Written by 10:00 HABERLER

Die Tarifkommission der IG Metall hat das Verhandlungsergebnis angenommen

Leserbrief eines Stahl-Arbeiters

Am 9. April traf sich die Tarifkommission der Eisen- und Stahlindustrie online. Die Sitzung verlief auf eine nicht zu unterschätzende Weise dynamisch. Von Eisenhüttenstadt bis Bremen, Salzgitter und Thyssen-Krupp; von überall und von verschiedenen Tarifkommissionsmitgliedern wurde nicht wenig Kritik geäußert. Ein Tarifkommissionsmitglied aus Salzgitter teilte mit: „Von dem verschickten Stahl-Info haben wir lediglich die erste Seite kopiert und in der Firma verteilt, da wir nicht in der Lage sind, die restlichen Seiten zu verteidigen.“ Insgesamt kann gesagt werden, dass der einmalige Corona-Zuschuss sowie die Einmalzahlung für 15 Monate in Höhe von 500 Euro, welche sich prozentual nicht auf die Lohn- und Gehaltstabellen auswirkt, die größten Streitpunkte waren.

Als die Diskussionen und Kritiken schärfer wurden, meldete sich ein Mitglied der Verhandlungskommission von der Firma ArcelorMittal Bremen zu Wort: Die Tarifkommission müsse das von der Verhandlungskommission erzielte Ergebnis genauso übernehmen. Andernfalls würde man die Verhandlungskommission vor den Augen der Arbeitgeber lächerlich machen. Das würde bedeuten, dass die Verhandlungskommission unnötig sei.

Bevor Knut Giesler von der IG Metall NRW die Tarifergebnisse zur Abstimmung stellte, sagte er: „Natürlich ist dieser Vertrag nicht zum Feiern. Des Weiteren wurden in den letzten Jahren für viele Betriebe unterschiedliche Verträge abgeschlossen. Somit musste ich anstatt Flächentarifverträge Haustarifverträge unterschreiben. Außerdem war die Auftragslage in der Eisen- und Stahlbranche nicht gut. Unter diesen Bedingungen konnten wir nur so viel rausholen.“ Tatsächlich ist die Auftragslage seit Januar in vielen Betrieben aber gut.

Von 89 TeilnehmerInnen haben 8 den Vertrag abgelehnt. Somit wurde der Vertrag trotz der zahlreichen Unruhen und Diskussionen von der Mehrheit akzeptiert.

Danach tagte die Tarifkommission Ostdeutschland. Das Ergebnis für Westdeutschland wurde ebenfalls für die ostdeutschen Eisen- und Stahl-KollegInnen übernommen. Auch hier kamen viele kritische Stimmen aus den Betrieben. Die Eisenhüttenstädter haben betont, dass es bei dem Vertrag keinen Grund für die Verteidigung gegenüber den ArbeiterInnen gebe. Bei der Abstimmung wurde mit zwei Enthaltungen „der Tarifabschluss der Vernunft auf Zeit“ mit Mehrheit akzeptiert.

Was zeigt uns das obige Bild und was ist zu tun?

Bekanntlich gibt es innerhalb der Gewerkschaft eine Struktur „von unten nach oben“. In der Tarifauseinandersetzung, werden die Forderungen bei den Gewerkschaftsmitgliedern oder zumindest in der Vertrauensleutevollversammlungen diskutiert und dann für den Betrieb zur Abstimmung vorgelegt. Die Mitglieder der Tarifkommission dieses Betriebes nehmen die Empfehlung in die Tarifkommissionssitzung mit und setzen sich für ihre Forderungen ein. Die Tarifkommission entscheidet über die endgültige Forderung.

Die Verhandlungskommission setzt sich mit den Arbeitgebervertretern an einen Tisch und diskutiert diese Forderungen. Jede hier getroffene Einigung wird dann in die Tarifkommission mitgenommen und nach weiterer Diskussion wird das Ergebnis erneut zu den Gewerkschaftsmitgliedern des Betriebes, aus denen die Kommissionsmitglieder kommen oder zumindest zu den Vertrauensleuten gebracht. Dort wird sie wieder diskutiert. Die Entscheidung der Mehrheit wird erneut in die Tarifkommission mitgenommen. Mit der Mehrheit der Kommissionsmitglieder wird die Vereinbarung entweder angenommen oder abgelehnt und die Verhandlungen werden erneut aufgenommen. Das ist der normale Ablauf.

Es ist eine Tatsache, dass der Ablauf dieser Struktur während der Pandemie und aufgrund der dazwischen liegenden Osterferien nicht eingehalten wurde. In der Tat war es aber auch vor der Pandemie so, dass man froh sein konnte, wenn in manchen Betrieben die Vertrauensleute überhaupt gefragt wurden, weil das Ergebnis oft nur zwischen dem Betriebsrat und den Mitgliedern der Vertrauenskörperleitung diskutiert und die Entscheidung dort getroffen wird. Fortschrittliche KollegInnen und kämpferische Gewerkschafter müssen aber dieses Prinzip „von unten nach oben“ und damit die demokratische Struktur der Gewerkschaft überall und jederzeit verteidigen. Und wir müssen Einige jedes Mal wieder daran erinnern.

Die Tendenz, dass Flächentarifverträge zu Haustarifverträgen verkommen, ist auch von der Gewerkschaft verschuldet. Wir ArbeiterInnen müssen diesen Weg der Gewerkschaft stoppen. Jeder Haustarifvertrag zwingt die Beschäftigten zum Verzicht. Es wurde aber nirgendwo gesehen, dass ein Unternehmen durch Verzicht der KollegInnen vom Bankrott gerettet wurde. Wir müssen darauf achten, was dort beschlossen wird. Unternehmen, die die Situation in eine Chance verwandeln und eine Einigung mit der Gewerkschaft erzielen, sind somit in Vorteil. Genau das wollte die Gewerkschaft ursprünglich mit dem Flächentarifvertrag vermeiden. Beispielsweise wird in jeder Vereinbarung eine Beschäftigungssicherungs-Vereinbarung beschlossen.

Dieser neue Tarifvertrag wurde jedoch erst kürzlich für die gesamte Eisen-und Stahlindustrie verlängert. „Doppelt hält besser“ bedeutet also nicht, dass doppelt auch so stark ist. Dies dient nur dazu, die Beschäftigten zu täuschen

Wie oben genannt, gibt es ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen, Vertrauensleute, BetriebsrätInnen sowie Mitglieder der Tarifkommission, die mit der Situation unzufrieden sind und ihre Meinung sagen. Trotzdem bekommt die Gewerkschaftsführung irgendwie immer die Mehrheit bei Abstimmungen. Wieso? Weil die kritischen Stimmen nicht miteinander vernetzt sind! Wenn sie sich vernetzen und gemeinsam agieren könnten, dann könnten sie was ändern oder zumindest könnte die Gewerkschaftsführung ihren eigenen Willen nicht so einfach durchsetzen. Zumindest zurzeit sollte es nicht schwierig sein, sich wenigstens online untereinander auszutauschen. Vieles wäre besser, wenn sie zusammenkommen würden. Es geht also alles darum, organisiert zu sein. Wenn wir etwas verändern wollen anstatt uns nur zu beschweren, gibt es keinen anderen Weg.

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