Written by 19:00 DEUTSCH

Sind wir nicht schon längst „kriegstüchtig“?

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte auf der Bundeswehrtagung in Berlin ein Papier zu verteidigungspolitischen Richtlinien vorgestellt. In diesem findet sich das Ziel „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime“. Was bei Kollegen von Pistorius als „unglückliche Wortwahl“ beschrieben wurde, ist eigentlich nur der endlich unverschleierte Ausdruck der Politik der vergangenen Jahre seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Selbst Pistorius verteidigt seine Haltung: „Ich verstehe, wenn man den Begriff nicht mag. Das ist ein hässliches Wort für eine hässliche Sache. Krieg ist hässlich. Aber wenn wir ihn verhindern wollen, müssen wir einem potenziellen Aggressor sagen: Wir sind verteidigungsfähig“.

Aber egal, ob man es „Kriegstüchtigkeit“ nennt oder euphemistische Begriffe wie „Zeitenwende“ benutzt: Deutschland rüstet massiv auf. Nicht nur wurden mit dem Ukrainekrieg schnell alle Vorsätze, man entsende keine Rüstungsgüter in Kriegsgebiete, über den Haufen geworfen. Wer gegen die Waffenlieferungen war, wurde genauso schnell zum Putinfreund erklärt, wie heute alle, die die Politik der israelischen Regierung kritisieren, antisemitische Hamas-Sympathisanten sind. Im gleichen Atemzug wurde bereits Ende Februar 2022 erklärt, dass Deutschland endlich das 2-% Ziel der NATO umsetzen müsse und dafür wurden mittlerweile alle Hebel in Gang gesetzt. 85,5 Milliarden Euro würde 2 % des Bruttoinlandsprodukts für Deutschland bedeuten. Und auch, wenn wir noch nicht ganz dort angekommen sind, wird sich dem Aufrüstungsziel immer weiter angenähert. Neben den 52 Milliarden Euro, die nächstes Jahr im Etat vorgesehen sind, kommen noch etwa 19 Milliarden aus dem 100 Milliarden „Sondervermögen“-Topf hinzu. Während in nahezu in jedem Ministerium gekürzt wird, steigt der Bundeswehretat immer weiter an.

Ganz nach Pistorius Geschmack: „Wir müssen Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein. Unsere Bevölkerung, aber auch unsere Partner in Europa, Nordamerika und der Welt erwarten von uns, dass wir uns dieser Verantwortung stellen“, so steht es in dem Richtlinien-Papier. Deutschland weiß ganz genau: wenn es eine Rolle in den (Macht-)kämpfen, die aktuell zwischen den großen Blöcken stattfinden, spielen will, muss es aufrüsten. Nicht nur finanziell. Auch die Bevölkerung muss auf Rüstungs- und Militarisierungskurs gebracht werden. Es brauche laut Pistorius schließlich auch einen Mentalitätswechsel in der Gesellschaft. Dass dieser nicht so leicht zu erreichen ist, wurde erst am 25. November gezeigt, als 20.000 Menschen in Berlin für Frieden und Abrüstung auf den Straßen waren. Aber die herrschende Politik in Deutschland gibt die Marschrichtung vor: Aufrüsten um jeden Preis, wenn man Rohstoffe für sich sichern will!

Close