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Gießener Ärztin wegen „Werbung für Abtreibungen“ verurteilt

Alev Bahadir

Der Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel sorgte für Schlagzeilen und Diskussion. Hänel wurde von einem Gericht in Gießen zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 € verurteilt. Das Urteil: Werbung für Abtreibung.

Kristina Hänel bietet in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche an. Dies ist auch auf ihrer Homepage nachzulesen. Über einen Link und die Angabe der eigenen Email-Adresse können weitere Informationen zu dem Eingriff angefordert werden. Vor einiger Zeit noch folgte auf den Link direkt eine PDF-Datei mit den Informationen. Ausgerechnet dieses Informationsmaterial wurde von der Gießener Staatsanwaltschaft und die zuständige Richterin als „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche aufgefasst. Seit 2015 wurde die Ärztin bereits zweimal aufgrund der Infos auf ihrer Homepage von Abtreibungsgegnern angezeigt, bisher ohne Erfolg. Nun, ausgerechnet zu einer Zeit, in der so stark, wie selten zuvor, über Frauenrechte diskutiert wird, hatte dieses rückschrittliche Bestreben Erfolg. Grundlage ist einer veralteter Gesetzesparagraph. Der höchst umstrittene §219a im Strafgesetzbuch besagt, dass Personen, die des „Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ für Schwangerschaftsabbrüche werben, mit einer Gefängnis- oder Geldstrafe bestraft werden können. Während sich die Kirche und andere Gruppen, die sich gegen Schwangerschaftsabbrüche einsetzen, erfreut über das Urteil zeigten, sind in der Politik und der Zivilgesellschaft erneut Diskussionen über Schwangerschaftsabbrüche und den Paragraphen §219a im Besonderen entbrannt. SPD, Grüne und Linke fordern eine völlige Streichung des besagten Paragraphen. Die CDU sieht eine vollkommene Streichung kritisch. Geschäftsmodelle mit Schwangerschaftsabbrüchen sollen so, laut CDU-Politikern, verhindert werden. Deshalb erklärte der frauenpolitische Sprecher (männlich!) der CDU: „Insofern halte ich es grundsätzlich für richtig“. „Man kann aber sicherlich darüber streiten, ob schon die sachliche Information auf der Homepage eines Arztes den Tatbestand erfüllt“, so Elisabeth Winkelmeier-Becker, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU.

Denn Hänel hatte nicht über Schwangerschaftsabbrüche informiert, um sich persönlich zu bereichern, sondern um Frauen, die über eben jenes nachdenken, Informationen zu dem nach wie vor tabuisierten Eingriff zur Verfügung zu stellen. Sie hat direkt nach der Urteilsverkündung angekündigt, in Berufung zu gehen, sogar bis zur letzten Instanz, wenn es sein muss. Vielleicht braucht es gerade das. Denn entgegen dem Volksglauben sind Schwangerschaftsabbrüche immer noch verboten und stehen unter Strafe. Geregelt ist dies in den §218 und 219 des Strafgesetzbuches. Im Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“ und somit in einer Reihe mit Mord und Totschlag. Zwar ist das Bestreben den §219a abzuschaffen erstrebenswert, doch kann man darüber diskutieren, ob das weit genug geht. Müsste nicht der gesamte Teil über Schwangerschaftsabbrüche gestrichen werden? Sollte nicht das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren eigenen Körper über einer veralteten moralischen Vorstellung stehen? Warum kann die Bundeswehr ungehindert fürs Töten und Sterben – und das bringt ein militärischer Dienst nun mal mit sich – werben, während Frauen und deren Ärzte noch immer kriminalisiert werden, weil sie über ihren Körper und ihre Zukunft bestimmen möchten? Die Vorstellung, dass mit der Abschaffung des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen plötzlich an allen Ecken abgetrieben wird, ist einfach nur lächerlich. Schließlich bringen Schwangerschaftsabbrüche eine extreme körperliche und seelische Belastung der Frau mit sich. Nicht etwas, dass leichtfertig passiert. Und es passierte schon immer und wird auch immer wieder passieren. Deshalb ist es notwendig, dass diese von Fachpersonal durchgeführt werden und die Frauen genug Informationen im Vorfeld bekommen. Darin etwas Kriminelles zu sehen, ist für die Frauenrechte wie eine Reise ins dunkle Mittelalter.

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