit zu wenig Flexibilität oder Sorgfalt „anfährt“. Aber immer mit der Betonung „wir sind eine Familie – Postfamilie“. Auch was die Arbeit in den Zentren angeht, ist er unzufrieden. Was die Produktivität und den Krankenstand angeht, sei noch viel Luft nach oben. Das werde man aber durch bessere Zeiterfassung und weitere Gespräche etc. noch optimieren.

In den Brief- und Paketzentren sollen mit weniger Personal mehr Sendungen bearbeitet werden. Vor allem für Kolleginnen sind die Arbeitsbedingungen unzumutbar. Es ist schon erstaunlich wie die Kolleginnen es aushalten, jede Nacht von drei bis sieben Uhr, mit vollem Einsatz (in dieser Zeit kommen die meisten Sendungen in den Zentren an) zu arbeiten.

Rund 30.000 wurden in kurzer Zeit mobilisiert. Diese Kraft sollte nicht unterschätzt werden, es sei denn wir lassen uns vor den Karren spannen. Ja, wir fordern von der Regierung bessere Rahmenbedingungen, aber vom Konzern wollen wir Anerkennung, mehr Lohn und Kolleginnen und Kollegen sowie bessere Arbeitsbedingungen! Das dürfen wir nicht außer Acht lassen.

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