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Warum hat der „Staatsgeist“ in Gara nicht funktioniert ?

Yusuf Karatas

Die Angriffe der türkischen Armee auf das rund 70 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt in der irakischen Autonomieregion Kurdistan gelegene Gare-Gebirge hatte mit heftigen Luftangriffen begonnen, anschließend wurden Kommandoeinheiten von Helikoptern abgesetzt. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar hat nach drei Tagen unerwartet die Militär-Operation für beendet erklärt. Die Operation »Adlerklaue 2« im Gare-Gebirge sei abgeschlossen, hieß es in einer Erklärung. Mit der Militäraktion sollten 13 von der PKK gefangen gehaltenen Polizisten, Soldaten oder Geheimdienstmitglieder befreit werden. Sie wurden nach der heftigen Bombardierung des Gara-Gebirges Tod geborgen.

Der ehemalige Minister Ismet Yilmaz, der auf einer Parlamentssitzung über die militärische Operation in Gara sprach, reagierte auf die Kritik am Scheitern der Operation mit den Worten: „Der Staat muss einen Staatsgeist im Kampf gegen den Terrorismus haben.“ Yilmaz erklärte, wie dieser „Staatsgeist“ funktioniert: „Immer wenn über Terrorismus gesprochen wird, werden zwei Themen angesprochen; Der Brief des Terrorführers Öcalan mit einer Botschaft der Unparteilichkeit und das Interview von seinem Bruder Osman Öcalan, der Kandil (gemeint ist die PKK-Führung, die ihren Hauptsitz in den Kandilbergen hat, Notiz des Übersetzers) und die HDP kritisierte. Ich muss ganz klar sagen: Jeder weiß, dass der Staat, der den Terrorismus bekämpft, einen Staatsgeist haben muss (…)“

Machtmissbrauch

Yilmaz’s Aussagen, beziehen sich auf den „Staatsgeist“ vor den Kommunalwahlen in der Istanbuler Metropolregion, die am 23. Juni 2019 wiederholt wurden. Damals wurde ein Brief der „Neutralität“ von Öcalan veröffentlicht und Osman Öcalan gab Erklärungen ab, in denen die HDP und Imamoglu (CHP-Oberbürgermeister von Istanbul) kritisiert wurden.

Die Frage ist nun: Warum hat der Staatsgeist nicht so wie vor den Wahlen in Istanbul gearbeitet, um 13 Menschen das Leben zu retten, die im Gara-Gebirge festgehalten wurden?

Denn was Yilmaz als „Staatsgeist“ bezeichnet, ist das Kurdenproblem, das auf den „Kampf gegen den Terrorismus“ reduziert wird und somit für die politischen Interessen der Macht missbraucht wird. Die Regierung und ihr Unterstützer Bahceli (MHP-Vorsitzender), hatten keine Probleme damit, Teile von Öcalans Brief mit der „Botschaft der Überparteilichkeit“ zu veröffentlichen, um die Wahlen in Istanbul zu gewinnen. Jedoch verschwiegen sie den Rest der Erklärung, dass z.B. Öcalan „bereit ist, seine Rolle bei der Lösung des Problems mit demokratischen friedlichen Mitteln zu spielen“. Wenn damals das in Erwägung gezogen wäre, würden wir heute nicht über diese Toten sprechen. Als die AKP die Wahlen in Istanbul verlor, kehrte der „Staatsgeist“ zur Isolationspolitik gegenüber Öcalan wieder zurück.

Lassen wir einen neuen Verhandlungs- und friedlichen Lösungsprozess beiseite, selbst wenn die Regierung indirekt Öcalan oder die PKK-Führung kontaktiert hätte, wie es bereits früher vorgekommen ist, um 13 Gefangenen zu befreien, hätten wir wahrscheinlich immer noch nicht dieses Ergebnis gehabt.

Das Scheitern des Staatsgeistes in Gara liegt nicht daran, weil die Regierung »meine Nation zuerst« sagte, wie Ismet Yilmaz behauptet, sondern die Anwendung einer solchen Methode ist darauf zurückzuführen, dass sie momentan nicht den politischen Interessen der Macht dient. Denn unter den heutigen Bedingungen nutzt es nicht den Machthabern, die Dialogkanäle zu nutzen. Nationalistische Befindlichkeiten zu provozieren, indem man die HDP als „terroristische Erweiterung“ abstempelt und gleichzeitig versucht, die gesamte Opposition mit dem Vorwurf der „Zusammenarbeit mit Terroristen“ unter Druck zu setzen, scheint für die politische Ausrichtung der Regierung funktionaler zu sein. Auch die Behauptung von Innenminister Süleyman Soylu, dass „eine weibliche HDP-Abgeordnete Gara besucht haben soll“, wird nach diesem politischen Kalkül erhoben.

„Nationale Allianz“ klappt nicht immer

Egal aus welchem Grund die Operation Gara durchgeführt wurde und wie das schwerwiegende Ergebnis begründet wird, ändert sich an der Tatsache nichts, dass diejenigen, die sich für diese Operation entschieden haben, für ihre eigenen politischen Interessen das Leben der Opfer aufs Spiel gesetzt haben. Denn wenn die Operation erfolgreich gewesen wäre, wäre sie von der Regierung als großer Sieg gefeiert worden, was Präsident Erdogan bereits angekündigt hatte, dass er bald eine „gute Nachricht“ verkünden würde. Betrachtet man jedoch das heutige politische Bild, so wird selbst das Versagen dazu benutzt, um eigene politische Interessen zu befestigen. Wie aus der Empörung und den Beleidigungen von Präsident Erdogan gegen den CHP-Führer Kilicdaroglu hervorgeht; die Regierung hoffte offensichtlich, wie zuvor, die Opposition („Nationale Allianz“) durch die Propaganda der „nationalen Einheit gegen den Terrorismus“ unter Druck setzen zu können. Das Scheitern sollte ein politisches Design hervorbringen, Operationen gegen die HDP zu begünstigen und die anderen Oppositionsparteien durch das Bild der „nationalen Einheit“ an die Regierung zu binden.

Aber so ist es nicht passiert. Als Kilicdaroglu fragte: „Was haben Sie seit 5,5 Jahren getan, um die Söhne des Mutterlandes aus der Gefangenschaft der Organisation (PKK) zu retten?“ bekam er die heftige Reaktion von Erdogan: „Sie sind unverschämt, ich schicke meine Minister zu Ihnen. Sie sind es nicht wert, dass ich komme!“

Was in Gara geschah, zeigt uns deutlich, dass der „Geist des Staates“, über den Ismet Yılmaz sprach, im Einklang mit den Interessen der Regierung und der von ihm vertretenen Kapitalkreise arbeitet. Daher ist es unbedingt notwendig, diesen „Staatsverstand“ loszuwerden, damit das Leben der Bürger nicht für politische Interessen einfach geopfert wird und die „Nation“ in Demokratie, Frieden und Ruhe leben kann.

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