Written by 12:18 HABERLER

Ist Trump der Schuldige?

Murat BİRDAL

Vor wenigen Wochen hatte ich auf die Gefahr der Lira-Entwertung hingewiesen. Die außenpolitischen Entwicklungen haben diesen Prozess beschleunigt, der unweigerlich kommen musste. Innerhalb kürzester Zeit erlitt die türkische Währung einen hohen Wertverlust gegenüber dem US-Dollar, was den Devisenspekulanten neue Möglichkeiten eröffnete.

Das Problem hat einerseits ökonomische, andererseits politische Aspekte. Zuallererst muss die AKP-Regierung die Realität anerkennen. Seit ihrem Amtsantritt im Jahre 2002 durchlebten wir in allen Bereichen einen Wandel, der mit einer Verstärkung der Abhängigkeit vom Ausland einherging. Sie schuf eine Wirtschaftsstruktur, die durch kurzfristige und kurzlebige Investitionen des Auslandskapitals gekennzeichnet war. Die historisch niedrigen Zinsen in den wichtigen kapitalistischen Ländern hat diesen Wandel begünstigt.

Es lag auf der Hand, dass dieses Wirtschaftsmodell im Falle eines Zinsanstiegs in eine Krise stürzen würde. Auch wenn die Medien in der Türkei diese Tatsache gerne verschweigen, wurde die türkische Wirtschaft international nicht ohne Grund zu den „fragilsten Ökonomien“ gezählt. Die internationalen Kapitalbewegungen wandten der Türkei just zu einem Zeitpunkt den Rücken, als auch die türkische Außenpolitik in eine schwere Krise fiel. Dies war ein weiterer wichtiger Faktor, der die Wirtschafts- und Währungskrise vertiefte. Die Verstimmungen in den Beziehungen zu den USA und anderen westlichen Staaten trugen hierzu bei.

Es muss betont werden, dass die Regierung die aktuelle Krise sehr schlecht managt. Nach jeder öffentlichen Rede von Erdoğan verliert die türkische Lira an Wert, was die Regierung zum Nachdenken veranlassen müsste. Dies ist ein seit langem anhaltender Zustand. Jedes Mal, wenn Erdoğan eine Botschaft an seine Basis sendet, sorgt er auf internationaler Ebene für einen Scherbenhaufen. Nach der Entmachtung des früheren Finanzministers Şimşek ist im Bezug auf die Schadensbegrenzung eine Lücke entstanden, die der jetzige Finanzminister und Schwiegersohn Erdoğans nicht zu füllen vermag.

Die Rede Erdoğans, die die aktuelle Krise auslöste, ist ein konkretes Beispiel hierfür. Danach wurden Gerüchte verbreitet, wonach die Konten in ausländischer Währung in der Türkei aufgelöst und in türkischer Lira ausgezahlt würden. Eigentlich wird dieses Gerücht seit langem immer wieder gestreut, um die Konteninhaber zur Auflösung ihrer Konten zu bewegen. Weil dieses Ziel verfehlt wurde, wurden die Konteninhaber von Regierungsvertretern öffentlich angeprangert. Der Finanzminister Albayrak steuerte nicht entgegen und schließlich war die Rede Erdoğans der Auslöser einer tiefen Krise, die den Boden für gewinnbringende Spekulationen bereitet.

Wohin wird die aktuelle Entwicklung führen? Sollte der derzeitige Wechselkurs anhalten und die Zinsen nicht geändert werden, werden Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Und das wiederum wird schwerwiegende Auswirkungen auf türkische aber auch internationale Banken haben. Erste Anzeichen dafür gab es bereits. Andere Schwellenländer werden von dieser Entwicklung nicht verschont bleiben. Das erklärt die Sorgen der europäischen Banken.

Es ist damit zu rechnen, dass in nächster Zeit ein kontrollierter Rückgang der Eskalation eingeleitet wird. Allerdings hat die heutige Krise nicht ausschließlich politische Gründe, wie von der Regierung immer wieder behauptet wird. Wenn die türkische Wirtschaft bei jeder politischen Diskussion mit dem Ausland in eine Krise solchen Ausmaßes getrieben wird, macht das deutlich, wie stark die Türkei vom Ausland abhängig ist. Keine Propaganda kann die Erkenntnis von der Welt schaffen, dass das heutige Wirtschaftsmodell als Verursacher dieser Krise in den letzten 16 Jahren von AKP-Regierungen aufgebaut wurde. Trump kann man für vieles verantwortlich machen, allerdings nicht dafür, dass die Regierung heute der Krise hilflos ausgeliefert ist.

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