Written by 19:00 HABERLER

Das Setting hat sich verändert, die Handlung ist dieselbe – Ein Rückblick und ein Ausblick

Özgün Onal

Die Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Oktober 2018 führten zur spürbaren Niederlage der Regierungspartei CDU/CSU. Mit dem Rücktritt der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als Vorsitzende ihrer Parteien versuchte man die Stimmenverluste zu retuschieren. Stattdessen nahm Annegret Kramp-Karrenbauer als Bundesvorsitzende der CDU und Markus Söder als CSU-Parteivorsitzender die Plätze von Merkel und Seehofer ein. Insbesondere innerhalb der CDU hatten sich immer mehr Befürworter der rechten und neoliberalen Politik Friedrich Merz als Wunschkandidaten vorgestellt, der aber seit Jahren nicht mehr politisch aktiv war und als Anwalt für Monopole arbeitet. So verlieft innerhalb der CDU ein „weiter so“, der sich sicherlich auch im nächsten Jahr wiederholen wird.

Abrechnung innerhalb der SPD

Die SPD, die bei denselben Wahlen 10 Prozent der Stimmen verlor, bemühte sich, die Niederlage stillschweigend zu besiegen. Martin Schulz, der mit großer Propaganda zum Kanzlerkandidaten gekürt worden war, holte bei den Bundestagswahlen die niedrigsten Wahlstimmen in der Geschichte der Partei und wurde von Nahles abgelöst. Aber auch das half nichts, am 26. Mai 2019 sank die Zahl der Stimmen auf 15,8 Prozent bei der EU-Wahl.

Manch einer erklärt, dass die SPD ihre Glaubwürdigkeit verlor, als Schröder seine neoliberale Politik mit der Agenda 2010 und Harzt IV als Kanzler durchpeitschte. Zumindest Ende 2019 wurde mit seiner Politik stark abgerechnet. Seit dem Sturz von Helmut Kohls 16-jähriger Macht im Jahr 1998 verlor die Partei unzählige ihrer Anhänger, Wähler und Mitglieder. Schröders neoliberale Linie, die die Partei beherrschte, wurde auf dem außerordentlichen Parteitag am 6. Dezember in Berlin abgewählt. Der Vertreter der Schröder-Linie, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, verlor das Rennen um den Parteivorsitz und 2 Nonames auf dem linken Lager der SPD wurde gewählt. Ebenso wurden weitere Schröder-Anhänger nicht in Parteigremien gewählt oder verloren massiv an Unterstützung.

Der neu gewählte „linke“ Vorstand hat die Losung ausgegeben, die Koalitionspunkte neu zu verhandeln und änderte -scheinbar- wesentliche Punkte im Parteiprogramm. Zumindest wurde soziale Gerechtigkeit wurde auf die Agenda gesetzt.

Ein erheblicher Teil der nach dem Zweiten Weltkrieg bestehenden sozialen Rechte wurde während der rot-grünen Schröder-Fischer-Regierung (1998-2005) liquidiert. Aus diesem Grund wird der SPD-Diskurs über Veränderung und soziale Gerechtigkeit nur überzeugend sein, wenn er durch eine Politik geregelt wird, die die soziale Frage in Betracht zieht. Aber davon ist die Sozialdemokratie Meilen entfernt. Ob der „linke Flügel“ der Partei erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Denn solange die SPD in der Regierung bleibt, wird sie niemanden über einen Richtungswechsel überzeugen. Es geht längst nicht mehr um kosmetische Verschönerung des Systems, etwa durch Korrekturen bei Harzt IV, sondern um eine 180-Grad-Kehrtwende im Sinne der Arbeiter, Angestellten und Rentner. Aber es läuft darauf hinaus, dass die SPD in der Regierung bleibt und innerhalb der Regierung den aufmüpfigen Oppositionellen spielen wird und sich dadurch noch unglaubwürdiger macht.

Fridays for Future und der grüne Aufwind

Mit der Fridays for Future Bewegung, die 2018 entstand und primär von Schülern, anschließend von verschiedenen sozialen Gruppen geführt wurde, sahen die Grünen ihre Zeit gekommen. Da der Wunschpartner SPD sich in Luft auflöst, sah man die gute Möglichkeit, sich der Union anzubieten.

