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Warum stößt Lauterbach auf so viel Widerstand bei seiner Krankenhausreform?

Eva Gürster*

Kein Tag vergeht ohne Medienberichte über anstehende Insolvenzen von Krankenhäusern. Dabei geht es vor allem kommunale und gemeinnützige Krankenhäuser. Diese decken mit vielen medizinischen Behandlungsbereichen die stationäre Versorgung der Bevölkerung ab.

Für die laufenden Behandlungskosten kommen die Krankenkassen auf. Bis vor etwa 20 Jahren wurden sämtliche Behandlungskosten durch sie gedeckt. Dieses Prinzip der Selbstkostendeckung wurde durch die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) abgeschafft und das DRG-Fallpauschalengesetz eingeführt. Berater war damals schon Karl Lauterbach. Er kam aus den USA und kämpfte für die Einführung der DRGs (Diagnosebezogene Fallgruppen) zur Senkung der Krankenhausverweildauer. Seine Methoden waren damals nicht weniger demagogisch als heute. Er meinte, sobald ein Bett frei würde, läge sich ein Patient rein und die Kassen müssten dann für jeden Tag den gleichen Pflegesatz zahlen. Das wäre zu teuer und gefährde die deutsche Wirtschaft, die hälftig die Krankenkassenbeiträge zahlen müsse. Er propagierte die DRGs als den glorreichen Weg zum Bettenabbau. DRGs sind Festpreise für die „Fälle“ im Krankenhaus unabhängig davon, wie lange ein Patient bleibt. Benötigt ein Patient, der aufgrund seines Alters längere Behandlungszeiten wird er schlicht zum „Defizit“. Die Krankenhäuser stehen unter dem wirtschaftlichen Druck, ihre Patienten in eine DRG zu pressen und nach Planvorgabe zu entlassen.

Privatkliniken genießen aber die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die die DRGs ihnen bieten. Sie spezialisieren sich auf einzelne Behandlungen. Sie machen z.B orthopädische OPs am Fließband, produzieren hohe Fallzahlen und erwirtschaften so maximale Gewinne.

Die kommunalen und freigemeinnützigen Kliniken sind dagegen sehr oft unterfinanziert. Sie haben einen Versorgungsauftrag und behandeln ältere Menschen, Kinder und Patienten mit vielen Erkrankungen. Aber Kinder, Ältere und mehrfacherkrankte Menschen brauchen eine intensivere Behandlung und können nicht von einem Tag zum anderen wie nach einer orthopädischen OP entlassen werden.

Lauterbachs Reform würde die Krankenhausversorgung in Deutschland zerstören

Seit Anfang letzten Jahres hat Lauterbach mit seinem Gerede begonnen, dass er eine echte Revolution in der Finanzierung der Krankenhäuser durchführen will. Er hat viel investiert. Er hat eine Expertenkommission von Gesundheitsökonomen und Medizinern arbeiten lassen. Und die Empfehlungen dieser Experten will er umsetzen. Das ist seine berühmte Revolution.

Geld für die Krankenhäuser, die am Rande der Existenz stehen, nimmt er allerdings dabei nicht in die Hand. Sein Gesundheitshaushalt ist für 2024 um 30% von 24 auf 16 Mrd. gekürzt worden. Sein Ziel ist es gesetzlich vorzugeben, dass die Krankenkassen in Zukunft die Krankenhäuser anders finanzieren. Nur noch die Kliniken, die hohe Fallzahlen in bestimmten Behandlungsbereichen bringen, sollen diese Behandlungen noch anbieten dürfen. Seine Experten und er setzen neben hohen Fallzahlen auch noch andere Qualitätskriterien. Da geht’s um technische Geräte, einen Hubschrauberlandeplatz oder eine bestimmte Anzahl von Fachärzten.

