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Der Populismus-Wettstreit auf Rücken der Geflüchteten

Nachdem die Zahl von 217.000 Asylbewerber, die in den ersten acht Monaten dieses Jahres nach Deutschland gekommen sind, eine „Kontroverse“ ausgelöst hat, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien angekündigt. Die Zahl der Geflüchteten, die über diese beiden Länder nach Deutschland kommen, ist in den vergangenen Monaten gestiegen. In Polen wurde kürzlich ein „Netzwerk“ aufgedeckt, das Menschen aus verschiedenen Ländern gegen hohe Geldbeträge mit Schengen-Visa versorgt.

Die Zeitung „Gazeta Wyborcza“ hatte veröffentlicht, dass eine Gruppe innerhalb des polnischen Staates etwa 600.000 Schengen-Visa verkauft hat. Migration ist eines der wichtigsten Themen der polnischen Parlamentswahlen, die am 15. Oktober stattfinden. Gleichzeitig ist die hohe Zahl der Geflüchteten, die in den letzten Monaten aus dem Nachbarland Tschechien nach Deutschland gekommen sind, ebenfalls einer der Gründe für den Anstieg der Zahlen in den letzten 8 Monaten.

Dass im letzten Jahr die Zahl der Geflüchteten, die über Libyen und Tunesien nach Italien kamen, gestiegen ist, hat die Debatte zwischen der Bundesregierung und den Oppositionsparteien neu entflammt. Vorschläge wie die Rückführung „illegal eingereister“ Geflüchteter, die Begrenzung der Zahl der nach Deutschland einreisenden Geflüchteten, die Erhöhung der Zahl sicherer Herkunfts- und Drittstaaten und die Beschleunigung von Abschiebungen sind die Folge. Warum Menschen ihre Heimat verlassen müssen und wie Menschen in größter Not geholfen werden kann, wird nicht thematisiert.

CDU-VORSITZENDER MERZ MACHT SICH DIE POPULISTISCHE RHETORIK DER AfD ZU EIGEN

In den Gesprächen zwischen Regierung und Opposition herrscht völlige Einigkeit über die Verhinderung der Einreise von Geflüchteten und die Beschleunigung von Abschiebungen. Die Union hat einen parteiübergreifenden „Deutschland-Pakt“ gegen Asylbewerber vorgeschlagen, während Innenministerin Nancy Faeser regelmäßige Kontrollen an den polnischen und tschechischen Grenzen angeregt hat.

In einer Zeit, in der die einwanderungsfeindliche Stimmung ihren Höhepunkt erreicht, heizt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz diese weiter an, indem er u.a. im Fernsehen die Tatsachen in einer Weise verdreht, die an die rassistische AfD erinnert. Merz sagte in der Sendung Welt TV mit dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang: „Auch die Bevölkerung, die werden doch wahnsinnig, die Leute. Wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“.

Diese haltlose Behauptung, die zuvor von der AfD im Bundestag geäußert worden war, wurde heftig kritisiert. Das ging wohl auch der CDU zu weit. Selbst seine eigene Partei beschloss, diese Aussage herauszuschneiden, als sie die Sendung in den sozialen Medien teilte. Denn das, was gesagt wurde, ist völlig unwahr und zielte nur darauf ab, Vorurteile gegen Migranten zu schüren.

Sogar die BILD, die für ihre Migranten- und geflüchtetenfeindliche Haltung bekannt ist, schrieb, dass Merz nicht die Wahrheit sage, und erinnerte daran, dass Asylbewerber erst nach 18 Monaten einen Arzttermin bekommen und das deutsche Gesundheitssystem in Anspruch nehmen können, außer in Notfällen. Weiter hieß es: „Es gibt keine Belege dafür, dass deutsche Staatsbürger aus diesem Grund keine Arzttermine bekommen“.

Die Zahnärztekammer gab ebenfalls eine Erklärung ab und teilte der Öffentlichkeit mit, dass die Aussage von Merz nicht zutreffend sei. Natürlich ist es keine alltägliche Situation, dass Merz offen lügt, indem er die Tatsachen verdreht und den gleichen Diskurs wie die AfD führt. Bereits seit längerem werden Vorurteile gegen Geflüchtete geschürt. Die Abschottung Deutschlands für neue Migranten, die keine Fachkräfte sind, wird seit langem auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Deshalb haben die Äußerungen von Merz einerseits Reaktionen hervorgerufen, andererseits sind sie die Grundlage für neue Maßnahmen gegen neue Geflüchtete. Auch die beschleunigte Abschiebung gehört zu den Hauptaufgaben der kommenden Zeit.

