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Heißer Frühling? Arbeitskämpfe im öffentlichen Dienst

Busse, Bahnen, Flüge fallen aus, der Müll in den Containern wird nicht abgeholt, KiTas bleiben unbesetzt und Pflegeeinrichtungen, wie Krankenhäuser, nehmen nur noch Notfälle auf.

Seit mehreren Wochen streiken Beschäftigte des öffentlichen Dienstes für 10,5 % mehr Entgelt aber mindestens 500 Euro monatlich mehr bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Sie machen darauf aufmerksam, dass ihre Tätigkeiten für die Gesellschaft unverzichtbar sind. Wenn ihre Forderungen Umsetzung finden, würde das bedeuten, 2023 einen Reallohnverlust für 2,5 Millionen Beschäftigte verhindert zu haben. Die Forderung nach einem Festbetrag von 500 Euro ist ein Zeichen für die unteren Lohngruppen, die unter der Krise am meisten leiden. Ein anderer Schwerpunkt ist, den hohen Arbeitsdruck durch mehr Beschäftigung zu beheben. Denn schon heute fehlen bundesweit über 300.000 Stellen. In den nächsten Jahren wird sich diese Situation nur noch verschärfen.

Die Beschäftigten sind sich bewusst, um die Arbeitsverdichtung durch Personalmangel zu bekämpfen, braucht es gute Arbeitsbedingungen und eine gute Entlohnung. Nur so würden die Jobs wieder attraktiver. Doch wie reagieren die Arbeitgeber darauf?

Vor den Warnstreiks:

Am 22. Und 23. Februar fand die letzte Tarifverhandlung statt, die von der Gewerkschaft ver.di gemeinsam mit der GdP, GEW, IG BAU, dem dbb Beamtenbund und der tarifunion geführt wurde. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall der Bund und die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA). Das heißt der Staat.

Bemerkenswert ist, dass eine Woche nach dem Scheitern der Verhandlung auch die konzertierte Aktion aufgelöst wurde. Dabei ging es der Regierung doch darum mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften Lösungen gegen die Inflation zu finden, oder? Doch gerade jetzt, wenn die Bundesregierung selbst in Verantwortung steht, scheinen diese Ziele keine Rolle mehr zu spielen.

Das Angebot der Arbeitgeber war eine tabellenwirksame Erhöhung von 3 % zum Oktober 2023 und 2 % zum Juni 2024, bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Dazu eine Inflationsausgleichsprämie in zwei Raten von 1.500 und 1.000 Euro. Dieses Angebot lehnten die Gewerkschaftsmitglieder zu Recht ab. So wären die Beschäftigten mit Reallohnverlusten konfrontiert und es gäbe keinen Ausgleich zum Zuwachs an Aufgaben. Gleichzeitig ist die Laufzeit zu lang, sodass keine Möglichkeit besteht, auf Krisen kurzfristig zu reagieren und für eine Verbesserung ihrer Bedingungen zu kämpfen. Auch der soziale Ausgleich für die unteren Einkommensgruppen fehlt. Der ver.di Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke kritisierte auch den Vorschlag der Einmalzahlungen, da sie nicht nachhaltig sei und die Preise weiterhin hoch bleiben.

Gemeinsame Kämpfe: Frauenfrage, Klima und Jugend

Die Gewerkschaften riefen zu bundesweiten Aktionstagen auf, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Probleme und Kämpfe im öffentlichen Sektor nicht unabhängig von anderen gesehen werden dürfen. Gemeinsam mit Fridays for Future rief ver.di zu einem Klimastreik auf. Dort rückten sie die Arbeitsbedingungen in den Fokus sowie die Bedeutung des ÖPNV im Kampf gegen den Klimawandel. Der 1. März wurde zu einem Jugendstreiktag, auf dem 6000 junge Menschen, Azubis und Studierende darauf aufmerksam machten, dass besonders die Jugend von der Inflation betroffen ist und dass es Perspektiven braucht. Auch der Internationale Frauentag wurde zu einem Streiktag für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst. In dieser Branche arbeiten rund 85,9 % Frauen. 70 000 Beschäftigte legten nur an diesem Tag die Arbeit nieder und wiesen darauf hin, dass schlechte Arbeitsbedingen in sozialen Berufen im Zusammenhang stehen mit der Frauenfrage. Diese Kämpfe zeigen, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst stehen nicht allein in der Tarifauseinandersetzung und sind weiterhin auf Solidarität angewiesen.

