In Deutschland arbeiteten im Jahr 2021 4,6 Prozent aller Erwerbstätigen in prekären Arbeitsverhältnissen. Prekär bedeutet niedriger Lohn, unsichere Zukunft und keine soziale Absicherung. Meist drückt sich das in der Beschäftigungsform aus, also viele arbeiten in Leih- und Zeitarbeit oder in befristeten Arbeitsverhältnissen.
Umut Dogan
Der DGB Index für gute Arbeit hat sich die Situation von Menschen Migrationshintergrund angeschaut und kommt zu folgenden Ergebnissen:
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Jeder dritte Erwerbstätige in Deutschland mit Migrationshintergrund arbeitet in Helfer- und Anlerntätigkeiten. Besonders betroffen, mit 45 Prozent, sind hier Beschäftigte, die nicht aus dem europäischen Wirtschaftsraum kommen. Bei Erwerbstätigen ohne Migrationshintergrund sind es 18 Prozent.
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23 Prozent aller Beschäftigten mit Migrationshintergrund machen sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Das ist 10 Prozent höher, als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass sie vor allem von befristeten Verträgen betroffen sind und keine Planbarkeit und Sicherheit haben.
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17 Prozent der Beschäftigten mit Migrationshintergrund sind gefangen in befristeten Verträgen. Das ist knapp dreimal so hoch wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund.
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Leiharbeit ist bei Menschen mit Migrationshintergrund knapp dreimal so viel verbreitet wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund.
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Der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in Schichtarbeit ist fast zehn Prozentpunkte höher, als bei Menschen ohne Migrationshintergrund.
Insgesamt lässt sich an der Studie erkennen, dass prekäre Beschäftigung unter migrantischen Erwerbstätigen weitaus weiter verbreitet ist, als unter deutschen Kollegen. Das hat konkrete Auswirkungen und Zusammenhänge auf alle Beschäftigten in Deutschland.
Doch was bedeutet das für die Beschäftigten in Deutschland?
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns die die allgemeine, politische Situation in Deutschland anschauen:
Wir sehen zum einen einen erstarkenden Rassismus, der sich inzwischen sehr zielgerichtet gegen Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund richtet. Dafür ist nicht nur die AfD verantwortlich, sondern auch die aktuelle Bundesregierung, die die Gunst der Stunde genutzt hat und mit der Rechtfertigung des islamistischen Terrors einen Generalverdacht aufbaut und Geflüchtete inzwischen sogar nach Afghanistan abschiebt.
„Wir können uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt“
Das ist eine Aussage von Olaf Scholz aus den letzten Tagen. Die deutsche Migrationspolitik höhlt auf der einen Seite das Asylrecht komplett aus und auf der anderen Seite möchte die deutsche Bundesregierung Fachkräfte aus dem Ausland abwerben. Olaf Scholz möchte selber wählen können, welche Migration nützlich ist für den deutschen Arbeitsmarkt oder eben nicht. Damit ist man vollkommen in der Verwertungslogik angekommen.
Zuletzt war der Bundeskanzler in Kenia und hat dort ein Migrationsabkommen geschlossen. Aus Kenia möchte Deutschland 250 tausend Fachkräfte gewinnen. Ein ähnliches Abkommen wurde in den letzten Tagen mit Usbekistan abgeschlossen.
Menschen mit Migrationshintergrund werden systematisch in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt
Doch, dass auf der einen Seite Rassismus erstarkt und auf der anderen Seite Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden, ist kein Zufall, sondern gezielte Politik im Sinne der deutschen Banken und Konzerne.
Denn Fachkräfteeinwanderung geschieht aktuell eben ganz gezielt nicht unter den selben Arbeitsbedingungen, wie sie deutsche Beschäftigte hier haben, sondern für weniger Lohn, höhere Arbeitszeiten und schlechteren Bedingungen. Dafür sind nicht die Beschäftigten verantwortlich, die aus dem Ausland in der Hoffnung auf ein gutes Leben nach Deutschland kommen und jede Bedingung akzeptieren, weil sie keine andere Wahl haben, um hier zu bleiben. Sondern es werden ganz systematisch in den Betrieben Spaltungslinien geschaffen zwischen den Beschäftigten mit und ohne Migrationshintergrund. Hier spielen nicht nur gesellschaftliche Vorurteile eine Rolle aufgrund von Religion und Herkunft, sondern auch die unterschiedliche Arbeit.
Dafür braucht es nicht mal selber eine Einwanderungs- oder Fluchtgeschichte. Die Studie des DGB Index für gute Arbeit zeigt auch, dass diese Verhältnisse auch in der zweiten oder dritten Generation noch weiterhin vorhanden sind. Ein Beispiel hier sind die inzwischen weit verbreiteten zweijährigen Berufsausbildungen. Diese bereiten junge Menschen nicht auf einen Beruf vor, sondern sind sehr betriebsspezifisch und sorgen dafür, dass man in prekären Bedingungen, mit wenig Qualifikation gefangen bleibt. Besonders häufig davon betroffen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Mit der rassistischen Grundstimmung in der Gesellschaft wird die Spaltung in den Betrieben weiter vorangetrieben und aufgebaut. Jeder Zusammenschluss für gemeinsame Interessen der Beschäftigten soll kaputt gemacht werden. Denn im ersten Moment sparen sich die Unternehmen die gedrückten Lohnkosten bei migrantischen Beschäftigten.
Der Kampf für das gute Leben fordert den Zusammenhalt aller Beschäftigten
Das Problem ist aber nicht nur das Problem migrantischer Beschäftigter, sondern der gesamten Arbeiterklasse in Deutschland. Denn was als Lohndrückerei bei Menschen mit Migrationshintergrund anfängt, endet mit niedrigen Löhnen für die gesamte Belegschaft. Das bedeutet, sich den Spaltungslinien entlang von Herkunft und Religion entgegenzustellen und als Antwort darauf die gemeinsamen Interessen aller Beschäftigten hervorzuheben. Nur so können beispielsweise prekäre Beschäftigungsformen, die häufig Menschen mit Migrationshintergrund treffen, zurückgedrängt werden.

