Özgün Önal
Am 29. Mai 2024 jährt sich der rechtsterroristische Anschlag auf das Haus der türkeistämmigen Familie Genç in Solingen.
Drei Tage nach der Parlamentsentscheidung zur massiven Einschränkung des Grundrechts auf Asyl zündeten im nordrhein-westfälischen Solingen Nazis das Haus der Familie Genç an. Fünf Menschen, darunter drei Kinder, wurden ermordet und 14 weitere lebensgefährlich verletzt. Neben der politischen und medialen Hetze, spielte das Handeln staatlicher Institutionen eine wichtige Rolle. Nur drei Tage vor dem Mordanschlag in Solingen, am 26. Mai 1993, hatte eine große Koalition aus CDU, FDP und SPD nach einer verantwortungslosen Debatte um „Asylantenflut“ und „Überfremdung“ das Grundrecht auf Asyl demontiert. Politiker wie Horst Seehofer (CSU) und andere rechtsorientierte Politiker befeuerten die prekäre Lebenslage, für die sie mitverantwortlich waren, mit der Angst vor „Überfremdung“ und Debatten um „Asylmissbrauch“.
Der Mordanschlag von Solingen war dabei nur der vorläufige „Höhepunkt“, oder treffender: der Tiefpunkt, einer Serie weiterer rechts motivierter Anschläge, wie z.B. in Hoyerswerda, Hünxe, Rostock, Cottbus, Mölln, der Mord an Walter Lübcke und die Mordserie des NSU, der Münchener Amoklauf im Juli 2016 und Hanau 2020.
Diese politische Lage hat sich nach 31 Jahren hierzulande nicht verändert. Das Auffliegen des Geheimtreffens am Wannsee von Rechtsradikalen, rechten Politikern und Unternehmern, die Verschärfung und Einführung strengerer Asyl-Reformen (GEAS) und nicht zuletzt das Video aus Sylt mit den Rufen: „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ haben die Gesellschaft in Deutschland erneut in vielen Debatten um Rassismus und den Rechtsruck aufgerüttelt. Es wird deutlich, dass Rassisten, ja Nazis, nicht unbedingt in Springerstiefeln und Bomberjacken auftreten und Flüchtlingsunterkünfte anzünden, sondern dass Rassismus tief in der Mitte der Gesellschaft verankert ist und auch von gutsituierten jungen Menschen vertreten wird.
In Zeiten von Krieg, Krise und Perspektivlosigkeit ist es nicht ungewöhnlich, dass der Unmut in der Gesellschaft immer weiter nach rechts driftet. Der steigende Rassismus ist nicht nur der erfolgreichen Hetze und Propaganda der AfD zu verdanken – vor allem die Ampelregierung ist verantwortlich für die prekäre Lebenslage. Zudem bedienen sich die regierenden Parteien sowohl der Sprache als auch der Rhetorik der AfD. Dies erleichtert es auch „demokratischen“ Bürgern, sich rassistisch und hetzerisch gegenüber Geflüchteten und Migranten zu äußern und diese als Sündenböcke für die Krisen darzustellen.
Auf der Seite der Amadeu Antonio Stiftung (AAS) heißt es: „Die Zahl der behördlich erfassten rechtsextrem motivierten Straftaten stieg um ca. 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreichte mit 28.945 Straftaten ein Rekordhoch seit Beginn der Erfassung. 1.270 dieser Straftaten waren Gewaltdelikte, das entspricht einer Steigerung um 8,6 Prozent gegenüber 2022. Auch flüchtlingsfeindliche Gewalt erreichte einen neuen Höchststand, für 2023 melden die Behörden 2.488 Straftaten gegen Asylbewerber, darunter 321 Gewalttaten.“ (Stand: 21.05.2024).
Auch nach 31 Jahren wird am 29. Mai an die Opfer rechtsterroristischer Gewalt gedacht und zahlreiche Aktionen gegen Rassismus und den Rechtsruck organisiert.