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Unkontrolliert? Wohl kaum…

Alev Bahadır

Seit Monaten ist kaum ein Thema so heiß diskutiert, wie die Frage um die Migration. Sie ist einer der entscheidenden Faktoren in den Europa- sowie vergangenen Landtagswahlen gewesen und wird sicherlich auch keine geringere Rolle bei den Bundestagswahlen 2025 spielen. „Asylgipfel, „unkontrolliert, „irregulär“ und „Bleiberecht“ sind nur einige der Stichworte, die in dem Zusammenhang fallen. Was in den öffentlichen Diskussionen längst als gesetzt gilt, aber doch einer genaueren Betrachtung bedarf: haben wir in Deutschland tatsächlich eine „unkontrollierte Migration?.

Wir alle wissen, schon immer gab es in der Geschichte der Menschheit Migration. Diese war immer darauf bedacht, das eigene Leben zu verbessern. Gemeinschaften ließen sich an Orten nieder, die Nahrungs- und Wasserquellen, sowie Schutz vor Feinden boten. Auch als sich vermehrt Städte bildeten, Fürstentümer- und schließlich auch Nationalgrenzen gezogen wurden, war Migration stets vorhanden. Das auch immer in Form von größeren Bewegungen, wie z.B. die Migration von hunderttausenden Arbeitern aus Ländern, wie Spanien, Italien oder Türkei, nach Deutschland. Die Gründe für die Migranten waren kaum andere, als oben beschrieben. Der Wunsch nach besseren Lebensbedingungen und Arbeit. Für die aufnehmenden Staaten fanden sich neue Arbeitskräfte, die z.B. nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Wiederaufbau dringend gebraucht wurden. Ein besonderer Grund die Heimat zu verlassen ist, wenn das eigene Leben unmittelbar in Gefahr ist, z.B. aufgrund von Kriegen oder weil man politisch verfolgt wird. Bereits ab den 1920er Jahren gab es deshalb in Europa eigene Regelungen für eben diese jenen besonderen Schutzbedürftigen. Diese mündete schließlich in die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, in der sich die unterzeichnenden Länder, wie z.B. Deutschland, dazu verpflichteten Schutzsuchenden genau diesen einzuräumen. Jedoch war und ist die Konvention bis heute sehr stark darauf begrenzt, wer als „Flüchtling“ gilt und wer nicht (z.B. sind Klimakatastrophen kein anerkannter Schutzgrund). Genau diese werden allerdings heute von der Union und anderen als „irreguläre“ Migranten bezeichnet. Das weckt den Eindruck, diese Menschen würden außerhalb der Norm nach Deutschland einreisen, dabei ist ihr Recht Asyl zu beantragen völkerrechtlich garantiert.

Das Märchen von der fehlenden Kontrolle

Verfolgt man die Debatten, entsteht der Eindruck, dass Deutschland vollkommen die Kontrolle darüber verloren hätte, wer einreist und wer nicht. Es wird der Eindruck erweckt, dass ab 2015 aus reiner Herzensgüte Millionen Menschen ins Land gelassen worden wären, die sich partout weigern, sich anzupassen und hinter jeder Ecke mit einem Messer warten. Die Realität ist aber eine ganz andere. Laut UNHCR befinden sich in Deutschland ca. 770.000 Schutzsuchende aus Syrien. Das ist keine kleine Zahl, aber im Vergleich zur Gesamtbevölkerung von 83.000.000 und der Tatsache, dass 13,8 Millionen Syrer vertrieben wurden, doch gar nicht so viel. Für diese öffnete die Regierung Tür und Tor, weil es zumeist gut ausgebildete Menschen sind, die hier, aus Angst vor Ausweisung ohne die Einforderung von fundamentalen Rechten und für weniger Geld arbeiten. Und genau hier ist der Knackpunkt.

Wenn wir angeblich so viele Probleme mit Migranten haben, die das Land überschwemmen und niemand mehr in Ruhe Weißwurst essen kann und plötzlich die „eigenen“ Frauen von jemand anderem belästigt werden als einem selbst: wieso holt die Bundesregierung dann noch mehr Leute aus dem Ausland? Besonders ab 2022 schließt Deutschland vermehrt „Migrationsabkommen“. Solche hat es bereits mit Ländern, wie Indien, Georgien oder zuletzt nun auch Kenia. Noch keine unterzeichneten Abkommen, aber Absichtserklärungen hat Deutschland mit Kirgisistan und Usbekistan. Mit Kolumbien und Marokko sind „enge“ Kooperation in Puncto Migration vereinbart. Außerdem hat Deutschland mit sieben Staaten Abkommen zur Gewinnung von Pflegekräften im Programm „Triple Win“. Die Migrationsabkommen sehen vor allen zwei wichtige Punkte vor: Fachkräfte werden gezielt nach Deutschland angeworben, abgelehnte Asylbewerber werden schneller und einfacher in die Länder abgeschoben. Deutschland braucht vor allem Menschen, die in der Pflege und Kinderbetreuung arbeiten – Überraschung: schlecht bezahlte Jobs mit schwierigen Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig gibt es z.B. in Kenia wegen den dort ansässigen Techunternehmen viele gut ausgebildete IT’ler.

