Written by 15:00 HABERLER

Krankenhausbewegung an NRW-Unikliniken gestartet

Die Beschäftigten der sechs Unikliniken in NRW (Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster) fordern die NRW-Landesregierung und den Arbeitgeberverband auf, sofort Maßnahmen gegen den Personalnotstand einzuleiten. Dafür haben rund 700 Beschäftigte aus den sechs Kliniken in einer gemeinsamen Konferenz ein Ultimatum beschlossen, das eine Frist von 100 Tage vorsieht und am 1. Mai 2022 endet. Bis dahin erwarten sie den Abschluss eines Tarifvertrags zur Entlastung, der Mindestpersonalausstattungen für alle Bereiche der Unikliniken festlegt und angemessene Belastungsausgleiche vorsehen soll. Die Unikliniken sind das Rückgrat der Versorgung in NRW. Landesregierung und Arbeitgeberseite haben jetzt die Möglichkeit, ein Vorbild für alle Kliniken zu schaffen. Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen geht es auch um die Qualität der Ausbildung. Die Beschäftigten sind entschlossen, ihre Forderungen mit allen betrieblichen, gewerkschaftlichen und politischen Aktionsformen durchzusetzen – für einen Tarifvertrag Entlastung und bessere Arbeitsbedingungen. 

ver.di Landesleiterin Gabriele Schmidt: „Wir erwarten von der Landespolitik, dass sie die konkrete Finanzierung sicherstellt und den Arbeitgeberverband des Landes (AdL) zu Tarifverhandlungen mit ver.di auffordert. Das wäre aus unserer Sicht ein klares Bekenntnis zu guten Arbeitsbedingungen, von denen am Ende alle profitieren. Wir werden die Arbeitgeberseite auffordern, sofort Verhandlungen mit uns aufzunehmen und ernsthaft an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten zu arbeiten. Nur so kann dem Personalmangel entgegengewirkt und der Dominoeffekt unterbrochen werden!“ „Das Ultimatum ist ein erneuter deutlicher Notruf der Beschäftigten!“, erklärt Katharina Wesenick, Gesundheitsexpertin und Leiterin des zuständigen Bereichs in ver.di NRW. „Unser Ziel ist es vor dem Ablauf des Ultimatums ohne Eskalation zu einer Lösung zu kommen, die sowohl Beschäftigten als auch Bürgerinnen und Bürgern ein sicheres Gesundheitssystem ermöglicht. Dafür geben wir ausreichend Zeit. Wenn diese Zeit von den Arbeitgebern und Politik nicht genutzt wird, werden wir Druck für dieses Ziel machen. Dabei haben wir nicht nur die Pflege im Blick, denn ein Krankenhaus funktioniert nur mit allen Berufsgruppen.“ 


„Die Mehrheit der Beschäftigten steht hinter unseren Forderungen“

Wir sprachen mit Jan von Hagen, Gewerkschaftssekretär und bei ver.di NRW und für die Krankenhäuser zuständig.

Am 19. Januar 2022 haben 700 Beschäftigte der Unikliniken in NRW ein Ultimatum an die Landespolitik und die Arbeitgeber beschlossen? Was ist das Ziel des Ultimatums?

Foto: Privat

Die Erwartung der Beschäftigten ist eindeutig. Sie wollen einen ver.di-Tarifvertrag Entlastung für die 6 NRW-Unikliniken für alle Beschäftigten, nicht nur für die Pflege. Dieser Tarifvertrag soll regeln, wie viel Personal in jedem Arbeitsbereich vor Ort sein muss und dass es einen Belastungsausgleich gibt, wenn weniger Personal da ist. Dieser Belastungsausgleich muss so hoch sein, dass die Arbeitgeber dazu gezwungen sind, genug Personal vorzuhalten. Und es braucht Regelungen für eine bessere Ausbildung, damit die jungen Menschen dem Krankenhaus nicht direkt nach der Ausbildung den Rücken zukehren.

Ultimatum klingt ja ziemlich selbstbewusst. Ihr habt es aber auch einen Notruf genannt. Wie ist die Stimmung in den Kliniken?

Die Stimmung ist belastet durch das tägliche Erleben der Situation im Krankenhaus. Die Belastung für die Beschäftigten ist viel zu hoch und die Versorgung der Patientinnen und Patienten ist kaum noch sicherzustellen. Die Qualität der Arbeit leidet, und damit auch die Menschen, die im Krankenhaus versorgt werden müssen. Der Frust der Kolleginnen und Kollegen wandelt sich aber gerade in Selbstbewusstsein und Aufbruchsstimmung. Sie sind nicht mehr bereit, sich mit Klatschen und Versprechen der politisch Verantwortlichen abspeisen zu lassen. Sie haben gemeinsam entschieden, für bessere Arbeits- und Versorgungsbedingungen zu kämpfen

Solche Kämpfe gab es ja auch schon in Jena oder zuletzt in Berlin an den dortigen Kliniken. Sind diese Auseinandersetzungen Vorbild?

