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8./9. Mai Tage der Befreiung – Tag des Siege

Dr. Ulrich Schneider (Bundessprecher der VVN/BdA)

Alle Jahre wieder erinnern die FIR und ihre Mitgliedsverbände an die Jahrestage der Befreiung von Faschismus und Krieg und den Tag des Sieges 1945. Was wie ein historisches Ritual aussieht, erweist sich in jedem Jahr erneut als dringende Notwendigkeit, um das Vermächtnis der Überlebenden, die Botschaft der Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung auch in der heutigen Zeit lebendig zu halten.
Und diese Erinnerung wird massiv angegriffen. In Italien setzt die neue Rechtsregierung unter Giorgia Meloni alles daran, auch einen geschichtspolitischen Roll-back durchzusetzen. Ihr und ihren Mussolini-Freunden kann es natürlich nicht recht sein, dass Tausende in Italien zum 25. April an den Tag der Befreiung und gleichzeitig an die Verabschiedung der italienischen Verfassung mit ihren antifaschistischen Fundamenten erinnern. Wer in Italien die Rolle der Resistenza und den 25. April als Gedenktag angreift, der versucht einen ideologische Abwicklung der historischen Grundlagen der italienischen Gesellschaft zu erreichen, um eine andere, eine extrem-rechte Ausrichtung des Landes durchzusetzen. Und so gab es in diesem Jahr in vielen italienischen Städten nicht nur Gedenkkundgebungen zum 25. April, sondern es waren Manifestationen zur Verteidigung des Antifaschismus. Es ist ein deutliches Zeichen, dass der Vorsitzende der FIR-Mitgliedsorganisation ANPI, Gianfranco Pagliarulo, auf der Hauptkundgebung in Mailand die Warnung formulierte, man sehe eine Veränderung des präsidialen Systems, die die Grundlagen der Verfassung verändern, die Gewaltenteilung angreifen und das Parlament in die Rolle des Aschenputtels zurückdrängen könnte. Es geht also nicht nur um historische Erinnerung, es geht bei diesem Streit um die heutige und zukünftige Entwicklung Italiens und Europas.
Auch in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück war in diesem Jahr zu erleben, dass versucht wurde, das Gedenken an die Befreiung durch nationalistische Kräfte wurde zu instrumentalisieren. Das wurde erst durch das Eingreifen der Gedenkstättenleiterin unterbunden.

Es gibt aber auch positive Signale aus Europa:
In Belgien haben die Abgeordneten des Stadtparlaments Charleroi im Frühjahr 2023 zu einer „antifaschistischen Stadt“ erklärt und dabei beschlossen, die Zivilgesellschaft bei der Erinnerung an den Widerstand gegen Nazideutschland, den Faschismus und die extreme Rechte zu unterstützen und insbesondere zu fordern, dass der 8. Mai wieder ein Feiertag wird.
In Spanien ist es der 5. Mai, der bereits 2019 von der Regierung zum Gedenktag für die in Mauthausen und in anderen Lagern deportierten und verstorbenen Spanier und für alle Opfer des Franquismus in Spanien erklärt wurde. Mit dieser kollektiven Erinnerung sollen die spanischen Frauen und Männer – die ersten europäischen antifaschistischen Kämpfer – geehrt und der privilegierte Platz anerkannt werden, der ihnen nicht nur für die spanische demokratische Geschichte, sondern auch in Europa für die Verteidigung der Freiheit und der Demokratie zukommt.
In Deutschland hat die vor einigen Jahren von der ehemaligen Auschwitz-Überlebenden und Mitglied des Ehrenpräsidiums der FIR, Esther Bejarano, erhobene Forderung „Der 8. Mai muss Feiertag werden“ neuen Schwung bekommen. Vor einiger Zeit hatten mehr als 175.000 Menschen dies in einer online-Petition unterstützt. Die Petition wurde im vergangenen Jahr den politisch Verantwortlichen in Person des damaligen Bundesratspräsidenten, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, offiziell überreicht. Auch nach dem Tod von Esther Bejarano wird dieses Ziel weiterhin vertreten. In Berlin fordert die VVN-BdA, dass der 8. Mai nicht nur – wie im Jahr 2020 –einmalig ein arbeitsfreier Tag sein soll, sondern als Gedenk- und Feiertag anerkannt werde.
Die niedersächsische VVN-BdA bringt in diesem Jahr den Vorschlag in die öffentliche Debatte, da der Landtag beschlossen hat, einen zusätzlichen Feiertag im Lande einzurichten.
In anderen Teilen des Landes übernehmen antifaschistische Verbände und Organisationen der Zivilgesellschaft die Initiative, den 8. Mai als Gedenk- und Feiertag öffentlich zu begehen.
In Aachen wird in Vorbereitung des 8. Mai die große Ausstellung „Europäischer Widerstand gegen den Nazismus“ in den Räumlichkeiten der Volkshochschule gezeigt. Auch das ist ein inhaltlicher Beitrag, die Erinnerung an die Befreiung lebendig zu halten.
Solche Initiativen und öffentliche Gedenkaktionen sind ein wichtiger Beitrag gegen alle Formen von Geschichtsvergessenheit und Geschichtsrevision, wie wir sie in den vergangenen Monaten in aller Dramatik in vielen Ländern der europäischen Union erleben mussten.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände ehren – gemeinsam mit den antifaschistischen Kräften der Zivilgesellschaft – mit solchen Aktivitäten die Befreier in den Reihen der Anti-Hitler-Koalition, deren militärischen Hauptlast die sowjetische Armee getragen hat, zu der aber gleichermaßen die Frauen und Männer der jeweiligen nationalen Widerstandsbewegung gehörten, und feiern den Sieg über den Nazismus im Mai 1945.

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