GEFLÜCHTETE SOLLEN SKLAVENARBEIT LEISTEN

Inmitten dieser Debatte schlug Gerd Landsberg, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, vor, Geflüchteten vom ersten Tag ihrer Ankunft an eine Arbeitserlaubnis zu erteilen und sie in kommunalen Einrichtungen zu beschäftigen. Landsberg argumentierte, dass dies die Integration beschleunigen würde, und erklärte, dass es einen großen Bedarf für Geflüchtete gebe, für das Gemeinwohl zu arbeiten. Wie viel Geld die Geflüchteten für ihre Arbeit bekommen sollen, ließ er allerdings offen. Auch der SPD-Vorsitzende Klingbeil sprach sich für den Vorschlag aus. Ziel der gemeinnützigen Beschäftigung von Geflüchteten vom ersten Tag an ist es, sie in Berufen einzusetzen, die gebraucht werden und keine hohe Qualifikation erfordern.

Österreich wurde bereits als Vorbild dafür ausgewählt. Vorerst werden Geflüchtete freiwillig und gegen ein geringes Entgelt in gemeinnütziger Tätigkeit eingesetzt. Die amtierende ÖVP-Grünen-Regierung plant jedoch, diese Jobs verpflichtend zu machen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf ist bereits in Vorbereitung. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Geflüchtete, die ihre Grundbedürfnisse decken wollen, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Die Innenminister der Länder haben dem Vorschlag zugestimmt. Geflüchtete, die nicht zur Arbeit erscheinen, werden die Leistungen verweigert. So werden sie gezwungen, als Sklaven in staatlichen Betrieben zu arbeiten.

Auch in Deutschland ist damit zu rechnen, dass Rechtsradikale und Konservative, wie Merz, in nächster Zeit verstärkt über das „österreichische Modell“ sprechen werden.

DAS LEBENSELIXIER DES RASSISMUS: POPULISMUS

Von der Linkspartei über die SPD und die Grünen, bis hin zur CDU und der AfD erleben wir eine Zeit, in der die Rhetorik und das Vorgehen gegen Asylsuchende in Deutschland schärfer geworden sind, als in der Vergangenheit. Die Inflation, steigende Lebenshaltungskosten, die durch den Krieg verschärfte soziale Armut und die Schwächung der Kaufkraft haben die Lebensbedingungen großer Teile von Arbeitern schwieriger gemacht, als früher und die Zukunftsängste verstärkt. Die rechtspopulistische und nationalistische Propaganda, die sich darauf stützt, dass das Land seinen Reichtum nicht mit den von außen kommenden Geflüchteten teilen will und dass die Migranten für die bestehenden Probleme und Schwierigkeiten verantwortlich seien, findet vor allem in der Mittel- und Unterschicht ein gewisses Echo. Aus diesem Grund erscheinen die Stimmen der rechten Partei in den Umfragen hoch. Anstatt sich dieser rechtsnationalen Welle, die von wirtschaftlichen und sozialen Problemen geprägt ist, entgegenzustellen, haben weite Teile der Bevölkerung, allen voran die Regierungsparteien, kapituliert und deren Rhetorik übernommen. Die Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Merz sind dafür ein konkreter Ausdruck. Aber das ist nur die sichtbare Seite, es gibt ähnliche Aussagen, die weniger sichtbar sind.

Die etablierten Parteien stellen angesichts dieses Bildes keine ernstzunehmende Alternative zum Rechtspopulismus und Nationalismus dar. Die Geschichte hat gezeigt, dass eine Verschiebung des Zeigers nach rechts die Rechte nicht schwächt, sondern stärkt.

Es gilt, die verlogene und feindselige Demagogie der Rechten, Nationalisten und Reaktionäre aller Nationalitäten zu entlarven und auf die Beseitigung der Fluchtursachen zu drängen.

In einer Welt der Kriege, des Hungers, der Armut und aller Formen politischer und religiöser Unterdrückung hat es Migration immer gegeben und wird es sie immer geben. Deshalb wird sich die Menschheit auch weiterhin mit der Frage der Migration beschäftigen, bis eine Welt geschaffen ist, in der niemand gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen.

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