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Grundrechtekomitee legt Bericht zu Demonstrationsbeobachtung rund um die Räumung von Lützerath vor

Heute, am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt, veröffentlicht das Komitee für Grundrechte und Demokratie einen ausführlichen Bericht zur Räumung von Lützerath. Basierend auf den Beobachtungen von insgesamt 14 Beobachter*innen, Gesprächen mit Aktivist*innen, einer umfassenden Auswertung der Medienberichterstattung sowie Beiträgen des Ermittlungsausschuss und Demo-Sanitäter*innen ist ein 56-seitiger Bericht entstanden.

Im Bericht stellen wir fest: Mit einer Allgemeinverfügung und einem damit einhergehenden Aufenthalts- und Betretungsverbot wurde der Grundsatz der freien Ortswahl innerhalb der Versammlungsfreiheit nach Paragraph 8 GG während der Räumung und Zerstörung Lützeraths grundlegend verletzt. Obgleich das Areal Privatgelände ist, hätten die Behörden im Sinne der Verhältnismäßigkeit und des Schutzes der Versammlungsfreiheit eine Möglichkeit schaffen müssen, am Ort des Geschehens zu protestieren. Auch angemeldete Versammlungen außerhalb des Gebietes der Allgemeinverfügung schränkte die Versammlungsbehörde hinsichtlich ihrer Routen und Kundgebungsorte massiv ein. Versammlungen ohne Anmeldung, die ebenso von der Versammlungsfreiheit geschützt sind, schlug die Polizei mit großer Härte zurück.

Die Pressefreiheit war durch den faktischen Zwang zur polizeilichen Akkreditierung systematisch eingeschränkt. Zudem gab es diverse weitere Beschränkungen der Pressefreiheit durch die Polizei oder das Personal von RWE, bis hin zu vereinzelten körperlichen Übergriffen gegen Journalist*innen. In Einzelfällen wurden Journalist*innen sogar die Akkreditierung entzogen.

Während der gesamten Räumungstage in Lützerath stellte sich der Einsatz der Polizei und von RWE als überaus überstürzt dar: Räumung sowie Abriss- und Fällarbeiten verliefen parallel, in enger räumlicher Nähe und augenscheinlich oft ohne genügenden Sicherheitsabstand. Es kam zu mehreren lebensgefährdenden Situationen während der Räumung, bei denen Geäst aktive Traversen nur knapp verfehlte oder traf.

„Es ist allein dem Glück zu verdanken, dass es während der Räumung nicht zu schweren Verletzungen oder Schlimmerem kam. Die fast ohne Pausen stattfindenden Räumungsarbeiten unter Lärm und Dauerbeleuchtung, die zunehmende Erschöpfung von Aktivist*innen sowie die schlechten Wetterverhältnisse , gefährdeten die Demonstrationsteilnehmer*innen täglich mehr,“ kritisiert Britta Rabe, politische Referentin des Grundrechtekomitees.
Zeigte sich Polizeigewalt während der Räumungstage in Gestalt einer Inkaufnahme lebensgefährdernder Situationen, trat sie während der Demonstrationen und Aktionen direkt als Brutalität auf.

Politik- und Polizeiführung schufen mit ihren Ankündigungen zur erwarteten Gewaltbereitschaft der Demonstrant*innen im Vorfeld eine Atmosphäre der Unsicherheit. In besonderem Maße setzte die Polizei auf der Großdemonstration am 14. Januar diverse Gewaltmittel gegen Demonstrierende ein: Pferde und Hunde, Wasserwerfer und Pfefferspray sowie unvermittelt und wahllos Schlagstöcke und Faustschläge, die Verletzungen an Kopf, Gesicht und Gliedmaßen bei einer hohen Zahl von Demonstrierenden verursachten.

„Der kollektive Ungehorsam der Demonstrierenden am 14. Januar war ein Ausdruck unmittelbarer Demokratie – der unnötigerweise mit vielen Verletzten endete. Außer dem Festhalten an der Allgemeinverfügung gab es keinen Grund, den Schlagstockeinsatz zu befehlen und so massiv gewaltvoll und unverhältnismäßig gegen die Demonstrierenden vorzugehen“ stellt Tina Keller, Koordinatorin der Demonstrationsbeobachtungen beim Grundrechtekomitee, fest.

Der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) schuf am 19. Januar im Innenausschuss eine abschließende Erzählung, die die Polizeigewalt als Reaktion auf eine einseitig von Demonstrierenden ausgehende Gewalt legitimieren sollte. Die von unzähligen Menschen erlebte und beobachtete systematische Polizeigewalt wurde geleugnet und als „Einzelfälle“ verharmlost.

„Und während es die Aufgabe eines Parlamentes wäre, die zuständigen Ministerien und die Polizei in Verantwortung zu halten, nahmen alle Parteien die Darstellungen hin und hinterfragten weder den Ablauf der Räumung noch den Umgang mit den Versammlungen ernsthaft“, sagt Tina Keller weiter.

(Quelle: www.grundrechtekomitee.de)

Der Bericht ist hier als PDF erhältlich: https://www.grundrechtekomitee.de/fileadmin/user_upload/Entscheidung_fuer_Gewalt._Bericht_Demobeobachtung_Luetzerath_2023.pdf

 

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