Written by 08:00 HABERLER

Natürlich sind wir sauer

Dana Janßen*

Die Patientenversorgung in deutschen Krankenhäusern ist miserabel, in ausnahmslos allen Fachbereichen herrscht extreme Unterbesetzung und darüber hinaus ist die Bezahlung der Mitarbeitenden, insbesondere die des Pflegepersonals, katastrophal gering.

Selbstverständlich ist eine weltweite Pandemie eine absolute Ausnahme- und Notfallsituation. Doch dass „nur“ die Corona-Pandemie der Auslöser für die absolute Überlastung des Krankenhauspersonals sein soll, ist falsch. Sie brachte die Missstände nur auf eine sehr ungemütliche Weise erneut ans Licht.

Man könnte meinen, dass sich spätestens seit Corona grundlegend etwas an der Pflege- und Krankenhaussituation hätte ändern müssen. Wir erinnern uns an Danksagungen, Blumensträuße, Prämien und natürlich den abendlichen Applaus an die „Helden der Pandemie“. Und dann war da noch die ein oder andere groß angelegte Rede von Jens Spahn: „Wir haben den Pflegeberuf attraktiver gemacht“, sagte er beispielsweise in der Pressekonferenz zur Pflegereform am 2. Juni 2021. Und wodurch? Das sagt er nicht. Und ehrlicherweise wissen wir es auch nicht. Aus den Statistiken geht bereits jetzt deutlich hervor, dass seit Beginn der Pandemie eine massive Berufsflucht in der Pflege stattgefunden hat und weiter stattfindet. Trotz der angeblich massiv gesteigerten Attraktivität. Aber es kam nichts. Keine Tariferhöhungen, keine Anpassung der Pflegeuntergrenzen, keine strukturelle Entlastung des Krankenhauspersonals.

So frustrierend das alles auch ist, so fantastisch ist es, was Kolleginnen und Kollegen in der Krankenhausbewegung, insbesondere in Berlin, auf die Beine stellen. Die Krankenhausbewegung findet an verschiedenen Standorten in Deutschland statt, ist aktuell eher lokal als zentral organisiert und passt sich den Gegebenheiten der jeweiligen Städte an. Was sie zusammenhält ist die sogenannte Entlastungsbewegung. Wie der Name schon sagt, ist der zentrale Punkt die Entlastung des Pflegepersonals, und zwar mit sehr konkreten Forderungen.

Die Berliner Krankenhausbewegung hat uns allen vorgemacht, wie es gehen kann. Mit einer Gewerkschaft im Rücken, struktureller Organisation und vor allem viel Wut. Den Startschuss gab eine großangelegte Petition zur geforderten Entlastung in den Vivantes-Häusern und der Charité am Anfang des Jahres. Die Beschäftigten schlossen sich mehr und mehr zusammen, es gab unzählige Online-Veranstaltungen. Im Mai gab es dann erstmals größere mediale Aufmerksamkeit: Tausende Beschäftigte der beiden Konzerne übergaben am roten Rathaus in Berlin die Forderungen an die Bürgerschaft. Daran angeknüpft: ein 100-Tage Ultimatum für konkrete Tarifverhandlungen mit den Betreibern. Bei Nichteinhaltung sollte es einen Streik geben. Ohne Kompromisse. Dazu musste es aber bisher nicht kommen. Bisher!

* Pflegerin in einem Hamburger Krankenhaus

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