Migration in diesem System folgt einer Verwertungslogik. Es geht weder um Menschenrechte, noch um Schutz. Sonst würde man die Menschen, die hier Schutz suchen, nicht wie Menschen 3. Klasse behandeln, sie in Sammelunterkünften, ohne Schutz und Perspektive zusammenpferchen und ihnen Bezahlbaren geben um das rassistische Bild zu bedienen, dass der Geflüchtete das bisschen Geld, das er oder sie hat, für alles andere als Grundbedürfnisse ausgeben würde. Wenn man also davon spricht, dass die Kontrolle fehlt, dann könnte man hier ansetzen: willentlich werden die Menschen in den Unterkünften sich selbst überlassen, während ihnen grundlegende Rechte fehlen. Auch das ist es, was schlussendlich zu Radikalisierung oder Kriminalität führen kann.

Ab 1950 holte Deutschland über 2,6 Millionen Arbeiter ins Land, um das Land wieder aufzubauen und wirtschaftlich wieder aufzusteigen. Als sie nicht mehr gebraucht wurden, wurden „Anreize“ geschaffen, um zurückzukehren. Es folgte eine große rassistische Welle, angetrieben, nicht nur von rechten Parteien und Gruppen, sondern auch von Medien und Politik. Solange bis auch das Asylrecht weitgehend eingeschränkt wurde.

Ähnliches erleben wir jetzt auch. Deutschland braucht Fachkräfte. Hier findet es die nicht mehr, weil mittlerweile jeder weiß, dass die Arbeitskräfte in den betroffenen Jobs ausgelaugt, schlecht bezahlt und allein gelassen werden. Niedrigere Geburtenraten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Der demographische Wandel sorgt dafür, dass das deutsche Kapital ca. 500.000 Migranten braucht, um die fehlenden Arbeitskräfte auszugleichen. Also holt es sich diejenigen, die es braucht und versucht diejenigen, die es nicht braucht loszuwerden. Besonders nach 2015 hat sich eine Stimmung gegen – allen voran – Geflüchtete aus Heimatländern im Nahen Osten aufgebaut und wurde auch immer weiter von der Politik geschürt. Da sie in der Verwertungslogik nicht alle einen Platz einnehmen und somit auch ein Sündenbock da ist, werden diese Menschen, von denen ein großer Teil längst ein gesetztes Leben in Deutschland führt, deren Kinder zur Schule gehen und sie selbst Beschäftigungen nachgehen, instrumentalisiert, um Grenzkontrollen zu erhöhen, Asylregelungen zu verschärfen und die Befugnisse der Polizei auszuweiten. Bei „Asylgipfeln“ wird das „Problem“ weiter aufgebauscht. Unionspolitiker, aber auch alle anderen inszenieren sich mit einer strikten „Sofort-Ausweisen-Politik“. Die EU, die sonst so heiter mit „offenen Grenzen“ und Freizügigkeit wirbt, macht, vor allem unter der Federführung Deutschlands, klar, dass diese Freizügigkeit nur gilt, solange die Arbeitskraft gebraucht wird. Alle anderen werden in überfüllten griechischen Geflüchtetencamps zusammengepfercht oder sterben im Mittelmeer.

Um es nochmal deutlich zu machen: in Deutschland leben ca. 3.000.000 Schutzsuchende. Die meisten – und das mit Abstand – aus der Ukraine. Diejenigen, die „illegal“ im Land sind, macht eine verschwindend geringe Menge aus und selbst dann kann sich jeder sicher sein, dass sie von irgendeinem Bauunternehmer oder ähnlichem bis aufs Letzte ausgebeutet werden, zu zwölft in einer Wohnung schlafen und ohne jegliche Rechte hier Profit für einzelne, die sich die Bäuche daran vollschlagen, schaffen. Grenzkontrollen werden daran nichts ändern, nur werden jetzt noch mehr Menschen mit Migrationshintergrund einmal mehr als sie dem ohnehin schon ausgesetzt sind, anlasslos kontrolliert. So aber schafft man es die Stimmung umschlagen zu lassen und Panik zu wecken.

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