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Pressefreiheit: Sehen und hören, aber nicht sprechen!

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Seit über drei Wochen dauern die Proteste um den Istanbuler Stadtteil Taksim nun an. Solidaritätsbekundungen aus ganz Europa folgten sehr schnell. Was jedoch lange vermisst wurde, sind Berichte über die Geschehnisse seitens der türkischen Medien.

Eine sehr zweifelhafte Studie des Zentrums für Medienbeobachtung der Türkei (im Original: Medya Takip Merkezi) ergab noch viel zweifelhaftere Ergebnisse. Das MTM prüfte 30 türkische TV-Sender auf ihre Sendezeit des Widerstandkampfes der Bevölkerung in einem Zeitraum von fünf Tagen (31. Mai bis 4. Juni). Aus der Studie wurde zwar ersichtlich, dass die „großen“ türkischen Fernsehkanäle, kaum über die Geschehnisse berichtet haben, jedoch stimmt das Ausmaß nicht ganz. So hat z.B. NTV (Türkei) angeblich über die fünf Tage hinweg etwa 108000 Sekunden Material über die Proteste ausgestrahlt. Umgerechnet sind das 30 Stunden. 30 Stunden, verteilt auf fünf Tage, auf einem Nachrichtenkanal, über Proteste im eigenen Land. Wenn das mal kein Rekord ist. Nur sieht die Wirklichkeit tatsächlich noch schlimmer aus. Fakt ist nämlich, dass die großen Medien, bis zur nächsten, großen Polizeieskalation vom 11. Juni, überhaupt nicht von den Geschehnissen berichtet haben. Ignorieren war das Gebot der Fernsehsender. Wenn die Medien dann doch einmal von den Demonstrationen berichtet haben, wurden abfällige Bemerkungen seitens der Sender selbst gemacht oder man gab Ministerpräsident Erdogan ein Sprachrohr für ihre Verleumdungen. Die Demonstranten kamen gar nicht zu Wort. Menschen, die nur TV-Sender wie NTV, Habertürk, CNN Türk etc. verfolgen, haben durch die Nachrichten und ihren Magnaten Erdogan folgendes Bild von den Protesten: Eigentlich sind die Demonstranten nur drei bis fünf Plünderer (türk.: Capulcu), die von ausländischen Geheimdiensten angeheuert wurden, also sind es doch Terroristen! Genauso, wie Erdogan die Proteste mit Diffamierungen zu überstehen versucht, um bloß keine Eingeständnisse zu machen, tun es ihm seine Nachrichtensender gleich. Den Höhepunkt erreichte diese ganze Farce am 11. Juni selbst, als die Sender, das erste Mal, die Demonstranten bei Straßenschlachten mit  der Polizei filmten. Jedoch passen diese Menschen, die in den Nachrichten Molotowcocktails und Steine auf die Polizei und umliegende Fahrzeuge werfen, gar nicht zum Verhalten der Demonstranten bisher. Bis dato waren die Protestierenden immer friedlich. Nun erhärtet sich der Verdacht, dass die in den Nachrichten gezeigten „Demonstranten“, gar keine sind, sondern verkleidete Polizisten, die  absichtlich eine Art „Schmierenkomödie“ aufführen, um die Tatsachen zu verdrehen und für die Öffentlichkeit ein falsches Bild zu zeichnen. Auf den Fotos und Videos kann man sogar Pistolen und Funkgeräte erkennen, die die „Provokateure“ dabei hatten.

Während die großen türkischen TV-Sender lieber Theater spielen, gibt es nur wenige echte Fernsehkanäle, die die Wahrheit und über den Freiheitskampf in der Türkei berichten. Und diese sollten mundtot gemacht werden. Dem türkischen Sender Hayat TV (deutsch: „Leben“) wurde über die RTÜK (türkisch Radyo ve Televizyon Üst Kurul, deutsch sinngemäßOberster Rat für Hörfunk und Fernsehen“)mitgeteilt, dass sie illegal senden würde und jeden Augenblick geschlossen werden könne. Der Sender sollte zunächst nach einem Beschluss von RTÜK seinen Sendebetrieb einstellen. RTÜK begründete seine Entscheidung mit angeblichen Verstößen gegen das Lizenzrecht, mit Formalitäten. Die Solidaritätswelle in Europa war enorm und direkt ein Tag nach der Schließungsdrohung erklärte ein Sprecher vom RTÜK, Hayat TV habe doch eine Lizenz und dürfe weitermachen. Bereits einige Tage davor hatte RTÜK Geldstrafen für 4 andere kritische Sender verhängt, um die Pressefreiheit weiter zu beschneiden und den Widerstand gegen den Abriss des Gezi Park zum Verstummen zu bringen.

 

Alev Bahadır

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