Die medizinische Grundversorgung in Deutschland ist in einem desaströsen Zustand. An deutschen Krankenhäusern fehlen offiziell 33000 Vollzeitstellen. Da Patientenzahlen und -alter schon durch den demografischen Wandel weiter steigen, kann man ohne zu übertreiben sagen, dass in Deutschland 100000 Vollzeitstellen für Pflegerinnen und Pfleger fehlen. Würde man die Personalbesetzung im Pflegedienst deutscher Krankenhäuser auf das Niveau anheben, das die Schweiz oder Dänemark pro 1000 Einwohner jetzt schon haben, müssten sogar zwischen 160000-260000 Vollzeitkräfte zusätzlich eingestellt werden, um eine patientenbezogene, wohnortnahe und kostenfinanzierte medizinische Grundversorgung zu gewährleisten, Dass sich dieser enorme Personalmangel mit Sicherheit auch auf die Qualität der Patientenversorgung auswirkt, ist sicherlich nicht großartig überraschend. Doch wie kommt es zu diesem Personalmangel?
Hier kann man sicherlich auf der einen Seite fehlende staatliche Investitionen anführen. Während Milliarden für anderweitige Zwecke wie Aufrüstung und Konzernsubventionierungen locker gemacht werden oder durch Krieg und Embargo begünstigte Profite und Gewinne unangetastet bleiben, erleben wir einen nominellen Reallohnverlust, im günstigsten Falle vielleicht eine Beibehaltung des finanziellen Status quo bei lohnabhängig Beschäftigten im medizinischen Versorgungsbereich.
Als weiteren Grund kann man sicherlich die ökonomische Ausrichtung der medizinischen Versorgung angeben, die eine massive Schuld an der Personalsituation trägt. Seit 2003 werden medizinische Dienste in DRG-Fallpauschalen abgerechnet. Jede Neuaufnahme eines Patienten in Krankenhaus, Rehabilitation und Pflege definiert jeweils einen neuen Fall, der die weitere Behandlung kennzeichnet. Hierbei geraten die Bedürf_nisse und das Wohl der Patienten immer mehr aus dem Blick und Patienten werden ähnlich dem Fließband in der Fabrik, „abgefertigt“. Jedoch ist die medizinische Versorgung ein Grundbedürfnis des Menschen, der kostenlos und jederzeit gestillt werden muss. Krankenhäuser und Pflegepersonal sind dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht Profiterwartungen. Daher ist das Minimum, was man vom Staat erwarten kann, die Bedingungen für eine gesunde Arbeitsatmosphäre zu schaffen und dem medizinischen Personal den Respekt zu zollen, der ihm zusteht. Statt dass die Arbeitgeber sich mit den Wert der Arbeit verachtenden Tarifangeboten blamieren, sollten sie sich im klaren sein, dass ohne diese Arbeit kein langes und gesundes Leben möglich sein wird. Für niemanden.