Diethard Möller
Gerade feiert das EU-Parlament sein 70-jähriges Bestehen als Meilenstein eines angeblich „demokratischen“ Europas. Doch von Anfang an war das Projekt „Vereintes Europa“ ein Ausdruck des Kampfes zwischen den Großmächten.
Der Grundstein für das heutige EU-Parlament wurde im Herbst 1952 gelegt, als am 10. September 1952, in Straßburg die erste Sitzung der „Gemeinsamen Versammlung“ der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), stattfand. Diese Sitzung gilt als Startpunkt des heutigen Europäischen Parlaments. Damals trafen sich 78 Abgeordnete aus den sechs Gründungsländern – Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, Luxemburg und Niederlande. Sie waren nicht gewählt, sondern von ihren Regierungen entsandt.
Grund für die Gründung der EGKS war der Kampf gegen die damals noch sozialistische Sowjetunion und die mit ihr verbündeten sozialistischen Staaten. Im Hintergrund agierten die USA. Sie wollten Deutschland wieder aufrüsten und dazu die Kohle- und Stahlindustrie an Rhein und Ruhr als Grundlage für eine Rüstungsindustrie wieder von allen Fesseln befreien. Gegen die Wiederaufwertung des geschlagenen Deutschland gab es Widerstand in Frankreich und Großbritannien. Doch die USA setzten ihre imperialen Interessen durch.
Die sozialistische Sowjetunion und die DDR prangerten die Gründung der EGKS als Schritt zur Wiederaufrüstung des deutschen Imperialismus und zur Zementierung der Spaltung Deutschlands und Europas an. Damals traten die DDR und die Sowjetunion noch für die Wiedervereinigung in einem neutralen Deutschland ein. Das hätte die Gefahr eines Krieges in Europa massiv verkleinert.
War das imperialistische Deutschland anfangs noch geduldeter Gast, so errang es mit dem von den USA mit dem Marshallplan massiv geförderten „Wirtschaftswunder“ immer mehr Gewicht und wurde Schritt für Schritt zur stärksten imperialistischen Macht innerhalb der EU.
Tatsächlich eröffnete die EGKS dem deutschen Imperialismus auch 1955 den Eintritt in die NATO, die schon 1949 als Teil der Kriegsstrategie der USA gegründet worden war. Gründungsmitglied war übrigens auch Portugal, das von einer faschistischen Diktatur regiert wurde. Das war nie ein Makel für den „Freiheitskampf“ gegen die „rote Gefahr“.
Mit den römischen Verträgen 1957 war Deutschland dann bereits Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG, aus der 1992 die Europäische Gemeinschaft EG und schließlich 2007 mit dem Vertrag von Lissabon die EU wurde.
Die EU war von Anfang an eine Kolonialmacht. Frankreich, Großbritannien, Italien usw. hatten und haben bis heute Kolonialbesitz. In den Kolonien, die sich die Unabhängigkeit mühsam und mit viel Blut erkämpften, haben sie bis heute als neokoloniale Mächte großen Einfluss. Militärische Interventionen, wie in der Sahel-Zone finden immer wieder statt. Blut für billige Rohstoffe und Agrarprodukte, Erschließung von Absatzmärkten und billigsten Arbeitskräften sind Bestandteil der Politik der EU. Zusammenarbeit mit faschistischen Regime und blutigsten Militärdiktatoren dienen der Sicherung des Einflusses der EU als ganzes oder einzelner EU-Staaten. Die Großmacht Deutschland hat die EU immer wieder benutzt, um in Afrika, Lateinamerika oder Asien ihren ökonomischen, politischen und militärischen Einfluss zu stärken. Aktuell wird das mit dem Bundeswehr-Einsatz in Mali deutlich, wo die Bundeswehr angeblich „Hilfe“ leistet, aber in der Realität wichtige Rohstoffe für die deutsche Industrie sichert: Uran (Niger), Gold (Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad), Baumwolle (Mali, Burkina Faso, Tschad) sowie Erdöl (Tschad) dazu Erdgas, Phosphat, Kupfer, Bauxit, Diamanten und andere Edelsteine. Großkonzerne wie das italienische Ölunternehmen Eni, der internationale Rohstoffkonzern Glencore oder die großen internationalen Schürfkonzerne Randgold Resources oder Anglo American Mansa Musa sind dort an der Ausbeutung der Rohstoffe interessiert und aktiv.
Auch wenn sich die EU „Union“ nennt, ist sie das real nicht, sondern ein Zusammenschluss miteinander konkurrierender Staaten. Ein Beispiel dafür ist die viel gepriesene deutsch-französische Partnerschaft. Beide „Partner“ kämpfen mit allen Mitteln um die Führung in der EU und versuchen sich gegenseitig unten zu halten und/oder auszunutzen. Sichtbar wird das gerade beim Krieg in der Ukraine, wo Frankreich „gemeinsame europäische Rüstungsprojekte“ fordert, um seine Rüstungsindustrie und seinen Einfluss zu stärken. Deutschland hingegen setzt auf gemeinsame Rüstungsprojekte mit den USA, da es sich dort bessere Geschäftsaussichten erhofft. Ebenso mischen die USA mit, die die EU einerseits für ihren Kampf um die Weltherrschaft benötigen, andererseits aber eine starke EU als Konkurrenten fürchten. So haben verschiedene Großkapitalisten aus den USA die reaktionärsten Kräfte beim Brexit gefördert, um die EU klein zu halten. In gleicher Weise hat übrigens Russland unter der Führung Putins die reaktionärsten Kräfte in Großbritannien beim Brexit unterstützt.
Mit der sogenannten Osterweiterung der EU wurden viele reaktionäre, antikommunistische Regimes in das „Vereinte Europa“ hineingeholt. So dürfen in Litauen, Lettland und Estland die SS und die Kollaborateure mit Nazi-Deutschland als „Helden“ verehrt werden. Uneinigkeit und Kampf um Einfluss wurden mit dieser Erweiterung noch erhöht. Allerdings können alle fortschrittlichen Menschen froh sein, wenn sich die EU nicht zu einem einheitlichen, festen Block entwickelt, denn das würde die Gefahr imperialistischer Kriege nur erhöhen.
Wenn sich das EU-Parlament nun als „demokratische“ Institution feiert, so ist das eine Propaganda-Lüge. Tatsächlich hat das EU-Parlament bis heute nur sehr beschnittene Rechte. Es darf in der Regel nur abnicken, was ihm die Regierungen oder die EU-Kommission vorlegen.
So ist und bleiben die EU und auch das EU-Parlament ein Instrument der herrschenden Klassen. Solange aber noch viele Millionen Hoffnungen in ein „vereintes Europa“ haben, ist es wichtig, dass es z.B. im EU-Parlament auch fortschrittliche Stimmen gibt, die die Lügen und Heuchelei der Herrschenden von „Frieden“, „Demokratie“ und „Partnerschaft“ entlarven und die Interessen der arbeitenden Menschen vertreten.