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Ohne uns kein (Geschäft) – Streik!

Baran Fırat Kiraz

Die ökonomischen Bedingungen, in denen die Tarifrunden im Einzel- und Groß- und Außenhandel geführt werden, haben durchaus Einfluss auf den Forderungsfindungsprozess und die weitergehenden Verhandlungen: denn losgelöst von Pandemie, Krieg und Inflation können diese Forderungen nicht betrachtet werden.

Die Beschäftigten haben sich in dieser Zeit ins Zeug gelegt und Politik und Wirtschaft haben ihnen Versprechen gegeben, die sie spätestens zu Beginn der Tarifrunde wieder vergessen haben. Kurz vor Beginn der Pandemie war der letzte Tarifabschluss im Bereich Handel abgeschlossen worden. Für die damaligen Verhältnisse ein Abschluss, mit dem zumindest die Beschäftigten leben konnten. Durch die hohe Inflation der letzten 2 Jahre allerdings wird der Lohn schon gefressen, bevor er auf dem Konto landet. Relevant sind vor allem Preissteigerungen für Energieversorgung, Lebensmittel und Kraftstoff. Allein im Lebensmittelbereich sind wir bei 23% Verteuerung im Durchschnitt.

Seit elf Monaten läuft die Tarifrunde nun. Ein Tarifvertrag ist immer nur ein Kompromiss. Aber nicht zuletzt haben wir im Handel noch jede Menge Nachholbedarf, was zum einen das Entgelt anbelangt und zum anderen den Zeitausgleich durch immer zunehmende Belastung durch Mehrarbeit. Personalnot und Personalknappheit sind dabei wesentliche Begrifflichkeiten, mit denen Arbeitgeber hantieren, wenn es darum geht, die immer wachsenden Anforderungen der Unternehmen an ihren Beschäftigten zu regulieren.

„Wir brauchen mehr Beschäftigte auf der Fläche – Wir finden aber keine“

Tatsächlich ist der Markt an Facharbeitern im Handel leergefegt. Das hat vielerlei Gründe. Viele Unternehmen bilden nicht aus oder die Qualität der Ausbildung lässt zu wünschen übrig. Oft werden aber auch offene Ausbildungsplätze nicht besetzt, da es an Bewerbern fehlt – denn die Ausbildungsbedingungen und die Perspektiven als Fachkraft im Handel sind für viele junge Menschen nicht mehr attraktiv genug. 6-Tage-Wochen oder nur jeden dritten Samstag mal frei zu haben, Mehrarbeit aufgrund von Personalmangel, prekäre Arbeitsverhältnisse und kaum Aussicht auf Vollzeitbeschäftigung sind keine Rahmenbedingungen, unter denen sich die Beschäftigten gute Arbeit vorstellen. Der Großteil der Beschäftigten ist in Teilzeit- und/oder auf Minijobbasis angestellt.

Die Arbeitgeber wünschen sich flexible, belastbare, schweigende und am besten nichts kostende Beschäftigte. Der Handel hat seit Pandemiebeginn enorme Umsätze einfahren können. Für die Tarifrunde war es wichtig, dass ein Tarifabschluss ohne Reallohnverlust für die Beschäftigten erwirkt wird, um armutssichernde Gehälter durchzusetzen. Auch wenn die Kolleginnen und Kollegen im Handel stellenweise Stärke gewinnen konnten, bundesweit die Beteiligung von Betrieben und Beschäftigten an der Streikbewegung höher ist als zuvor, Zentrallager der Handelskonzerne massiv bestreikt werden, so braucht es auch weitere Schritte, gewerkschaftliche Strukturen in den Betrieben zu verankern, um ein stärkeres Selbstverständnis zu erwirken. Diese Tarifrunde als solche hat die Streikkultur belebt und wichtige Impulse geben können. Auch in kleinen Teilen erfolgreiche Streiks haben den Streikenden Hoffnung und Mut für die anstehenden Herausforderungen gemacht.

„Wir streiken so lange wie es sein muss – denn ohne Streik wird sich nichts verändern!“

Die Arbeitgeber haben zum 1. April Vorweganhebungen in Höhe von 10% im Einzelhandel und 8% im Großhandel angekündigt, um weitere Streiks zu verhindern. Ver.di möchte Verhandlungen auf Augenhöhe und kein Tarifdiktat der Arbeitgeber akzeptieren. Es sind verstärkt massive Streiks im Handel zu erwarten. Derzeit finden keine Verhandlungen statt. Für den 22. März wurde bislang der einzige Termin im GH in Bayern vereinbart.

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