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Abschiebung à la EU

Özgün Önal

Schon während des Bundestagswahlkampfs wurde deutlich, wie sehr sich die Parteien auf das Thema Migration fokussierten. In den TV-Debatten lieferten sich insbesondere die Kanzlerkandidaten Friedrich Merz und Olaf Scholz ein regelrechtes Duell darüber, wer konsequenter abschieben könne oder werde. Es entstand der Eindruck, dass Abschiebung zur politischen Profilierung genutzt wird.

Seit dem Regierungswechsel unter Führung der CDU/CSU hat sich die Praxis der Abschiebungen spürbar verschärft. Immer wieder berichten Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen davon, dass Familien überraschend aus ihrem Alltag gerissen werden – selbst Kinder werden aus Schulen oder Kitas geholt und in Begleitung ihrer Angehörigen zur Abschiebeaufbewahrungsstelle gebracht.

Auch auf europäischer Ebene spiegelt sich dieser Umgang mit Schutzsuchenden wider. Ein besonders irritierendes Beispiel liefert dabei die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die ein Kinderbuch mit dem Titel „Mein Leitfaden zur Rückkehr“ herausgegeben hat. In einfacher Sprache und mit bunten Bildern wird dort der Eindruck erweckt, dass Rückführungen eine Art Reise ins Heimatland seien – eine Darstellung, die der Realität vieler Betroffener in keiner Weise entspricht.

Bereits das Cover des Buchs zeigt Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, die scheinbar fröhlich in einem Flugzeug sitzen. Begriffe wie „Umzug“ oder „Reisedokumente“ vermitteln einen harmlosen Eindruck, als handele es sich um eine freiwillige Auswanderung. Orte, an denen Menschen vor der Abschiebung festgehalten werden, werden verharmlosend als Einrichtungen dargestellt, ohne auf die oft belastenden Bedingungen einzugehen. Selbst der Einsatz von Handschellen wird in kindlicher Sprache als reine Sicherheitsmaßnahme erklärt.

Dieses Buch ist mehr als nur eine fragwürdige Publikation – es ist Ausdruck einer entmenschlichenden Politik. Mit beschönigender Sprache und grafischer Aufbereitung wird suggeriert, dass Abschiebungen Teil eines normalen, sogar positiven Prozesses seien. Die Härte und oftmals traumatisierende Wirkung, insbesondere auf Kinder, bleiben dabei völlig außen vor.

Wie ernst die Lage ist, zeigen offizielle Zahlen: Laut einer parlamentarischen Antwort der Bundesregierung wurden im ersten Quartal 2025 insgesamt 6.151 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Darunter befanden sich auch 1.118 Minderjährige. Diese Zahlen machen deutlich, dass Kinder in besonderem Maße betroffen sind – und dass ihre Lebensrealitäten durch solche politischen Maßnahmen massiv erschüttert werden.
Das Frontex-Kinderbuch steht sinnbildlich für eine europäische Migrationspolitik, die zunehmend auf Abschreckung und Kontrolle setzt – auch gegenüber den Schwächsten. Indem die Sprache kindgerecht gestaltet ist, wird die eigentliche Tragweite der Abschiebung verschleiert. Kinder werden nicht aufgeklärt, sondern in eine Erzählung eingebettet, die Gewalt und Verlust als harmlosen Neuanfang verkauft. Damit wird nicht nur die Wirklichkeit verzerrt, sondern auch eine gefährliche Normalisierung repressiver Praktiken betrieben.

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