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Union Busting bei der Frankfurter Rundschau

Vergangenes Jahr wurden drei Journalistinnen und Journalisten der Frankfurter Rundschau gekündigt, weil sie einen tarifgebundenen Arbeitsvertrag forderten. Aus diesem Anlass haben wir ein Interview mit der betroffenen FR-Journalistin Jana Ballweber geführt.

Özgün Önal

Kannst du uns kurz die Situation in der Frankfurt Rundschau erklären?
Die Belegschaft der FR ist schon länger unzufrieden mit den Gehältern, die der Ippen-Konzern, die Verlagsgruppe, zu der die FR gehört, bezahlt. Über viele Jahre waren die Gehälter, trotz Inflation, gar nicht gestiegen. Nach Beginn des Kriegs in der Ukraine gab es nur eine leichte Erhöhung, die die hohen Lebenshaltungskosten im Rhein-Main-Gebiet nicht auffangen konnten. In den letzten Jahren haben viele junge Talente und altgediente Mitarbeitende die Zeitung verlassen, weil sie die Bedingungen nicht mehr ertragen konnten. Der Arbeitgeber behauptet, das Geld für höhere Gehälter sei nicht da.

Er gibt aber keine Informationen über die wirtschaftliche Lage heraus, mit denen man sich selbst ein Bild machen könnte. Deshalb hat die Belegschaft Tarifverhandlungen gefordert und nach deren Abbruch durch den Arbeitgeber, einen eintägigen Warnstreik veranstaltet. Im Vorfeld hatte die Chefredaktion gewarnt, dass eine harte Reaktion erfolgen würde, wenn die Beschäftigten ihr Streikrecht wahrnehmen, weil im Ippen-Konzern grundsätzlich keine Gewerkschaften erwünscht sind und keine Tarifverträge abgeschlossen werden. Wenige Tage nach dem Warnstreik hat die Geschäftsführung dann ein Ressort geschlossen, den gerade erst gestarteten Klima-Podcast eingestellt und mich gemeinsam mit meinen Kolleg:innen Yağmur Ekim Çay und Maximilian Arnhold entlassen. Wir waren noch in der Probezeit und hatten deswegen am Streik gar nicht teilgenommen, erhielten Anfang Dezember aber trotzdem die Kündigung zum Jahresende. In der Redaktion wurde das einhellig als Bestrafung für den Streik interpretiert.

Wie ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Medienlandschaft?
Der Organisationsgrad in der Medienlandschaft unterscheidet sich stark von Haus zu Haus. Wenn gerade ein Arbeitskampf ansteht oder Gewerkschaften traditionell sehr etabliert sind, gibt es hohe Organisationsgrade. Manche Betriebe, auch innerhalb der Ippen-Gruppe, haben aber nicht einmal einen Betriebsrat. Die Bindungen an den Flächentarifvertrag nimmt gerade bei Tageszeitungen immer mehr ab, immer mehr Verlage verabschieden sich aus der Tarifbindung. Bei der FR stieg der Organisationsgrad im Laufe des Tarifkonflikts, am Streik nahm dann über die Hälfte der Beschäftigten teil.

Wie sind die Arbeitsbedingungen in der FR?
Die Arbeitsbedingungen bei der FR haben sich immer weiter verschlechtert. Weil die Gehälter weitgehend stagnierten, sank der Reallohn, während die Arbeit durch Personalabbau immer mehr wurde. Die Geschäftsführung reagierte auf Beschwerden mit dem Hinweis, man könne ja die Ansprüche an das Produkt herunterschrauben. Das kam aber für viele der Beschäftigten, die eine hohe Identifikation mit der FR haben, nicht in Frage.

Die Folge war eine Kultur der Selbstausbeutung, mit vielen unbezahlten Überstunden, die nie ausgeglichen wurden. Der Zeitdruck bei der Produktion der Zeitung ist immens, wodurch man Schwierigkeiten hat, sich den Themen zu widmen, die einem selbst wichtig sind. Das tut man häufig in seiner Freizeit, ohne dafür bezahlt zu werden. Gleichzeitig stagniert die digitale Transformation, weil das Online-Angebot der FR nicht von der Redaktion selbst, sondern von einer Ippen-Zentralredaktion gestaltet wird, die nicht nach den Maßgaben des Qualitätsjournalismus, sondern ausschließlich nach Reichweiten-Zielen arbeitet, wodurch die Qualität leidet und die FR online ihr linksliberales Profil immer weiter eingebüßt hat. Im Zuge der Einschüchterung nach dem Streik wurden nun die letzten digitalen Produkte, die der Rundschau eine digitale Zukunft versprochen haben, die App und der Podcast, eingestellt, bzw. automatisiert. Hoffnung auf Verbesserung der Bedingungen gibt es kaum, da die Einschüchterungsmaßnahmen der Geschäftsführung gewirkt haben und die Redaktion aus Angst vor weiterem Abbau von Arbeitsplätzen den Tarifkampf eingestellt hat.

Kennst du noch weitere Union Busting Fälle innerhalb der Medienlandschaft?
Von Union-Busting wie bei der Frankfurter Rundschau habe ich in dieser Form noch nicht gehört. Es gibt aber immer wieder Geschichten über die Einschüchterung von Betriebsräten und harte Einsparungen im Bereich von Druckereien. In vielen Betrieben, zum Beispiel innerhalb des Ippen-Konzerns, sind sich wohl viele Betriebsräte und gewerkschaftlich engagierte Menschen des gewerkschaftsfeindlichen Klimas bewusst und schrauben ihre Aktivitäten von selbst runter, um diese Form des Angriffs auf Gewerkschaftsarbeit zu vermeiden. Union Busting beginnt ja aber nicht erst dort, wo es strafrechtlich relevant wird, sondern kann in ganz kleinen Gesten oder Handlungen seitens des Arbeitsgebers bestehen, um die Interessensvertretung der Belegschaft zu behindern. Gerade in privatwirtschaftlich organisierten Medien haben Arbeitgeber ein Profitinteresse und handeln nicht immer nur im Sinne des Mediums oder der Belegschaft. Dem Profitinteresse strebt Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit oft entgegen, weil der Profit sinkt, wenn Arbeitsbedingungen besser werden.

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