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Sprache = nur ein Sprechinstrument?

Cigdem Ronaesin

 

Engagement, Laptop, Fotobox, Caffee to go, easy-going und eine lange Liste vieler anderer Wörter, die meistens, aber nicht immer aus dem Englischen abstammen. Die deutsche Sprache wird mehr und mehr eine Mischung aus verschiedenen Sprachen. Während es viele Menschen gibt, die diesen Prozess und die Nutzung von englischen Wörter cool und von französischen Wörtern edel und fein empfinden, gibt es einige, die Gegner dessen sind. Einer von diesen ist der Professor Walter Krämer, der diesen Prozess so begründet: „Noch sprechen 100 Millionen Menschen auf der Erde deutsch. Aber viele, vielleicht sogar die meisten, nur recht widerwillig. Der moderne Modell-Germane joggt, jumpt, trekkt, walkt, skatet oder biket, hat fun und feelings, moods und moments, sorrows und emotions – und scheint vor nichts auf Erden solche Angst zu haben, wie seine eigene Sprache zu benutzen. Deutsch zu sprechen, ist vielen Deutschen ganz offensichtlich lästig oder peinlich.“ Die Frage mit dem Willen des Einzelnen zu beantworten, wäre wahrscheinlich sehr einseitig.

 

Die eitlen Franzosen?

Der Sozialdarwinismus macht sich auch in der Sprache bemerkbar. Nach dem Motto: Der Stärkere überlebt. Um ein Beispiel zu nennen. Die Franzosen sind sehr pingelig und kleinkariert, wenn es um ihre Sprache geht. Sobald ein neues Gerät auf den Markt kommt, erfinden sie ein neues Wort dafür und weigern sich, ein englisches Wort zu übernehmen. Zum Beispiel das Wort Computer heißt im Französischen ordinateur oder das Wort DVD-Player wird als lecteur de DVD übersetzt. In Frankreich gibt es eine Radioquote, die besagt, dass alle Radiosender 40% ihrer Sendezeit nationale Lieder spielen müssen. Viele der Französischlernenden oder der Französischhasser halten die Franzosen diesbezüglich für hochnäsig. Doch ohne die Geschichte zu betrachten, ist es auch schwer, das Verhalten zu verstehen. Ganz nach dem Motto von dem Autor Amos Oz hat die französische Geschichte an ihrer Sprache festgehalten: „Wo immer Sprache vergewaltigt wird, verdreht oder verbogen, folgt Schreckliches stets nach.“

Im 17. Jahrhundert, der so genannten Französischen Klassik, befand sich Paris in der Blütezeit der kulturellen Entwicklung. Paris war eine Stadt, in der Kunst und Kultur als eine politische Macht betrachtet wurden. Der Sonnenkönig, Ludwig XIV., auch bekannt mit seinem Spruch „L´etat, c´est moi“ (Der Staat bin ich), der sich als der Nachfolger der antiken römischen Herrscher definierte, war in ganz Europa einer der Mächtigsten. Die frühe nationalstaatliche Einigung war der Grund seines politischen und kulturellen Einflusses. Dabei trugen die Kardinäle Richelieu und Mazarin eine große Rolle, denn sie sie bereiteten den Weg zu einer zentral organisierten absoluten Monarchie. Die Kunst, aber vielmehr das Theater, wurden kontrolliert und zu ihren Gunsten benutzt. Die Komödie war zum Beispiel dafür da, die Armen lächerlich darzustellen und bei der Tragödie wurde das Schicksal der Könige und Fürsten dargestellt. Diese Regelung nannte man die Ständeklausel. 1635 gründete Kardinal Richelieu die Academie Francaise, um die französische Sprache zu kontrollieren. Es war die Institution, die Fremdwörter und Umschreibungen aus der Sprache strich und verbot, diese zu benutzen. Sie sollte für die Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache sorgen und dafür verschiedene Wörterbücher zu Rechtschreibung, Grammatik, Rhetorik und Poetik herausbringen. Auch als moralisch nicht zu akzeptierende Wörter wurden gestrichen. In der Academie waren 34 ständige Mitglieder aktiv, die „Immortels“ (die Unsterblichen) genannt wurden. Interessant ist, dass diese Academie sich immer noch um die Pflege der Sprache kümmert.

