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Sonne und Beton

Fee Pottharst

Der Film „Sonne und Beton“ von David Wnendt kam 2023 in die Kinos und basiert auf dem gleichnamigen autobiographischen Roman von Felix Lobrecht.

Darum geht‘s:

  1. Sommer im Bezirk Neukölln, Gropiusstadt. Das Viertel ist durch seine massiven Plattenbauten geprägt, die wie riesige Betonklötze aus der Erde ragen. Dort leben die vier Freunde, Lukas, Julius, Gino und Sanchez. Wie die meisten im Viertel, leben auch sie in krasser Armut. Lukas wohnt mit seinem Vater, dessen Frau und ihrem Sohn in einer kleinen Wohnung. Der Vater wünscht sich, dass Lukas bei seinem Bruder lebt, sodass er sich nicht mit ihm rumschlagen muss. Julius lebt mit seinem älteren Bruder zusammen, der nichts anderes tut, als sich mit seinen Freunden zuzudröhnen und Ginos Vater betrinkt sich tagsüber und verprügelt seine Frau. Sanchez ist mit seiner Mutter, die sich, indem sie sich abrackert, darum bemüht, ihrem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen, hinzugezogen. Die vier Freunde geraten unbeabsichtigt in Schwierigkeiten mit Drogendealern und beschließen, ihre Schule, der brandneue Computer gesponsert wurden, auszurauben, die Computer zu verkaufen, die Schulden zu begleichen und einen erfolgreichen Sommer zu haben. Doch so einfach, wie sie es sich gedacht haben, läuft es für sie nicht…

Kritik:

Endlich ist in Deutschland mal ein Film auf den Leinwänden zu sehen, der den Blick auf das Aufwachsen in Armut in Problemvierteln richtet. Trotz der verschiedenen Familienprobleme teilen die vier Freunde das gleiche Schicksal: Sie können sich Dinge nicht leisten- sei es der Freibad-Besuch im Hitzesommer 2003 oder eine Markenpizza. Armut ist das zentrale Motiv des Filmes: Lukas’ Vater ist arbeitslos und die 2003 durchgebrachte Arbeitsmarktreform der Hartz-Gesetze bieten keinen Weg aus der Armut, verstärken diese zusätzlich. Sanchez Mutter arbeitet in Vollzeit, doch auch hier reicht das Geld vorne und hinten nicht. Neben der Armut wird die Gewalt innerhalb der Familie und innerhalb des Viertels gut aufgegriffen. Gino hat zuhause mit seinem cholerischen und gewaltvollen Vater zu tun und draußen warten auf ihn Prügeleien im Park. Außerdem zeigt der Film, dass es die wenigsten aus der Armut schaffen. Zuhause fehlen ruhige Arbeitsplätze, überarbeitete Eltern finden keine Zeit, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen, Lehrer hegen rassistische Vorurteile und die „Problemschulen“ werden links liegen gelassen. Daran ändern auch die teuren neuen Computer der Schule nichts. Deutschrap spielt in dem Film ebenfalls eine zentrale Rolle, denn dieser ist das Genre, mittels dessen sich das ausdrücken lässt, was im Viertel tagtäglich Realität ist. Wenn Lukas das Gefühl hat, von seinem Vater nicht verstanden zu werden, schaltet er seinen MP3-Player ein. Er fühlt sich durch die Rapper besser verstanden als durch seine eigene Familie. Da die Hauptfigur an die Kindheit des jungen Lobrecht angelehnt ist, kommt die migrantische Perspektive etwas zu kurz, was schade ist, denn gerade Anfang der 2000er hatten migrantische Arbeiterfamilien neben prekären Arbeits- und Lebenssituationen zusätzlich mit Abschiebungen und Rassismus zu kämpfen. Dennoch ist der Film eine große Bereicherung und sehr empfehlenswer, denn obwohl 20 Jahre zwischen der behandelten Zeit im Film und heute liegen, zeigt sich: Gropiusstadt ist von Tausenden von Jugendlichen in ganz Deutschland auch heute noch Realität.

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