Written by 19:00 HABERLER

„Wir wollen, was uns zusteht“

Sinem Yesil

Am 26. November besuchten wir das Streiklokal der Busfahrer des ICB. Im Betrieb arbeiten ca. 370 Busfahrer und alle befinden sich im Streik. Bis Mitte Dezember wollen die Busfahrer streiken, um ihre Forderungen durchzusetzen. Im Gespräch mit Erden Sarı und Peter Kaiser aus dem Betriebsrat, Ali Yaşar (stellvertretender Betriebsratsvorsitzender), Driss Ez-Zouhour (BR-Mitglied+ Tarifkomission), Deniz Işıltı (Ersatz-Mitglied BR) und Mehmet Panişir (Busfahrer) wollten wir einen Einblick in die Situation der Beschäftigten bekommen. Da kein Interview geführt wurde, sondern das Gespräch dokumentiert wurde und die Kollegen einander ergänzten, geben wir die Antworten ohne Namen wieder.

Was sind eure Forderungen?

2016 war die letzte Tarifverhandlung. Da wurde vereinbart, dass die betriebliche Altersvorsorge im Dezember 2018 in Kraft treten soll. Wir haben jetzt Dezember 2019 und noch nichts ist passiert. Außerdem fordern wir, dass die Pausen einheitlich und besser geregelt werden. Weiterhin fordert die Gewerkschaft bezüglich der Wendezeiten, dass es nicht in die Abzüge geht. Uns werden 12 Minuten Wendezeit als Pause abgezogen, wo wir doch eigentlich an der Haltestelle auf Bereitschaft stehen. Wir wollen 30 statt 25 Urlaubstage für jeden Fahrer. Und mehr Geld und bessere Bezahlung ist ebenfalls eine wichtige Forderung, aber der Arbeitgeberverband will nur über den Lohn verhandeln und alles wird ignoriert.

Und wie läuft es mit den Schichten ab?

Der höchste Fahrdienst ist bei und 9 h 15 min und der Mindeste ist 6 h 45 min. Und dann gibt es noch die geteilten Dienste, die über den Tag verlaufen. Du fängst zum Beispiel um 4 Uhr an, arbeitest vier Stunden, machst dann deine 3-4 Stunden Pause und danach geht es noch einmal 4 Stunden weiter. Die Dienstausdehnung bei den geteilten Diensten sind max. 12,5 Stunden.

Werden die Pausen im geteilten Dienst bezahlt?

Wir haben eine 2-Stunden Regelung. Wenn wir unter 2 Stunden Pause kommen, dann kriegen wir das bezahlt. Bei 2 Stunden und einer Minute Pause hat man keine Chance, dann wird es nicht bezahlt. Dann ist man halt 12 Stunden unterwegs für 8 Stunden Arbeit. Das wird in dem Manteltarifvertrag verhandelt. Es gibt einmal den Lohntarifvertrag (LHO) und einmal den Manteltarifvertrag. Unsere Forderung ist generell, dass wir den Durchschnitt haben wollen. Und der Durchschnitt in Deutschland bei den Busfahrern ist 16,60 Euro.

Wir wollen nur die Anerkennung und dementsprechend nur das, was uns zusteht. Man kann Frankfurt und z.B. Sachsen nicht vergleichen. In Sachsen kaufst du für 30.000 Euro vielleicht eine Wohnung, hier kriegst du nicht mal eine Garage dafür.

Wie hoch ist der Durchschnittslohn momentan?

Der Stundenlohn ist im Einstieg 13,50 Euro. Die Kollegen haben aber im Monat maximal 3 Tage frei. Die arbeiten komplett 11 Tage durch. Wir haben Kollegen, die psychisch und körperlich krank werden. Vor kurzem gab es einen Busunfall in Wiesbaden wegen Übermüdung des Kollegen. Wir haben wirklich keinen leichten Job. Viele sagen: „Ihr fahrt ja nur Bus“. Nein. Wir müssen Rücksicht auf Ältere, Fußgänger, Kinder, Autos, Menschen mit Behinderung und auf Radfahrer nehmen. Wir müssen immer wachsam sein. Das ist ein verantwortungsvoller Job, man arbeitet wirklich nur mit dem Gehirn. Eine Unachtsamkeit und alles ist vorbei.

Wie verläuft ein Streiktag bei euch?

Die ersten zwei bis drei Tage sind wir teilweise schon um 3 Uhr hier gewesen, damit wir keinen Streikbrecher haben und alles schön unter Kontrolle bleibt. Aber die Beteiligung ist sehr hoch gewesen. Die Kollegen kamen und unterstützten uns.

Dann haben wir beschlossen, dass wir von 6 bis 16 Uhr kommen, weil der Arbeitgeber die Teilbetriebsstillegung bekannt gab und somit keiner mehr den Streik brechen konnte. Wir sind auf gutdeutsch gesagt „ausgesperrt“.

Wir sind momentan in der Verhandlung. Wir haben schon vier Verhandlungen für gescheitert erklärt, deswegen streiken wir weiter. Nun kam ein Angebot von dem Arbeitgeber, wir sollten sofort mit dem Streik aufhören und in die Schlichtung gehen. Aber wir haben kein Vertrauen in den Arbeitgeber. Wir haben das schon mal gemacht und haben kein gutes Ergebnis erzielt. Wir sind mit dem Angebot des Arbeitgebers nicht einverstanden. Das finanzielle Angebot des Arbeitgebers ist eine Erhöhung um 2,10 Euro, aber gestaffelt auf vier Jahre, also nur 60 Cent pro Jahr. Das ist lächerlich. Auf den Manteltarif mit Pausen und Urlaubsregelungen ging er nicht mal ein.

Merken die Arbeitgeber, dass ihr wütend seid?

Ja. Dieser Streik ist für viele Kollegen wichtig.Wir haben gesehen, dass wir in Hessen gegenüber den anderen Bundesländern weitaus benachteiligt sind. Wir finden auch keinen Nachwuchs, der Beruf stirbt langsam aus. Führerscheine kosten momentan bis zu 15,000 Euro. Viele Kollegen beantragen zu dem Lohn hier Wohngeld und Unterstützung oder haben einen zweiten Job. Wir verlangen 16,60 Euro und den Manteltarif, alles wird teurer, Benzin und Strom wird teurer und somit auch die Ticketpreise. Aber wenn wir mehr Geld verlangen, dann ist auf einmal kein Geld mehr da.

Wie sieht es denn mit den Bilanzen aus?

Der Arbeitgeber ist noch im Plus. Es gibt städtische Unternehmen, die aus öffentlichen Geldern gefördert werden, die werden sehr großzügig nach TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) bezahlt. Nicht so wir: für uns gilt der TV-N. Ganz früher gehörten wir den Stadtwerken, dann wurde es die VGF. Die wurde dann in mehrere Firmensparten unterteilt. Nun sind wir, die ICB, zwar kommunal, aber werden nicht kommunal bezahlt. Wir haben hier auch keine Dynamik, keine Staffelung. Das heißt der Busfahrer, der morgen hier anfängt hat genau dasselbe Geld, wie der, der 20 Jahre hier ist. Der Unterschied beträgt ganze 28 Cents. Beim TVöD ist es gestaffelt.

Wie gesagt, der Streik geht weiter und wir hören nicht auf, bis wir erreichen, was wir wollen.

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