Written by 12:00 DEUTSCH, TÜRKEI

Armut ist eine Frage der sozialen Verteilung

Die Vereinigung der türkischen Ingenieurs- und Architektenkammern (TMMOB) erklärte anlässlich des Welternährungstags am 16. Oktober, dass die Verhältnisse in der Türkei katastrophal seien. In der Erklärung wird das Jahr 2023 als „das schwierigste Jahr für den Zugang zu Nahrungsmitteln“ beschrieben. Weiterhin wird ausgeführt, dass „selbst während der Pandemie“ noch nie so schwierige Tage erlebt wurden. Als Gründe gibt die Kammervereinigung „eine falsche Wirtschaftspolitik, den rapiden Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und die Tatsache, dass die Löhne von Arbeitern und Rentnern unter der Hungergrenze bleiben“ an, sodass Essen für die Menschen selbst zu einem Luxus geworden sei, geschweige denn, eine gesunde und vielseitige Ernährung gewährleistet werden könne.

EIN SICH SELBST VERSORGENDES LAND WERDEN

In der Erklärung heißt es weiter, dass der Klimawandel, übermäßige Regenfälle, Überschwemmungen, Hochwasser, der Verlust von Menschenleben, extreme Hitze und Dürre auf der Tagesordnung der Länder der Welt stehen. „Der rapide Rückgang unserer Trinkwasserressourcen und der landwirtschaftlichen Produktion sowie das Fehlen einer problemlösenden Landwirtschafts-, Ernährungs- und Wasserpolitik durch die Regierenden haben die Sorgen für die Zukunft verstärkt. Insbesondere die Covid-19-Pandemie hat die strategische Bedeutung von Nahrungsmitteln für die Welt gezeigt. Die Unterbrechung der Versorgungsketten hat verdeutlicht, wie wichtig es ist, ein „sich selbst versorgendes Land“ zu werden. „Während der Pandemie mussten wir alle lernen, dass das neueste Automodell und die neuesten elektronischen Geräte nichts wert sind, wenn man hungrig ist und kein Wasser zum Trinken hat.“ so in der Erklärung der Kammervereinigung.

DIE WELT IST WEIT ENTFERNT VOM NULL-HUNGER-ZIEL

In der Erklärung heißt es weiter, dass zwar rasche Schritte zur Lösung der durch den Klimawandel verursachten schwerwiegenden Probleme unternommen werden, dass aber Kriege und globale Interessenkonflikte zunehmen, dass die Einkommensungleichheit weiter zunimmt, dass Kinder und Jugendliche sich nicht gesund ernähren und in eine düstere Zukunft blicken und dass das „Null-Hunger“-Ziel bis 2030, das 2019 von 193 Ländern unter der Führung der Vereinten Nationen unterzeichnet wurde, bei weitem nicht erreicht werden kann.

EINER VON ZEHN MENSCHEN GEHT HUNGRIG INS BETT

In der Fortsetzung der Erklärung wird festgestellt, dass solange die Ernährungssicherheit nicht gewährleistet werden kann, es nur ein Traum bleibt, von einer gerechten und demokratischen Ordnung zu sprechen: „Heute gehen mehr als 800 Millionen Menschen auf der Welt, d.h. einer von zehn Menschen, hungrig zu Bett. In der Türkei haben 22 Prozent der Menschen keinen Zugang zu ausreichender Nahrung und 8,5 Prozent leben an der absoluten Hungergrenze. Es ist unsere aller soziale Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, um diese Armut und diesen Alptraum für die Menschheit zu überwinden. Es darf nicht vergessen werden, dass die in der Welt produzierten Agrar- und Lebensmittelprodukte ausreichen, um die Weltbevölkerung von mehr als 8 Milliarden Menschen zu ernähren. Wenn es in der Welt Hunger gibt, dann nicht wegen unzureichender pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse und Nahrungsmittel, sondern wegen der ungerechten Einkommensverteilung.“

ARMUTSRISIKO IN DER TÜRKEI GESTIEGEN

Die Oppositionspartei CHP machte in einer Erklärung darauf aufmerksam, dass sich die Armutssituation in der Türkei in den ersten 9 Monaten des Jahres 2023 im Vergleich zu den Vorjahren verschlechtert hat. In ihrer Erklärung heißt es: „Die Verbraucherzentrale gab bereits im April 2023 bekannt, dass 32.150.000 Menschen in der Türkei unterernährt sind oder wenig zu essen haben. Diese Menschen versuchen, unter schwierigen Bedingungen zu überleben. Dieses dramatische Bild zeigt, dass das Sozialstaatsprinzip nur auf dem Papier existiert und nicht als Verfassungsrecht gelebt wird.“ In der Erklärung heißt es weiter, dass die Arbeitslosenquote junger Menschen im Jahr 2022 bei 19,4 Prozent lag, während die Quote der jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die weder eine Ausbildung noch eine Beschäftigung haben, 24,2 Prozent betrug. Diese Quote lag im zur gleichen Zeit im EU-Durchschnitt bei 9,6 Prozent. Die Türkei steht an der Spitze der Liste von 34 Ländern, so die Opposition.

PRÄSIDENT ERDOGAN: „LEBENSMITTEL NICHT VERSCHWENDEN!“

Währenddessen erklärte Präsident Recep Tayyip Erdoğan, dessen enormen Ausgaben im Präsidentenpalast häufig Schlagzeilen machen, anlässlich des Welternährungstags: „Lasst uns der Lebensmittelverschwendung ein Ende setzen.“ In seiner Rede anlässlich der Veranstaltung zum Welternährungstag sagte Präsident Erdoğan: „Ich lade alle meine Amtskollegen ein, die Initiative zu ergreifen, um das Ziel ‚Null Lebensmittelverluste‘ zu erreichen, was einer der Titel der ‚Zero Waste‘-Bewegung ist, die von meiner Frau Emine Erdoğan initiiert wurde und sich zu einer globalen Bewegung unter dem Dach der Vereinten Nationen entwickelt hat. Beginnen wir heute, nicht morgen, am 16. Oktober, dem Welternährungstag, unsere Lebensmittel zu schützen und der Lebensmittelverschwendung ein Ende zu setzen.“

Close