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Kampf gegen das Versammlungsverbot ohne die deutsche Linke?

Dilan Baran

In Hamburg gilt seit dem 8. Oktober eine Allgemeinverfügung zum Verbot von spontanen Versammlungen mit positiven Palästinabezug. Praktisch wurde in der Stadt aber bis zum 11. November, also ganze 5 Wochen nach Ausbruch des Krieges keine Laufdemo erlaubt. Eine kleine Gruppe von jungen Palästinensern und palästinasolidarischen Menschen kämpft gegen diese massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Wir haben mit Naz Al-Windi darüber gesprochen.

Die Allgemeinverfügung besagt, dass es keine Spontandemonstration geben darf, aber praktisch hat es fast drei Wochen gar keine zugelassene Versammlung gegeben. Deine angemeldete Kundgebung für die Versammlungsfreiheit am Jungfernstieg war eine der ersten zugelassenen Versammlungen mit Bezug zu Palästina. Wie ist es zu dieser Erlaubnis gekommen?

Am 25.10. fanden in Hamburg gleichzeitig zwei genehmigte Versammlungen statt. Nach über zwei Wochen Bombardements auf Gaza durch das israelische Militär war es zum einen auf dem Steindamm erlaubt zu demonstrieren und zum anderen am Jungfernstieg erlaubt, gegen die Allgemeinverfügung zu protestieren. Alle anderen zuvor angemeldeten Versammlungen wurden anhand von an den Haaren herbeigezogenen Begründungen verboten. Menschen, die sich mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisieren wollten, wurden pauschalisierend und rassistisch als Befürworter von Gewalt und Extremismus verurteilt und im Vorfeld schon als emotionalisierte, unkontrollierbare Masse konstruiert. Die Versammlung am 25.10. konnte zu Stande kommen, weil im Vorfeld intensive Kooperationsgespräche mit der Hamburger Verwaltungsbehörde stattgefunden haben. Eine Demonstration mit dem Tenor „Gegen Grundrechtseinschränkungen. Für das Versammlungsrecht.“ zu verbieten entbehrt sich jeder demokratischen Grundlage, weshalb wir uns schließlich friedlich versammeln durften.

 Die Kundgebung eine Woche später wurde wieder verboten, obwohl zu keinen Zwischenfällen oder Abbruch kam. Wieso wurde sie verboten?

Die kurze Antwort ist: Willkür. Die längere Antwort ist: Ein NDR-Bericht, der über unsere friedliche zweistündige Versammlung am 25.10. berichtete, brachte die Polizei Hamburg und somit auch die Verwaltungsbehörde in Bedrängnis. Der NDR-Beitrag begleitete unsere friedliche Versammlung und widerlegte die Narrative der Allgemeinverfügung, dass palästina-solidarische Versammlungen nicht friedlich ablaufen könnten. Ich hatte also ein 47-seitiges Verbotsschreiben erhalten, in denen die unterschiedlichsten Gründe für ein Verbot zusammengefasst worden waren. Der Großteil des Verbotsschreibens gleicht dem Inhalt der Allgemeinverfügung in der beschrieben wird, dass sogenannte pro-palästinensische Demonstrationen angeblich gewaltverherrlichend seien und es zu Straftaten kommen würde.

 Wurde irgendwann einmal Widerspruch eingelegt?

Das Verbot der Versammlung zeichnete sich zwar schon ab, jedoch erhielt ich die Verbotsverfügung erst am Morgen des Tages der Versammlung. Ich hatte daher trotz Rücksprache mit einer befreundeten Anwältin keine Zeit mehr einen Widerspruch einzulegen.

Am 11. November kam es dann zu der ersten Lauf-Demo, an der gleich mehrere hundert Menschen teilnahmen. Wer waren die Teilnehmer und wie verlief die Demonstration?

Es konnten knapp tausend Menschen mobilisiert werden, die friedlich und laut auf die anti-demokratische und rassistische Allgemeinverfügung aufmerksam machten. Auch konnte das Leid und die Verletzung von Palästinensern in Gaza und der Westbank thematisiert und die Forderung nach Freiheit für Palästina gestellt werden. Mittlerweile sind mehrere Versammlungen und Demonstrationen organisiert worden, die die aktuelle Situation in Gaza und der Westbank behandeln. Es ist spannend festzustellen, wie die Teilnehmer sich von Woche zu Woche vermehren und auch diverser werden. Bei der ersten Versammlung hatten wir ein überwiegend junges, migrantisches und weibliches Publikum, mittlerweile können wir uns auf die Unterstützung von organisierten Menschen unterschiedlichster Gruppen, sowie Menschen aus der Friedensbewegung und älteren Hamburgern verlassen. Wen wir immer noch schmerzlich vermissen, ist der Großteil der weißen Hamburgerinnen und Hamburger, die zwar immer beteuern, große Menschenfreunde zu sein, die Krieg und Vertreibung ablehnen, es aber nicht schaffen, sich für zwei Stunden Schulter an Schulter mit uns gegen die willentlich in Kauf genommene Tötung von Zivilisten zusammenzustellen.

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