Seine Revolution ist allerdings ins Stocken geraten. Deshalb hat Lauterbach am 30. Januar eine Bundespressekonferenz gegeben und „die Keule“ rausgeholt. Dieses Mal hat er nicht gegen die Patienten gehetzt, die sich so gern in freie Betten legen, sondern gegen die Krankenhäuser selbst. Das wären zum Teil „Pfuschbuden“, die mit ihren Operationen und Behandlungen Menschenleben gefährden. Assistiert hatte ihm auf der Pressekonferenz der Gesundheitsökonom Busse aus Berlin, der Daten in seinem Sinne vorlegte. Lauterbachs Revolution ist sehr einfach: Krankenhäuser, die seinen Qualitätsanforderungen nicht entsprechen, werden geschlossen. Zynisch sagt er, kein Geld in ein kaputtes System investieren zu wollen. Keine einzige Sekunde sieht er seine eigene Verantwortung für die Unterfinanzierung der Kliniken!

Nehmen wir Köln als Beispiel. Der Rat der Stadt hat am 15. Juni 2023 beschlossen, das städtische Krankenhaus Holweide und die Kinderklinik Amsterdamer Straße zu schließen. Die Leistungen sollen am Standort des städtischen Krankenhauses in Merheim zentralisiert werden.

Der Lauterbach-Experte Karagianidis und andere Experten sehen darin ein großes Vorbild für die Krankenhausreform. Eine Zentralisierung in Merheim wäre aus medizinischer Sicht ein großer Fortschritt, quasi ein neuer „Kölner Dom“.

Frau Prof. Diemert, die Kämmerin der Stadt, sieht dagegen eher wirtschaftliche Vorteil in der Schließung der beiden Häuser. 10 Mio. Euro an laufenden Kosten könnten jährlich einspart werden, insgesamt 381 Stellen (davon 55 Arztstellen) und fast 400 Betten.

Die Bevölkerung, Beschäftigten und Gewerkschaftskollegen schauen Lauterbach nicht tatenlos zu

90.000 haben für den Erhalt beider Krankenhäuser unterschrieben. Auf Initiative eines Einladerkreises von Betroffenen, Bürgern, Beschäftigten aus Kölner Krankenhäusern und Gewerkschaftern hat es mehrere Demonstrationen im Stadtteil, vor den beiden Krankenhäusern und dem Rathaus sowie am 18. November auch zum Wahlkreisbüro von Lauterbach in Köln gegeben.

Niemand akzeptiert, dass ein Krankenhaus, wie Holweide mit einem Brustzentrum auf höchstem Niveau, einem neuen Perinatalzentrum für Frühgeborene, einer Geburtsklinik, einer HNO, einer Intensivmedizin geschlossen werden soll. Die Bevölkerung ist geradezu sprachlos, wenn sie hört, dass eine dringend notwendige Kinderklinik in Köln geschlossen werden soll. Dort machen qualifizierte Kinderkrankenschwestern und Kinderärzte, die es viel zu wenig in Deutschland noch gibt, für die jungen Patienten eine hervorragende Arbeit. Krebskranke und schwerstverbrannte Kinder werden intensiv in der Kinderklinik behandelt und betreut. Natürlich stellen sich die Betroffenen auch die Frage, wo sie und ihre Kinder denn hin sollen, wenn sie dringend medizinische Hilfe brauchen. Holweide und die Kinderklinik haben zentrale Notaufnahmen. In jeder zentralen Notaufnahme muss jeder Mensch innerhalb von 10 Minuten versorgt werden. Es ist unglaublich, wenn so etwas wegfallen soll und das dann auch noch als großer medizinischer Fortschritt verkauft wird.

Lauterbachs Transparenzgesetz, ein Teil seiner Krankenhausreform, ist im Bundesrat abgelehnt worden. Auch die Kommunen, die Krankenhausträger und Klinikärzte lassen wenig Zweifel, dass sie auf die Revolution von Lauterbach gerne verzichten würden. Den öffentlichen Krankenhäusern steht das Wasser bis zum Hals. Sie fordern die sofortige rückwirkende Finanzierung für 2022 und 2023 der Krankenhausbehandlungen.

Auf der Demonstration am 18. November zum Wahlkreisbüro von Lauterbach stand deshalb auch die Forderung nach dem Stopp der Krankenhausreform und der Freigabe der blockierten Gelder im Vordergrund. Das wäre auch ein Schritt für den Erhalt der beiden von Schließung bedrohten städtischen Krankenhäuser.

*Eva Gürster ist aktiv in der Initiative gegen die Schließung der Krankenhäuser Holweide und Kinderklinik Amsterdamer Straße in Köln

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