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Zusammen geht mehr

In der Tarifrunde für die rund 2,5 Mio. Beschäftigten im Öffentlichen Dienst geht es in den nächsten Wochen in die entscheidende Phase. Sollte in der dritten Verhandlungsrunde Ende März zwischen ver.di und den Arbeitgebervertretern von Bund und Kommune keine Einigung erzielt werden, rückt die Urabstimmung für den Erzwingungsstreik in Nähe. Vorausgesetzt, dass das Schlichtungsverfahren zuvor ebenfalls scheitert. Die Erwartung bei den Beschäftigten ist klar: sie fordern deutliche Lohnerhöhungen, die mindestens die hohe Inflation ausgleichen. ver.di fordert 10,5% mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Dafür sind sie kampfbereit. Mehr als 340.000 Beschäftigte im Öffentlichen Dienst zeigten im Rahmen einer bundesweiten Unterschriftenkampagne ihre Solidarität und Unterstützung für die Tarifforderung. Besonders anzumerken ist, dass die Unterschriften durch aktive Ansprache in den Betriebs- und Dienststellen gesammelt wurden: wie bspw. in der Gesundheits- und Krankenpflege, bei den Stadtwerken, im kommunalen ÖPNV und Flughäfen uvm.

„Es brodelt im Öffentlichen Dienst“ beschrieb ver.di Vorsitzender Frank Werneke vor wenigen Tagen den Zustand im öffentlichen Dienst. Der Frust bei den Beschäftigten sitzt tief und das nicht seit gestern: „Zum Teil haben wir so wenig Personal, dass wir die Gruppe schließen müssten. Das macht der Träger aber nicht. Die Aufsichtspflicht kann ich dann auch nicht immer 100% gewährleisten, oft habe ich Angst, dass plötzlich etwas passiert und ich es nicht verhindern kann bzw. mir dann die Schuld gegeben wird.“, berichtet eine Erzieherin vor ihren Kolleg:innen an einem Warnstreiktag in Stuttgart.

Internationaler Frauentag und Tarifrunde Öffentlicher Dienst

Es herrscht seit Jahren chronischer Personalmangel, die Arbeitsbelastung nimmt ungebremst zu, die Löhne und Gehälter reichen nicht aus. Oder wie es eine Reinigungskraft auf einer Streikversammlung in Stuttgart ins Mikro rief: „Der Monat ist zu lang für das Geld, was ich verdiene.“ Ihr Lohn liegt in der untersten Lohngruppe, was kein Einzelfall ist. Ihr Bruttoverdienst liegt etwas über 2200 Euro bei Vollzeit und ist somit viel zu wenig, um die hohen Kosten für Wohnung, Energie und Lebensmittel bezahlen zu können. Wie bei der Hauswirtschaft, zeigt sich auch in den anderen Bereichen im Öffentlichen Dienst, dass Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen verrichtet werden, die Situation ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen schlecht(er) sind. So sind im Sozial – und Erziehungsdienst und in der Pflege über 80% der Beschäftigten Frauen. Dass der Lohn so niedrig und die Arbeitsbedingungen so schlecht sind, liegt leider auch daran, dass diese Berufe als typische Frauenberufe gelten und Frauen immer noch nicht gleichberechtigt in dieser Gesellschaft leben! Seit Jahrzehnten sind wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und eine finanzielle Aufwertung der Arbeit in den Sorgeberufen überfällig. Nach wie vor sind Berufe, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten, weniger anerkannt und schlechter bezahlt als Berufe, in denen hauptsächlich Männer arbeiten. Die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst ist damit nicht losgelöst von den politischen Forderungen nach gesellschaftlicher Gleichberechtigung und Lohngleichheit, deren Kämpfe in den Wurzeln des Internationalen Frauentags liegen – und zwar in der Tradition gewerkschaftlicher Frauenkämpfe und streikender Arbeiterinnen. So steuert auch dieses Jahr die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst dem 8.März entgegen und wird besonders die „frauentypischen“ Berufsfelder in den Blick nehmen und mehr noch: den Tarifkampf mit den gesellschaftlichen Kämpfen für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Lohngleichheit zusammenführen. (NL)

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