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Tipps für Arbeiter bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen

Liebe Leser,

seit mehr als 20 Jahren bin ich mittlerweile als Rechtsanwalt tätig.

Als Fachanwalt für Arbeitsrecht beschäftige ich mich tagtäglich mit diesem Rechtsgebiet, berate Arbeiterinnen und Arbeiter, wie diese sich in bestimmten Problemfällen gegenüber dem Arbeitgeber verhalten sollten und vertrete meine Mandanten außergerichtlich und falls erforderlich auch gerichtlich durch alle Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Die einzelnen Bereiche des Arbeitsrechts sind sehr verschieden. Ich helfe unter anderem bei Abmahnungen, Kündigungen, Aufhebungsverträgen, dem Abschluss von Arbeitsverträgen, Urlaubsfragen, Entgeltfortzahlungsfragen im Krankheitsfall, Lohnfragen, Fragen im Zusammenhang mit befristeten Arbeitsverträgen, Zeugnissen und vielem mehr. Darüber hinaus berate ich Betriebsräte.

Als Fachanwalt bilde ich mich ständig fort und bin auf dem aktuellen Stand. Dabei hilft auch meine Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltsvereins (DAV). Darüber hinaus bin ich Mitglied des Leitungsgremiums des Arbeitsgerichtsverbands, Ortsgruppe Duisburg, wodurch ein regelmäßiger Austausch mit Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichtern, Gewerkschaften und auch anderen Fachanwälten und Fachanwältinnen für Arbeitsrecht gewährleistet wird, was letztlich wieder meinen Mandanten zugute kommt.

Einer Bitte folgend werde ich ab jetzt ab und zu Artikel in dieser Zeitung für Sie verfassen.

Mein Ziel ist es dabei, Sie arbeitsrechtlich zu schulen, Ihnen bestimmte arbeitsrechtliche Fragen zu erklären und darüber aufzuklären und vor allem auch Ihnen für bestimmte Fallkonstellationen konkrete Verhaltenstipps zu geben, die Ihnen hoffentlich helfen werden und nützlich sind.

Die arbeitsrechtlichen Fälle sind im Einzelnen verschieden. Dennoch wiederholen sich bestimmte Punkte in einzelnen Fallgruppen immer wieder und Mandanten richten – so verschieden die Fälle auch sein mögen – doch auch immer wieder dieselben Fragen an mich.

In diesem ersten Artikel möchte ich Sie darüber informieren, wie Sie sich verhalten sollten, wenn Sie eine Kündigung erhalten oder erwarten oder wenn Ihr Arbeitgeber an Sie herantritt und beispielsweise einen Aufhebungsvertrag oder Abwicklungsvertrag mit Ihnen abschließen will.

I. Nichts unterschreiben

Der erste genauso einfache wie wertvolle Rat in diesem Zusammenhang lautet schlicht: Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht ganz genau verstehen.

Unterschreiben Sie am besten insbesondere Aufhebungsverträge oder Abwicklungsverträge überhaupt nicht, ohne dass Sie diese haben durch einen Rechtsanwalt prüfen lassen.

Mir passiert es immer wieder, dass Mandanten mit einem bereits von ihnen unterschriebenen Aufhebungsvertrag oder Abwicklungsvertrag zu mir kommen, den der Arbeitgeber ihm vorgelegt hatte.

Wenn ich meine Mandanten dann frage, ob sie denn genau wüssten, was sie da unterschrieben haben, wird dies von nicht wenigen tatsächlich verneint. Alle Einzelheiten verstanden hat fast keiner. Sie wissen oft selbst nicht mehr so genau, warum sie sich dazu verleiten ließen, die Unterschrift zu leisten. Sie wurden oft einfach überrumpelt oder fühlten sich unter Druck gesetzt und haben keinen klaren Gedanken mehr gefasst.

