Rekrutierung und Militarisierung aus der Perspektive eines Lehrers
Perspektivlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, ein schlechter Schulabschluss in vielen Fällen scheint genau das die Eintrittskarte zur Bundeswehr zu sein. Wo andere Institutionen kaum Chancen bieten, tritt die Bundeswehr als vermeintlich stabiler Arbeitgeber auf. Mit gutem Gehalt, Abenteuerromantik und dem Versprechen einer sicheren Zukunft. Besonders junge Menschen, auch mit Migrationshintergrund, entscheiden sich zunehmend für den Dienst an der Waffe – trotz bekannter rechter Netzwerke und Skandale innerhalb der Truppe. Der Drang nach Perspektive wiegt offenbar schwerer auch schwerer als das eigene Leben?
Eine Studie von der Bundeswehr mit dem Titel Vielfalt und Inklusion in der Bundeswehr belegt: 8,9 % der Soldatinnen und Soldaten haben einen Migrationshintergrund. Laut Wikipedia und einem FAZ-Artikel liegen andere Schätzungen sogar bei 12–16 %. Nicht nur für Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund und ohne erfolgreiche Schullaufbahn ist die Bundeswehr attraktiv – auch für Jugendliche, die studieren möchten, erscheint sie als „Helfer in der Not“. Besonders Studienfächer wie Medizin wirken sehr attraktiv, da der NC dort nicht relevant ist.
Die Kehrseite der kunterbunten Welt der Bundeswehr
Blicken wir auf ein paar Zahlen und Fakten über die Bundeswehr. Die Bundeswehr, die bunt und vielfältig sein möchte, hat mehr braune Flecken als bunte. 16,6 % der Befragten berichteten, dass sie aufgrund ihres migrantischen Hintergrunds diskriminiert wurden. Auch andere Bevölkerungsgruppen sehen sich benachteiligt: 21,1 % der Frauen, 24 % der Menschen mit Behinderung und 14,8 % der unter 29-Jährigen gaben an, innerhalb der Bundeswehr Diskriminierung erfahren zu haben.
Das Land braucht kriegstüchtige junge Menschen.
Auffällig ist zudem der hohe Anteil minderjähriger Rekruten. Zwischen 2018 und 2023 wurden insgesamt 7.861 Minderjährige in die Bundeswehr aufgenommen. Allein im Jahr 2023 lag die Zahl bei 1.996 – ein Rekordwert. Insgesamt wurden im selben Jahr 18.800 neue Soldatinnen und Soldaten eingestellt. Diese Zahlen kommen nicht von ungefähr: Die Bundeswehr betreibt eine offensive Werbestrategie – insbesondere an Schulen und Hochschulen. 2023 hielt sie 3.460 Vorträge und erreichte damit rund 90.000 Schüler:innen und Studierende. In den sozialen Medien – besonders auf YouTube und TikTok – werden junge Menschen gezielt angesprochen. Die Inhalte erinnern oft an Actionfilme oder Ego-Shooter und zeichnen ein stark idealisiertes Bild vom Soldatenleben.
Ein Zitat eines Jugendlichen aus dem zweiten Bildungsweg:
„Herr XX, was soll ich sonst machen mit meinem Hauptschulabschluss und die Bundeswehr bezahlt babamäßig. Die Zahlen mir sogar den Führerschein und unterstützen mich bei meiner Boxkarriere.“
Auf die Gegenfrage, ob er für Deutschland sterben würde, hat er erst geschwiegen – und dann gesagt: „Soweit kommt es nicht.“
Doch die Seite des Sterbens wird kaum erwähnt – aus gutem Grund. Wenn junge Menschen mit Tod, Leid und psychischen Erkrankungen konfrontiert würden, wäre die Bundeswehr nicht mehr so attraktiv. Dann wären gute Bildungschancen und ein gut bezahlter Arbeitsplatz nicht mehr viel wert, wenn dafür das eigene Leben auf dem Spiel steht. Die Frage nach dem “Warum” bleibt oft unbeantwortet. In den Lehrplänen für Politik wird das Thema Krieg meist erst in der 10. Klasse behandelt, wenn überhaupt. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen von Kriegen, den Profiteuren wie Rüstungsunternehmen und den geopolitischen Interessen bleibt aus. Doch um die Ursachen von Kriegen zu verstehen, muss die Fragen gestellt werden: Wer profitiert davon? Die Antwort lautet oft: Waffenkonzerne, wie z.B. Rheinmetall. So werden junge Menschen zu Werkzeugen in Konflikten, die nicht die ihren sind. Sie riskieren ihr Leben für Interessen, die sie weder verstehen noch teilen. Immer mehr Menschen aus prekären Verhältnissen sehen in der Bundeswehr den letzten Ausweg. Was für einige als Chance beginnt, lässt sich auch als besorgniserregender Trend interpretieren: Junge Menschen, die aus wirtschaftlicher Not zur Waffe greifen und damit zu potenziellem Kanonenfutter für die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen einer Elite werden – in einem Krieg, der nicht ihrer ist.