Gesagt werden kann, dass sich hinter dem Aufstieg der Grünen der Vertrauensverlust der Arbeiter und Angestellten von den beiden großen Regierungsparteien verbirgt, gepaart mit dem Wunsch, den Aufstieg der Rechten einzudämmen.

Die Tatsache, dass die Grünen in einer Phase interner Debatten in den beiden großen Parteien eine Einheit zu sein scheinen, ist ein weiterer Aspekt der Vertrauensbildung.

In Bezug auf die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Bevölkerung haben die Grünen nichts Neues zu sagen, außer dass sie im Sinne und Interesse der Konzerne die Umweltpolitik umgestalten werden.

AfD, rechtes Gedankengut und ihre Machtambitionen

In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Alternative für Deutschland (AfD) ebenfalls auf dem Vormarsch ist.

Gegen Ende des Jahres 2019 hielt sie ihren Bundesparteitag in Braunschweig ab. Bis dahin schien sie neue Mitglieder gewonnen zu haben. Aber diese führten die Partei immer mehr nach rechts. Auf der anderen Seite setzt die Partei stark auf Regierungsbeteiligung und formuliert ihre Forderungen „gemäßigter“. Ihr Flügel aus Faschisten und völkischen Nationalisten ist vor allem in Ostdeutschen Bundesländern sehr stark und die Partei ist dort zweitstärkste Kraft.

Die Linke und “Aufstehen”

Im Jahr 2019 fand ein Showcase-Wechsel in der Linkspartei statt. Der Rückzug von Sahra Wagenknecht, eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Partei, von ihren Ämtern, insbesondere als Co-Vorsitzende der Fraktion, hängt auch mit dem Scheitern der Aufstehen-Bewegung zusammen, die sie 2018 mit einigen SPD- und Grünen-Politikern initiiert hatte.

Dass die Linkspartei den großen Bruch in der SPD nicht für sich nutzen kann, hängt mit ihrem unscharfen Profil zusammen und ist ebenso ein Beweis für die politische Unberechenbarkeit dieser Partei.

Da hat Wagenknechts „Aufstehen“ auch nicht viel bewegen können, obwohl sie ein sozialdemokratisches Programm trug. Die Leute, die die SPD verließen, fragten sich, warum eine Kopie unterstützen, wenn man dabei ist, das Original zu verlassen.

Trotz des Scheiterns der Aufstehen-Initiative bleibt das Problem der Linkspartei ungelöst. Stimmenverluste in Sachsen und Brandenburg wurden mit trotzdem mit Freude gefeiert, weil man dennoch viele Stimmen bekommen habe. Zudem schaffte sie es, die stärkste Partei in Thüringen zu bleiben. Mit der vermeintlichen Verlagerung der SPD nach links wird die Arbeit der Linkspartei im Jahre 2020 jedoch viel klarer. Unter dem Einfluss des Machtverlusts ist die Stimme der SPD-Befürworter möglicherweise viel lauter.

Fazit: sich zusammennehmen der Regierungsparteien sieht schwer aus

Bezogen auf das Gesamtbild verloren die wichtigsten Parteien des Systems, CDU / CSU und SPD, im Jahr 2019 trotz des Showcase-Wechsels weiter an Macht.

Es zeigte sich daher, dass die werktätige und arbeitende Bevölkerung in Deutschland nicht getäuscht werden konnte, indem das Schaufenster geändert wurde, ohne die Politik zu ändern. In Anbetracht dessen gibt die SPD nun eine Botschaft ab, in der sie mit früheren Richtlinien abrechnet.

Im nächsten Jahr werden wir sehen können, inwiefern die SPD mit sich selbst abrechnet.

Es ist klar, dass das System hinter einem solchen Machtverlust die Armut, die Niedriglohnjobs und die hohen Mieten sind, mit denen die Arbeiterklasse im Land konfrontiert ist. Diese verschärft die Kluft der Widersprüche zwischen den Klassen und Bevölkerungsgruppen und verlangt somit ein klares Profil von einer linken Opposition.

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