Erfolgreich kämpfen- Schlichtungsvereinbarung abschaffen

Ein Hindernis für den Arbeitskampf im TVöD stellt die Schlichtungsvereinbarung im öffentlichen Dienst da. So hat sich ver.di dazu verpflichtet, sich bei einem Scheitern der Tarifverhandlung auf eine Schlichtung einzulassen. Das heißt, es herrscht erneut eine Friedenspflicht und es kann nicht zu Streiks aufgerufen werden. Das ist ein massiver Einschnitt. Diese Verpflichtung ist bis einen Monat zum Quartalsende kündbar. So können Aktive und ver.di selbst darauf hinwirken, dass diese Vereinbarung im Sinne der Beschäftigten gekündigt wird.

Wenn die ver.di–Führung, ähnlich wie bei der Tarifrunde der Post, einen Rückzieher macht und doch ein niedriges Angebot der Arbeitgeber und lange Laufzeiten in Kauf nimmt, dann kann die Tarifrunde zu einem Misserfolg werden und zu Verzicht führen.


Tarifabschluss Deutsche Post/ DHL – unbefristeter Streik abgewendet

Ver.di startete die Tarifrunde mit der Forderung nach 15 % mehr Lohn sowie eine Erhöhung der Vergütung der Auszubildenden und dual Studierenden um 200 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Die Post/DHL Group gehört zu den Krisengewinnern und steigerte in den letzten Jahren ihren Profit enorm. Es kam zu Warnstreiks und die Postarbeitenden machten deutlich, dass sie den Dauerstress und die schlechten Gehälter nicht weiter hinnehmen. Trotz des hohen Drucks auf der Straße durch die Streikenden, weigerte sich der Arbeitgeber, ernsthaft auf die Forderungen einzugehen. Doch die Beschäftigten blieben standhaft und rückten nicht von ihren Forderungen ab. So stimmten die ver.di Mitglieder bei der Urabstimmung mit 83 % für einen unbefristeten Streik! Die Kolleginnen und Kollegen waren kampfbereit! Doch ohne die Möglichkeit zu haben diesen Erfolg auszutragen, einigte sich die ver.di-Führung auf einen Abschluss. Dieser geht einher mit massiven Reallohnverlusten bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Denn Teil des Abschlusses sind: eine Einmalzahlungen von 1200 Euro und eine monatliche Inflationsausgleichssonderzahlungen von 180 Euro von Mai 2023 bis März 2024, die nicht tabellenwirksam sind. Statt den geforderten 15 % wurde eine tabellenwirksame Festbetragserhöhung von monatlich 340 Euro verhandelt. Diese beginnt allerdings erst ab April 2024. Laut ver.di soll der Festbetrag in den unteren drei Entgeltgruppen eine prozentuale Erhöhungen zwischen 11-16 % betragen. Doch diese Rechnung geht nicht ganz auf. Denn wenn man auf die Laufzeit achtet, bedeutet der Entgeltabschluss einen Entgeltverlust für 16 Monate. Das bedeutet die gesamte Laufzeit beachtend gibt es mit dem Abschluss nur eine Lohnerhöhung von 3,6 – 5,3 % und das ist weit unter der Inflation. Dieser Reallohnverlust wird durch die Einmalzahlungen versucht zu verdecken. Zwar wird die tabellenwirksame Erhöhung von 340 Euro für dual Studierende und Azubis übernommen, allerdings liegt dies aufgerechnet mit rund 87 Euro unter dem Forderungsbeschluss. Dieser Verhandlungsabschluss soll durch die zweite Urabstimmung zwischen dem 15. und 30. März zur Annahme gestellt werden. Dafür reichen allerdings 25% plus eine Stimme, damit der Abschluss als angenommen gilt. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit niedrig ist, dass die Annahme abgelehnt wird, ist eine Abstimmung gegen die Annahme ein Zeichen über die Unzufriedenheit im Umgang mit den Beschäftigten und Mitgliedern im Tarifkonflikt.

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