Zeynem Arslan
Der österreichische Innenminister, Gerhard Karner (Österreichische Volkspartei, ÖVP) hat gemeinsam mit den zuständigen Flüchtlingsreferent*innen der neun Bundesländer Österreichs am 25. September einstimmig beschlossen, dass Asylbewerber*innen bereits während des Asylverfahrens zukünftig zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden sollen. Gekoppelt wird diese Entscheidung an die Vorgabe, dass Asylbewerber*innen, die keine gemeinnützige Arbeit leisten, im Gegenzug mit Kürzung oder Streichung der Grundversorgung (Verpflegung, Unterkunft, Bekleidung etc.) rechnen sollen. Das Konzept wurde dem Bundesinnenministerium zur weiteren Bearbeitung vorgelegt.
Gegenwärtig können Asylbewerber*innen in Österreich freiwillige gemeinnützige Arbeit leisten. In Österreich dauert jedes zweite Asylverfahren mehr als zwei Jahre (siehe österr. Rechnungshof-Bericht, Februar 2023). Im Jahr 2023 wurden in Österreich bis Ende August rund 35.400 Asylanträge gestellt. Lt. statistischen Hochrechnungen sind mit Ende des Jahres bis zu 53.200 Anträgen zu rechnen, was gleichzeitig einen Rückgang in der Anzahl im Vergleich zum Vorjahr bedeutet (2022: 112.272). Asylbewerber*innen können unter der Voraussetzung, dass sie über eine Beschäftigungsbewilligung verfügen, einer Lehrausbildung nachgehen und/oder eine freiwillige gemeinnützige Arbeit annehmen, während Asyl- und Subsidiärschutzberechtigte keinen Beschränkungen am österreichischen Arbeitsmarkt unterliegen; hier gilt das Ausländerbeschäftigungsgesetz.
In allen Fällen sind in erster Linie die Sprachbarrieren, behördliche Engpässe und die prekären Verhältnisse, unter denen diese Personengruppen wenn überhaupt angestellt werden, die eigentlichen Probleme. Allerdings stoßen in den öffentlichen Debatten genau diese Themen bis dato auf weniger Aufmerksamkeit. Desweiteren sind es die langwierigen und barrierereichen Nostrifizierungsprozesse (Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse), die bei einem wachsenden Fach- und Arbeitskräftemangel sowie 214.000 akut offenen Stellen in Österreich adäquate Anstellungen behindern. Die Höhe der Arbeitslosigkeit liegt in Österreich mit Stand August 2023 bei 261.298. Dabei belegen einige wenige Studien, dass viele zugewanderte Menschen Kompetenzen mitbringen, die für den Arbeitsmarkt nicht ausreichend genutzt werden. Auch finden versteckte Fähigkeiten, die weiter ausgebaut und in der Folge eingesetzt werden können, aufgrund fehlender Diversitätsorientierung noch keinen gebührenden Platz in den Diskussionen. Maßnahmen, die gesetzt werden möchten, drehen sich meist rund um Fragen zu Grenzabdichtung, Sicherheitspolitik und viel Symptombekämpfung, d.h. Unterkontrollebringung der Fluchtrouten und Deals mit Drittstaaten, die für ihre Grenzwächtereinsätze bezahlt werden. Der Begriff „Globale Friedens- und Deeskalationspolitik“ wird heutzutage im Mainstream überhaupt sinnentleert zu einem Schimpfwort gemacht.
Während Konzepte, wie jene des österreichischen Innenministers Karner, geradezu als exemplarische Beispiele für offenkundige moderne Sklaverei gelesen werden können, bewegen sich die europäischen Diskussionen zum Thema, die durch teils eurozentristisch-arrogant und überhebliche Züge gezeichnet sind entlang beinhartem Bemühen sich den realen Entwicklungen und Konjunkturen der Zeit die Augen zu verschließen. Weder mit punktuell gesetzten Maßnahmen und Feuerlöschaktionen, noch mit Methoden moderner Sklaverei, werden sich die wachsenden Herausforderungen unserer Zeit in der Frage der steigenden Mobilität der Menschen, die v.a. erzeugten Asymmetrien (Politik, Wirtschaft etc.) und existenzbedrohlichen Rahmenbedingungen (Krieg, Vertreibung etc.) geschuldet sind, nicht lösen lassen. Dabei haben die Klima-verursachten Flüchtlingsbewegungen noch nicht einmal richtig losgelegt…