Ein solcher Fall, der mir wegen seiner Brisanz in Erinnerung geblieben ist, lief so ab, dass meinem Mandanten fälschlicherweise vorgeworfen wurde, er habe „in die Kasse gegriffen“ und Geld entwendet. Dies könne man ihm nachweisen. Er müsse jetzt mitkommen, sonst werde er sofort die fristlose Kündigung erhalten. Man fuhr dann mit ihm in einem Auto des Arbeitgebers ca. 30 km weit weg zu dem Verwaltungsgebäude des Arbeitgebers. Dieses befand sich außerhalb der Stadt. Eine Verkehrsanbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln war nicht gegeben. Man brachte meinen Mandanten in einen Büroraum, in dem ihm vier Vorgesetzte gegenüber saßen. Man teilte ihm mit, er werde die fristlose Kündigung erhalten, wenn er jetzt nicht den vorgefertigten Aufhebungsvertrag unterzeichnen würde. Dies sei das Beste für ihn. Er habe geklaut und das könne man ihm auch nachweisen. Als mein Mandant das verweigerte und gehen wollte teilte man ihm mit, dass man ihn nicht gehen lassen werde, bevor er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet habe. Außerdem werde er von dort sowieso nicht wegkommen, weil man ihn nicht zurückfahren werde bevor er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet habe und öffentliche Verkehrsmittel von dort aus würden ja nicht fahren. Eine Zeit lang weigerte mein Mandant sich noch zu unterschreiben, letztlich hielt er dem Druck aber nicht stand und hat seine Unterschrift doch geleistet. Danach kam er zu mir und dies war einer der wenigen Fälle, bei dem seine Erklärung wegen der widerrechtlichen Drohung der Arbeitgeberseite erfolgreich angefochten werden konnte. Letztlich wurde ein Beendigungsvergleich mit Abfindung geschlossen, die der Aufhebungsvertrag natürlich nicht vorgesehen hatte.

Vielfach ist es in solchen Fällen aber so, dass eine Anfechtung wegen Irrtums des Mandanten oder einer widerrechtlichen Drohung gegenüber dem Mandanten oder der Widerruf der Erklärung des Mandanten nicht erfolgversprechend ist, weil der Mandant für die konkrete Situation keine Zeugen auf seiner Seite hat, die beispielsweise die widerrechtliche Drohung bestätigen können. In diesen Fällen ist meistens „das Kind bereits in den Brunnen gefallen“ und die Situation im Vergleich zu derjenigen, bei der der Mandant die Unterschrift noch nicht geleistet hat, ist deutlich schlechter. Man kann dann zwar noch versuchen Schadensbegrenzung zu betreiben, man erreicht aber nur noch selten dasselbe, was man hätte erreichen können, wäre die Unterschrift noch nicht geleistet worden.

Wenn ich dann frage, warum sie denn etwas unterschrieben haben, was sie nicht oder zumindest nicht vollständig verstanden haben, dann lautet die Antwort sehr häufig entweder, sie hätten gedacht, das müsse jetzt so sein und sie hätten dem Arbeitgeber vertraut oder aber der Arbeitgeber habe gesagt, dieses Angebot würde nur jetzt gelten, wenn jetzt nicht unterschrieben würde, würde sofort eine fristlose Kündigung ausgesprochen oder auch die in diesem Aufhebungsvertrag genannte Abfindung würde nicht mehr geboten werden, wenn man nicht genau jetzt unterschreiben würde. Würde man das Büro wieder verlassen, ohne die Unterschrift geleistet zu haben, so würde dieses Angebot nicht mehr unterbreitet werden.

Meiner Erfahrung nach stimmt dies grundsätzlich nie.

Setzt ein Arbeitgeber Sie derart unter Druck, dann geschieht dies eigentlich immer in seinem – und gerade nicht in Ihrem – Interesse. Meistens will er dann einen Aufhebungsvertrag oder eine Abwicklungsvereinbarung zu für ihn (und gerade nicht für Sie) günstigen Bedingungen abschließen.

Ich rate Arbeitern in diesen Fällen immer auf keinen Fall die Unterschrift zu leisten, sondern den Arbeitgeber zu bitten, dass (nicht unterschriebene) Entwurfsschreiben mitnehmen zu dürfen, um es sich in Ruhe durchlesen und gegebenenfalls von einem Rechtsanwalt prüfen lassen zu können. Die seriösen Arbeitgeber werden Ihnen dieses Schreiben mitgeben, die weniger seriösen nicht. In den letztgenannten Fällen ein Grund mehr, nicht unterschrieben zu haben.

Rechtsanwalt Marc Muzikant

Wanheimer Straße 71, 47053 Duisburg

Telefon: 0203/609980

Email: anwalt@kanzlei-hochfeld.de

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