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Türkischer Staat und AKP unterdrückt die Opposition

İhsan ÇARALAN

Laut Propaganda der AKP und vor allem vom Staatspräsidenten Erdoğan unterscheidet sich die Regierungspartei von allen anderen. Dieser Unterschied liege darin, dass die AKP die einzige Partei sei, die den „Fortbestand der Türkei“ gewährleiste, dass die Zukunft der Türkei mit der der AKP eng verbunden sei und dass die anderen Oppositionsparteien -natürlich mit Ausnahme der MHP – mit sämtlichen Türkeifeindlichen „Terrororganisationen“ zusammenarbeiteten, wenn sie sich der AKP entgegenstellten. Dies entspricht auch der Selbstdarstellung der MHP.

Wenn man die Bemühungen um die Errichtung des „Ein-Mann-eine-Partei-Regimes“ betrachtet, wird deutlich, dass diese Propaganda dazu dient, die „Bestrebungen zur Umwandlung der AKP zu einer Staatspartei“ und die „AKP-isierung des Staates“ in den Augen der Öffentlichkeit zu legitimieren.

ANZEICHEN DAFÜR, WOHIN DIE TÜRKEI DRIFTET

Es wird aber nicht dabei bleiben. Diese Versuche, Alleinstellungsmerkmale für die AKP zu definieren, die Zukunft der AKP mit der des Landes gleichzusetzen, um die parteiinternen Ermüdungserscheinungen zu bekämpfen, sollen nicht nur die Folgen der Bekämpfung der bevorstehenden innerparteilichen Opposition legitimieren. Darüber hinaus sollen sie dazu dienen, die AKP-Wähler gegen die Wähler anderer Oppositionsparteien aufzuhetzen. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass eine solche Entwicklung unumgänglich sein wird.

So gab es letzte Woche erste Medienberichte über solche Vorfälle:

* Der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrıkulu hielt letzte Woche im Parlament eine Pressekonferenz, bei der er auf einen tödlichen Beschuss von Zivilisten durch eine bewaffnete Drohne hingewiesen hatte. Daraufhin leitete die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn ein, obwohl er Immunität genießt.

* Bei einer Eröffnung von Stadtwerken in Izmir, bei der der Ministerpräsident Yıldırım ebenfalls anwesend war, protestierte die Menge lauthals gegen den Oberbürgermeister Aziz Kocaoğlu von der CHP. Während einer anschließenden Feier kam es zu Tumulten zwischen AKP- und CHP-Anhängern, die von der Polizei mit großem Einsatz verhindert werden mussten.

* Der HDP-Abgeordnete Ayhan Bilgen wurde nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis Silivri von Polizisten nicht nach Istanbul gefahren, sondern an der Autobahn abgesetzt.

Diese drei Vorfälle sind Anzeichen dafür, in welche Richtung sich das Land entwickelt und wie die Politik unter Führung von Erdoğan und AKP aussehen wird.

RECHTLOSIGKEIT UND ORGANISIERTE PROVOKATION

Wenn man diese drei Vorfälle zusammen mit den Versuchen betrachtet, die zur Errichtung des „Ein-Mann-eine-Partei-Regimes“ unternommen werden, kann man folgende Schlussfolgerungen ziehen:

1-) Die Behandlung der Abgeordneten Tanrıkulu und Bilgen zeigen, dass Erdoğan und die AKP härter gegen die CHP vorgehen wollen. Die Parlamentsarbeit der größten Oppositionspartei soll gänzlich verhindert und sie selbst davon abgehalten werden, von der Realität des Landes zu berichten. Zu diesem Zweck werden die Immunität, die Redefreiheit und andere Rechte von Parlamentariern durch Staatsanwälte willkürlich außer Kraft gesetzt. Was dem HDP-Abgeordneten Ayhan Bilgen widerfuhr, ist ein offensichtlicher Beweis dafür, dass die Sicherheitskräfte jeglichen Anstand und Respekt gegenüber Parlamentariern verloren haben.

2-) Dass der OB von Izmir, Aziz Kocaoğlu daran gehindert wurde, in seiner Stadt zu reden, und dass die säkularen Einwohner von Izmir von einem „Allahu Akbar“ und „Recep Tayyip Erdoğan“ grölenden Mob angegriffen wurden, war das Ergebnis einer organisierten Provokation. Menschen, die üblicherweise solchen Veranstaltungen fernbleiben, wurden für eine derartige Störaktion organisiert. Und obwohl das ganze vor den Augen des Regierungschefs und anderer führender AKP-Funktionäre ablief, stellten sie sich nicht gegen die Störer. Vielmehr ermutigten sie sie und erbrachten einen weiteren Nachweis dafür, dass es sich dabei um eine organisierte Provokation handelt.

DIE AKP IST DAZU ÜBERGEGANGEN, DIE OPPOSITION GLEICHZUSCHALTEN

3-) Mit diesen Provokationen wollte die AKP die Botschaft aussenden, dass sie in der Lage ist, selbst in einer Stadt wie der CHP-Hochburg Izmir die Opposition niederzudrücken. Damit verfolgte sie aber auch weitere Ziele. So soll die Basis der Oppositionsparteien als „externen Feind“ dargestellt und ihre eigene Parteibasis gegen diese motiviert werden. Desweiteren sollen eventuelle Gegner der bevorstehenden Ausschaltung parteiinterner Opposition bereits heute als „Verbündete der externen Feinde“ abgestempelt werden. Deshalb dürfte es niemanden überraschen, wenn die AKP die organisierten Provokationen von Izmir auch in andere Städte trägt.

4-) Die AKP hat die Hoffnung aufgegeben, die Basis anderer Parteien dazu zu gewinnen, sie bei der Errichtung des „Ein-Mann-eine-Partei-Regimes“ zu unterstützen. Deshalb möchte sie eine Mauer zwischen ihrer eigenen Parteibasis und anderen oppositionellen Kräften aufbauen. Das Baumaterial dieser Mauer bilden die Spannungen zwischen den beiden Lagern. Und dabei werden die Sicherheitskräfte, Staatsanwälte etc. auf die eigene Seite gezogen. Die eigene Basis wird militarisiert. So soll jegliche Opposition im Keime erstickt, eingeschüchtert, erdrückt und aufgelöst werden. Augenscheinlich ist dies die Linie, die die AKP zukünftig verfolgen möchte.

Die genannten Vorfälle sind erste deutliche Anzeichen dafür, dass sie sich dieses Vorgehen vorgenommen hat.

Deshalb sind demokratische Kräfte aufgefordert, diese Entwicklungen ernst zu nehmen und den „gemeinsamen Kampf“, der in letzter Zeit in aller Munde ist, umzusetzen. Das Bündeln von demokratischen Kräften darf nicht länger nur Thema von Absichtserklärungen bleiben, sondern muss praktiziert werden.

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