 

Griechische und römische Einflüsse

Egal, welche Epoche der Zeit man betrachtet, sieht man dass die Stärke der Politik sich in der Sprache bemerkbar macht. Schon angefangen bei den Griechen und Römern, die früher in ganz Europa regierten. Wörter wie Theater, Parlament, Literatur, Mathematik und viele andere Wörter sind die, die wir immer noch in unserem Sprachgebrauch haben. Auch später ist der Einfluss einiger Sprachen in vielen weiteren Sprachen zu sehen.

 

Imperialismus und Sprache

Ein kleines Beispiel dafür, dass Sprache mehr als ein Sprechinstrument ist, Sprache stellt die politische Macht der Länder dar. Heute ist Amerika die imperialistische Macht und verbreitet sein Wortschatz überall auf der Welt. Auch Spanien hatte früher viele Kolonien und konnte die spanische Sprache in ganz Lateinamerika durchsetzen. Deutschland war noch nie die große Kolonialmacht, sondern hatte die eine oder andere Kolonie an der Südsee und in Afrika. So kann man auch die Verbreitung der arabischen Sprache erklären. Viele Gebiete in Südspanien haben noch arabische Namen, überhaupt hat die spanische Sprache viele arabische Einflüsse. Die maurischen Eroberer, die 711 ihre Expansion von Afrika nach Osten und Norden der Halbinsel vornahmen, hinterließen viele Lehnwörter. Um paar Beispiele zu geben: Aceite = Öl, azafata = Flugbegleiterin, Azucar = Zucker (im arabischen heißt es as-sukar). Es gibt noch viele Wörter im Bereich der Landwirtschaft, Kleidung, Speisen, Tieren und Pflanzen, die aus der arabischen Sprache übernommen worden sind.

Wenn man sich die türkische Sprache jedoch anschaut, dann gibt es nur das eine Wort, das sich überall auf der Welt durchgesetzt hat: JOGHURT.  Der deutsche Wortschatz irrt schon mehr auf der Welt rum: Kindergarten, Doppelgänger, kaputt, Jugendstil, Kobold, Müsli und einige andere. Es ist eine Frage der geschichtlichen politischen Macht, inwiefern welche Sprache sich durchgesetzt hat und sich noch durchsetzen kann. Die imperialistischen Länder sind nicht nur in der Friedens- und Rüstungsindustrie dominant und angsteinflössend, sondern in allen Bereichen des Lebens.

 

Nationen und Sprachen

Es ist nicht nur die Frage des Cool-Seins, ob man Anglizismen im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet, sondern eine Frage der Macht. Allein wenn man sich Fernsehsendungen anschaut, stellt man fest, dass viele Sendungen und Serien englische Namen haben. Im Verlauf der Geschichte haben immer nur die Länder ihre Sprache verbreiten können, die auch einen festen Stand hatten. Auch wenn viele die Frage mit der Scham der deutschsprachigen vor ihrer Geschichte erklären, liegt die Ursache doch woanders.

Manchmal erscheint es als etwas pingelig, auf den Erhalt der Sprache zu bestehen. Doch ist die Sprache mehr als ein Sprachinstrument. Ein Zitat eines sowjetischen Staatsmannes macht die Bedeutung der Sprache noch mal deutlicher, weil es besagt,

„daß verschiedene Nationen immer und überall verschiedene Sprachen sprechen, oder daß alle, die ein und dieselbe Sprache sprechen, unbedingt eine Nation bilden. Gemeinsame Sprache für jede Nation, aber nicht unbedingt verschiedene Sprachen für verschiedene Nationen! Es gibt keine Nation, die gleichzeitig verschiedene Sprachen spräche, das bedeutet aber noch nicht, daß es nicht zwei Nationen geben kann, die eine Sprache sprechen! Die Engländer und die Nordamerikaner sprechen eine Sprache, und doch bilden sie nicht eine Nation. Dasselbe gilt von den Norwegern und Dänen, von den Engländern und Iren.“  Die Sprache war in der Geschichte, ist derzeit und wird in der Zukunft ein Mittel bleiben, auf das die Politiker zurückgreifen, um Einfluss auf die Menschen zu nehmen und ihre Politik und Macht zu vermitteln. Deshalb ist der Wandel der deutschen Sprache nicht als ein zufälliger Prozess zu betrachten, sondern als eine politische Entscheidung.

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