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Marburg: Besuch von Olaf Scholz mit Protest begleitet

Eren Gültekin

Studierende, Schülerinnen und Schüler, Azubis und junge Arbeiterinnen und Arbeiter des Universitätsklinikums Gießen-Marburg (UKGM) waren am gestrigen Tag bereit für den Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in Marburg. Zu einer Demonstration hatte nämlich der AStA Marburg unter dem Titel: „Flip the Switch – 100 Mrd für die Jugend“ aufgerufen. Diese wurde am 19. Januar auf der Studentischen Vollversammlung der Philipps-Universität vorgeschlagen, nachdem sich rund 150 Studierende über ihre soziale Lage ausgetauscht und eine Resolution fast einstimmig verabschiedet hatten.

Foto: Eren Gültekin

Lautstarke und bunte Demo gegen die aktuelle Politik

Trotz nieselndem Wetter sind dem Aufruf des AStA Marburg, aber auch der Gruppen, die maßgeblich an der Vorbereitung beteiligt waren, wie der SDS, die DIDF-Jugend und der Internationale Jugendverein, mehr als 700 Menschen, größtenteils Jugendliche, gefolgt. Auch aus anderen hessischen Städten, wie Frankfurt, Hanau, Darmstadt und Kassel; besuchten junge Menschen die Demo, um die Möglichkeit zu ergreifen, ihren Frust über die Ampel-Regierung rauszulassen. Hier ist der Unmut der Jugend deutlich spürbar gewesen. Dies war auch an den lautstarken Rufen auf der Demonstration erkennbar. Zu hören war regelmäßig „100 Milliarden für Bildung und Gesundheit“, „Wir wollen Ausbildungsplätze statt Kriegseinsätze“ und umso mehr sich der Demonstrationszug der SPD-Parteizentrale in der Kernstadt näherte, auch einheitlich „Wer hat uns verraten: Die Sozialdemokraten, Und wer war mit dabei: Die Grüne Partei“. Ebenso sah man viele bunte Schilder mit Aufschriften, wie „Wir sind jung und brauchen das Geld“ und „Bildung weg, Tasche leer, SPD: Danke sehr!“.

Seit der Studentischen Vollversammlung bis zum Tag der Demonstration war das Thema „Besuch des Kanzlers“ immer präsent. Sei es beim Flyern, Plakatieren, bei den Gesprächen in den Vorlesungen und Seminaren oder bei Zusammenkünften im Freundeskreis, den Aktionen, überall war die Zustimmung dafür, dass wir das Geld in die Bildung und Gesundheit statt in Aufrüstung und Kriege investieren müssen, sehr groß. Angesichts der desolaten Situation in der Bildung, im Gesundheitswesen, Wohnungspolitik aber auch in anderen Bereichen des täglichen Lebens, ist es unsere Pflicht die Politik der Regierung zu entlarven. Zumal die Stimmen derer, die der Meinung sind „100 Milliarden werden für die Bundeswehr/Aufrüstung nicht ausreichen, es müssen mindestens 300 Milliarden sein“ werden immer lauter.

Der Bürgerdialog fand auf der Straße statt

Scholz, der für einen Bürgerdialog nach Marburg kam, um sich den Fragen von 150 Bürgerinnen und Bürgern zu stellen, die per Losverfahren gewählt wurden, diente eher einem PR-Zweck. Einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten, dass kritischen Fragen eher rhetorisch mit auswendig Gelerntem beantwortet wurden, womit die Ehrlichkeit nicht spürbar war. Deshalb war es den Organisatorinnen und Organisatoren der Demonstration wichtig, die aktuelle Stimmung in diesem Land auf die Straßen zu tragen, um zu zeigen, dass die Menschen mitreden möchten. Bereits vor Marburg fanden im Jahr 2022 mehrere Bürgerdialoge in der Bundesrepublik statt, unter anderem in Essen, jedoch verliefen diese ohne Protest auf der Straße beim Besuch von Scholz. Hier kann man klar erkennen, dass die Unzufriedenheit sich immer mehr aufgestaut hat und die große Mehrheit, die Rhetorik der Regierung, dass wir den Gürtel enger schnallen sollen oder die ständigen Spartipps nicht mehr hören wollen, die steigenden Preise nicht dulden können. Allen voran die Jugend ist sich dem Widerspruch in den letzten Monaten noch bewusster geworden. Seit Jahren schon, auch lange vor der Pandemie, hieß es, es gäbe kein Geld, sei es für die Bildung, für mehr Studi- und Azubiwohnheime oder grundsätzlich für mehr soziale Sicherheit für die jungen Menschen. Doch seitdem die Regierung von einem Tag auf den anderen um 100 Milliardend für die Rüstungskonzerne versprechen konnte, fühlen sich viele übers Ohr gehauen. So auch zuletzt durch die Rodung von Lützerath. Dies hat vielen nochmal verdeutlicht, dass der Fortschritt, den die Ampel-Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit gegeben hat, alles andere war als ein Fortschritt. Im Gegenteil wurde alles in die Gänge gesetzt, um die Interessen der Wenigen, und zwar der Konzerne, wie RWE umzusetzen. Deshalb kann man davon ausgehen, dass sich der Protest in den nächsten Bürgerdialogen des Bundeskanzlers fortsetzen wird, so dass der Druck auch immer mehr steigen kann, auch bezüglich der aktuellen Kriegspolitik der Bundesregierung.

Der Kampf geht weiter in Marburg…

Für Marburg kann man sagen, dass es keine einmalige Aktion mit dem Besuch von Scholz war, denn unter dem Motto „Flip the Switch – 100 Mrd für die Jugend“ wird weiter daran gearbeitet werden, an den Inhalten und Forderungen der Resolution festzuhalten. Bereits bei der Planung der Demonstration war uns bewusst, dass diese nur ein Startschuss für eine fortsetzende Arbeit sein wird, in der wir gemeinsam anpacken müssen, wenn wir an den Bedingungen vor Ort etwas verändern wollen. Forderungen sind z.B. die Aussetzung der Semesterbeiträge bis hin zu der Ausfinanzierung der Fachbereiche und des Studierendenwerks. Aber sich auch mehr an den Kämpfen zu beteiligen, damit z.B. das UKGM endlich zurück in die öffentliche Hand kommt. So ging es bei den Reden darum, die anstehenden Termine wahrzunehmen. Das sind z.B. der 3. Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau am 19. Februar, der Globale Klimastreik am 3. März, sowie der Internationale Frauenkampftag am 8. März. Nur wenn die Kämpfe zusammengedacht und –gebracht werden, können Forderungen um soziale Gerechtigkeit erkämpft werden.

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