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Was beinhaltet die Sondierungsvereinbarungen?

Diethard Möller

Man kann sich die 28-seitige Vereinbarung zu GroKo-Verhandlungen im Internet herunterladen. Die Medien haben jedoch zumeist Rosinenpickerei betrieben und nur „gute“ Ergebnisse hervorgehoben, die den Weg zu einer erneuten großen Koalition zwischen SPD und CDU/CSU ebnen sollen.

Das Papier besteht vor allem aus vollmundigen Versprechungen: „Wir wollen…“, „wie werden…“, „wir beabsichtigen…“, „wir werden prüfen…“. Die Liste solcher unverbindlichen Absichtserklärungen ist lang. Wie bereits die vorherige große Koalition gezeigt hat, werden aber manchmal selbst fest vereinbarte Maßnahmen gar nicht umgesetzt, sondern solange geschoben, bis sie „leider, leider“ nicht mehr realisierbar sind. Was dann mit Versprechungen und Absichtserklärungen passiert, kann sich leicht jeder ausmalen. Papier ist geduldig!

Wir bleiben bei Niedriglöhnen und wollen die Konkurrenz verstärken!

Im Wirtschaftsteil wird pompös angekündigt, man wolle : „insbesondere das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit … in einem Sozialpakt stärken.“ (S.4) Das hört sich super an, hätte ja aber schon längst realisiert werden können. Zeit genug war dafür ja vorhanden. Allerdings steht jetzt im Nachsatz: „am gleichen Ort“. Also gleicher Lohn für gleiche Arbeit gilt beispielsweise für Stuttgart, aber nicht für Dresden. Dort sollen und dürfen die Löhne niedriger sein – und erst recht in Polen, Rumänien, Slowakei usw. Die Billiglohnkonkurrenz soll also bleiben! Das Kapital braucht das ja auch, um insgesamt Löhne zu drücken und billigst zu produzieren.

Auf S.8 steht klar: „Die Arbeit auf Abruf nimmt zu, wir wollen jedoch sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ausreichend Planungs- und Einkommenssicherheit in dieser Arbeitsform hat.“ Real bedeutet das, sie wollen die Flexibilisierung, die jederzeitige Verfügbarkeit der Ware Arbeitskraft für das Kapital ermöglichen und das mit sozialem Gerede vertuschen. Denn tatsächlich erhöht eine solche Flexibilisierung die Konkurrenz und die Entsolidarisierung. Wer seine Kolleg/innen kaum noch kennt, da er mit ständig wechselnden Menschen zusammenarbeiten muss, der kann sich deutlich schwerer kollektiv wehren.

Angeblich wollen sie 8.000 neue Fachkraftstellen im Pflegebereich schaffen (S.15). Wie? Wen wollen sie zwingen, mehr Personal einzustellen, der bisher mit knappem Personalschlüssel fette Extraprofite eingefahren hat? Dazu sind 8.000 Stellen mehr bei rund 12.000 Pflegeeinrichtungen eine dreiviertel Stelle pro Einrichtung! Wer schon einmal in einer Pflegeeinrichtung gearbeitet hat, weiß, dass das ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Dafür sollen für den Ausbau des Polizeistaates, „Sicherheitsapparat“ genannt, 15.000 Stellen neu geschaffen werden (S.17). Das zeigt die sozialen Schwerpunkte von SPD und CDU/CSU: Die Armen bekämpfen, die Reichen schützen!

Auch Freihandelsabkommen wie CETA will die geplante GroKo gegen den Widerstand der Mehrheit der Bevölkerung ausdehnen. Das bedeutet mehr Konkurrenz – auch auf dem Arbeitsmarkt, niedrigere Umweltstandards, mehr Finanzspekulation. Neue Märkte mit dem Schwerpunkt auf Afrika sollen erschlossen werden. (S.6) Das ist ja wohl eine Drohung für die Menschen in Afrika, deren Märkte weiter erobert werden sollen, während die Flüchtlinge, die vor dem damit geschaffenen Elend fliehen möchten, mit allen Mitteln zurückgehalten werden.

Milliardensubventionen für das Kapital, dafür Verzicht auf eine Vermögenssteuer!

Schön versteckt als „Modernisierung“ oder als „Förderung“ werden in den Sondierungsergebnissen von SPD und CDU/CSU Milliarden Euro Subventionen für das Kapital vereinbart.

So wollen sie (S.7) die Erlöse aus der Vergabe von UMTS- und 5G-Lizenzen, die sie von den Telekommunikationskonzernen erhalten, an diese gleich wieder als „Fördermaßnahme“ für „den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis zum Jahr 2025“ (S.7) ausschütten. Faktisch erhalten diese so die Netze für Null, aber die Profite sind natürlich privat. Den aufstrebenden und reichen Konzernen werden so Milliarden in den Rachen geschoben.

Fahrverbote sollen vermieden und so die großen Autokonzerne geschont werden. Für die Umweltschäden darf dann wieder die Gesellschaft aufkommen. Ein asoziales System!