Sie machen den Beschäftigten Mut und zeigen, dass man diese Gesundheitssystem verändern kann, wenn man sich zusammenschließt und kämpft. Überall, wo ver.di diese Kämpfe geführt hat, haben sich hunderte, in Berlin sogar über zweitausend Beschäftigte neu in der Gewerkschaft organisiert. Zusammen mit der jeweiligen Stadtgesellschaft und vielen Bündnispartnern ist es gelungen, genug Druck aufzubauen, damit Landesregierungen mehr Geld in die Hand nehmen und damit bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal ermöglicht wird. Vor der Beschlussfassung über das Ultimatum in NRW waren Kolleginnen und Kollegen aus Berlin dabei und haben von ihren Erfahrungen und Erfolgen berichtet, das unterstützt sehr.

Wie geht es jetzt mit dem Ultimatum konkret weiter?

Die 100 Tage des Ultimatums laufen am 1. Mai 2022 aus. Bis dahin erwarten die Beschäftigten den Abschluss eines Tarifvertrags. Als nächsten Schritt werden sie im Rahmen einer Petition bis Mitte März den politisch Verantwortlichen zeigen, dass sie keine Minderheit in den Kliniken sind, sondern dass die Mehrheit der Beschäftigten hinter den Forderungen steht. Und dass diese Mehrheit bereit ist, für die Forderungen alle gewerkschaftlichen Mittel zu nutzen, wenn das Ultimatum verstreichen sollte.

Wie können wir den Kampf der Beschäftigten unterstützen? Gibt es jetzt schon Solidarität?

Die Solidarität mit den Forderungen ist groß, uns erreichen schon jetzt jeden Tag Anfragen, wie man unterstützen kann. In den nächsten Wochen werden sich in allen Städten mit Unikliniken in NRW Bündnisse bilden, die unterstützen möchten. Hier wollen wir zeigen, dass es eben nicht nur Kämpfe der Beschäftigten sind, sondern dass es alle Menschen betrifft, ob es eine gute Gesundheitsversorgung gibt…oder eben nicht. Und auch NRW-weit freuen wir uns auf viel Unterstützung. Im Vorfeld der Landtagswahlen wird es eine Großdemonstration in Düsseldorf geben, an der wir auch die Forderungen der Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE!“ mit auf die Straße bringen werden. Wer konkret unterstützen will wendet sich am besten an die ver.di-Geschäftsstelle in der jeweiligen Stadt, dort kann man am besten besprechen, wie konkrete Solidarität aussieht.

Kampagnenhomepage: www.notruf-entlastungnrw.nrw

Facebook https://www.facebook.com/notrufnrw


Mehr Geld und Anerkennung

Das Gesundheitswesen in NRW ist chronisch unterfinanziert. Den Preis dafür zahlen die Patienten und die Beschäftigten. Einspringen aus der Freizeit, keine Pausen, Überstunden, mit schlechtem Gefühl nach Hause gehen, weil man seinen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte: Viele Beschäftigte sind chronisch überlastet, schieben Überstunden vor sich her, werden krank, haben innerlich gekündigt oder dem Arbeitsplatz Krankenhaus bereits den Rücken gekehrt. Die Politik hat bis jetzt keine Lösung erarbeitet, um die Pflegekräfte im Beruf zu halten oder mit besseren Arbeitsbedingungen in den Beruf zurückzuholen. Das geht zu Lasten aller Bürgerinnen und Bürger, die viel schlechter versorgt werden, als es notwendig wäre, um schnell und nachhaltig zu genesen. 


Was fordert die Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE!“

– patientenorientiert, barrierefrei und selbsthilfefreundlich

Wir fordern, dass die Gesundheitsversorgung an den Bedarfen der Patient*innen und an guter Qualität orientiert werden muss. Gesundheitsversorgung ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge!

– wohnortnah und bedarfsorientiert geplant für alle in NRW

Wir fordern eine intensive Analyse und ausreichend Zeit, um den neuen Krankenhausplan NRW zu erstellen – unter breiter Beteiligung aller Betroffenen. Vorher darf es keine Umsetzungsschritte oder Vorfestlegungen geben, wie sie z.B. “Gutachten zur Krankenhauslandschaft NRW” aus dem Hause Laumann nahelegt. Wir fordern den Erhalt aller Kliniken, solange eine solche Analyse nicht vorliegt.

– vollfinanziert durch das Land NRW

Wir fordern ab sofort die vollständige Refinanzierung der Investitionskosten durch das Land NRW und ein Sonderprogramm zur Behebung des Investitionsstaus von aktuell über 12,5 Mrd. € bis 2024. Krankenhausgebäude und deren Ausstattung zu erhalten und zu modernisieren, ist gesetzlich geregelte Aufgabe des Landes NRW!

– mit guten Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten

Wir fordern mehr Personal in den Krankenhäusern und eine gesetzliche Personalbemessung, die eine gute Versorgung für alle sicherstellt! Ausdrücklich beziehen wir uns dabei auf alle Berufsgruppen, auch über die Pflege hinaus.

– ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen – ohne Profite!

Wir fordern die Landesregierung als ersten Schritt dazu auf, sich über eine Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Fallpauschalen (DRG) abzuschaffen und Profite wieder zu verbieten.

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