Sie wollen „neue Instrumente zur Förderung von Sprunginnovationen und des Wissenstransfers in die Wirtschaft entwickeln.“ (S.12) Das heißt übersetzt: wir geben Milliarden öffentliche Forschungsgelder aus, die direkt der Wirtschaft nutzen. Die Allgemeinheit zahlt, der Profit ist privat!

Auf S.15 steht nett und verschämt: „Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöhen.“ Damit ist allerdings gemeint, dass die SPD auf ihre Propagandaforderung nach einer Reichensteuer, mit der sie im Wahlkampf geworben hatte, verzichtet. Stattdessen bekommt das Kapital, wie oben dargelegt, fette Subventionen!

Die Sozialabgaben sollen auf 40% begrenzt bleiben (S.6). Das ist allein im Interesse des Kapitals, das damit von weiteren Steigerungen der Sozialkosten verschont wird. Dafür wird die gesamte Gesellschaft bzw. die Arbeiter und Angestellten über die Steuern in Haft genommen. Sie müssen zahlen, wenn die Kosten für Gesundheit, Renten usw. steigen.

Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3% gesenkt werden (S.8). Das hört sich gut an, bedeutet aber vor allem wieder eine Entlastung für das Kapital und entsprechende Kürzungen von Leistungen für Arbeitslose. Da gleichzeitig die „Parität“ bei den Krankenversicherungsbeiträgen wieder hergestellt werden soll (S.12), wo das Kapital nun mehr zahlen muss, kommt aber letztendlich für das Kapital ein Nullsummenspiel heraus. Nimmt man beides zusammen, so zahlt es nicht mehr als vorher. Übrigens gibt es keine wirkliche Parität, da die Versicherten über Zuzahlungen zu Medikamenten, Hilfsmitteln, Krankenhausaufenthalten weiterhin mehr zahlen müssen als das Kapital!

Das Kindergeld soll am 1.7.2019 um 10 Euro monatlich und ab 1.1.2021 um 15 Euro erhöht werden. Das präsentierte SPD-Schulz als „Erfolg“, die CSU ebenso. Doch dabei wurde verschwiegen, dass das bei den ärmsten Kindern aus Familien mit Hartz IV sofort wieder vom Hartz IV-Satz abgezogen wird. Sie schauen also in die Röhre! Asozialer geht’s nicht! Der angebliche SPD-Erneuerer zeigt sein hässliches Gesicht.

Vollmundig wird angekündigt: „Wir werden ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Kinderarmut schnüren.“ Auf einmal wollen sie den Mindestbedarf eines Kindes in Höhe von 399 Euro auch zahlen. Damit geben sie indirekt zu, dass sie bis jetzt wissentlich unter dem Mindestbedarf gezahlt haben. Denn die Regelleistung für Kinder liegt bei Hartz IV aktuell bei 237 Euro für 0 bis 5-jährige, bei 291 Euro für 6 bis 13-jährige und bei 311 Euro für 14 bis 17-jährige. Statt sich für den bisherigen Betrug zu schämen, wird es als Erfolg gefeiert, dass man endlich den Mindestbedarf auszahlen will, dafür aber weiterhin das Kindergeld wegstreicht.

Statt sozialem Wohnungsbau durch den Staat Förderung der Wohnungskonzerne

Zum dringend nötigen Sozialwohnungsbau steht wenig in den Sondierungsvereinbarungen. Aber man sagt: „Unser Ziel ist es, dass 1,5 Millionen Wohnungen frei finanziert und öffentlich gefördert gebaut werden.“ Das hört sich toll an. Aber es sind keine Sozialwohnungen! Stattdessen werden detailliert eine Menge Subventionen und Steuererleichterungen für den privaten Wohnungsbau vereinbart. Gib den Reichen und lass für die Armen ein paar Almosen abfallen und verkaufe ihnen das ganz laut als soziale Großtat!

Das war’s dann aber auch schon, was den Groko-Freunden zu diesem Thema einfällt.

Der Gesamteindruck zu diesem Papier: Viel Wortgeklingel, blumige Absichtserklärungen, viel Verschleierung der tatsächlichen Ziele, Verschweigen unangenehmer Tatsachen. Und, wo immer es wichtig ist, wird klar und deutlich Partei für die Interessen des Kapitals bezogen. Für die Arbeiter und Angestellten, die Arbeitslosen und Hartz IV-Empfänger gibt es ein paar Almosen, die an die große Glocke gehängt werden. Das wird aber durch die Maßnahmen zu mehr Konkurrenz, Mini- und Midi-Jobs, mehr Flexibilisierung und jederzeitige Abrufbarkeit der Ware Arbeitskraft usw. um ein Vielfaches aufgehoben. So sind die Almosen teuer bezahlt! Während das Kapital ungehindert weiter absahnen kann.

Eine solche Koalition wird daher, sollte sie zustande kommen, eine Koalition für das Kapital und gegen die Arbeiterklasse und das Volk sein!

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