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Wie weit steckt die Bundeswehr im braunen Sumpf?

Eren Gültekin

Zwischen dem 30. Januar 1933, der Machtübertragung an Hitler, bis zum 8. Mai 1945, der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches, sind mehr als 60 Millionen Menschen, meist in Europa, getötet worden. Seitdem wird am 8. Mai, dem „Tag der Befreiung“, weltweit den Opfern des 2. Weltkrieges und des Faschismus gedacht. Den grausamen Taten des Faschismus sind neben über 27 Millionen Sowjetbürgern (13 Millionen Rotarmisten und 14 Millionen Zivilisten) vor allem Juden, Sinti und Roma, Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung, Sozialdemokraten, Kommunisten, sowie Antifaschisten zum Opfer gefallen.

Am 8. Mai wird aber auch an die Widerstandskämpfer gedacht, die sich unter Einsatz ihres Lebens gegen den Faschismus stellten und gegen den Strom schwammen. Einige davon sind die Geschwister Scholl, die sich mit Gleichgesinnten zur „Weissen Rose“ zusammenschlossen, um gegen die Verbrechen des Hitler-Faschismus zu protestieren, aufzuklären und Widerstand zu organisieren. Und das in einer Zeit, in der es unmöglich war, seine Meinung offen und laut auszusprechen. Auch die Edelweißpiraten sind zu einem Symbol des Widerstandes geworden. Diese waren arbeitende und größtenteils arbeitslose Jugendliche, die nach dem Verbot von Jugendverbänden 1933 gezwungenermaßen politisiert und vom System als Feindbilder gebrandmarkt wurden. Somit wurden sie auch streng vom Regime verfolgt und bestraft. Die Edelweißeinpiraten opferten ihr Leben für andere hilfsbedürftige Menschen, um sie vor dem Regime zu schützen und zu verstecken. NS-Gerichte bezeichneten und verurteilten sie als asoziale Verbrecher und rehabilitiert sind sie bis heute immer noch nicht.

Es sind mittlerweile 72 Jahre her, das Hitler-Deutschland besiegt wurde aber dennoch ist der endgültige Kampf gegen den Faschismus nicht vorbei, denn noch immer macht sich diese menschenverachtende Ideologie bereit und ist wieder salonfähig gemacht worden, wie wir es überall in Europa und in Deutschland zurzeit erleben. Der NSU-Prozess und wie vor kurzem die Skandale bei der Bundeswehr zeigen, wie ernst die Lage wirklich ist und wie wichtig es ist, dagegen zu agieren und gemeinsam vorzugehen.

Neuer NSU: Braune Strukturen in der Bundeswehr!

Tagtäglich erfahren wir weitere Details zu rechten Strukturen in staatlichen Organen oder wie durch die Unterstützungen von staatlichen Organen solche Strukturen aufgebaut und gestärkt werden. Ganz aktuell ist der Fall des Oberstleutnants Franco A., der sich monatelang als syrischer Flüchtling ausgab und einen Anschlag plante. Schon 2014 gab es Hinweise darauf, das Franco A. sich in rechtsextremen Kreisen bewegte und faschistische Ideologien verbreitete. Aber die Vorgesetzten zogen daraus keine Konsequenzen.

Aber das war kein Einzelfall. Daneben wurden in vielen Bundeswehrkasernen Reliquien und Symbole aus dem 3. Reich und der Wehrmachtzeit gefunden. Nun erklärte das Verteidigungsministerium, sämtliche Kasernen und Bundeswehrgebäude durchsuchen zu wollen. Aber mit wenig Konsequenzen: Sollten NS- oder Wehrmachtsymbole gefunden werden, werden sie unverzüglich entfernt. Mehr nicht. Man möchte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf dieses Thema lenken, da es um den Ruf der Bundeswehr geht. Es ist kein Zufall, dass sich rechts-gesinnte und rassistische Menschen gern in der Bundeswehr oder bei der Polizei oder ähnlich autoritär und hierarchisch aufgebauten Strukturen wohlfühlen und aufhalten, aber auch von Vorgesetzten gern gesehen werden. Denn alles, was in der Bundeswehr geboten wird, sind den Rechtsextremen konforme Normen und Werte. Mit Kameradschaft, Ehre, Treue, Stolz und Gehorsamkeit lockt man Menschen an, die sich in solchen Strukturen wohlfühlen und sich dieser Hierarchie und Autorität gerne unterwerfen.

Neoliberale Politik schuld am Rechtsruck!

Es findet ein Rechtsruck auch in Deutschland statt und so ist es für Menschen wie Franco A. leichter geworden, ihre Ideologien viel offener zu leben ohne mit hohen Konsequenzen zu rechnen. Denn Politik und Herrschende suchen auch keine ernsthaften Lösungen gegen zunehmenden Angriffe auf Flüchtlingsheime. Mittlerweile kann man die Stimmung in manchen Orten wieder mit der Stimmung in den neunziger Jahren vergleichen und es ist nicht weit entfernt von einem neuem „Solingen“, „Mölln“ oder „Rostock-Lichtenhagen“. Die Hauptursache für den Rechtsruck wird nämlich nicht an der Wurzel angepackt. Diese sind eigentlich deutlich auf der Hand: die soziale Unsicherheit, mit zunehmender Arbeitslosigkeit, mit prekärer Beschäftigung wie Leih- und Zeitarbeit oder mit immer mehr Stellenabbau in den Betrieben, woraus Zukunftsängste verstärkt werden und Rassisten diese in ihre gewünschte Richtung kanalisieren. Wenn dazu noch das Thema Flüchtlinge kommt, wächst die Unsicherheit noch weiter, da man diese als Konkurrenten auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt sieht. Diese und weitere reale und bestehenden Probleme werden wegen der herrschenden Politik begünstigt und können mit falschen Feindbildern gekoppelt und emotionalisiert verbreitet werden. Schon hat man die Grundlage dafür geschaffen, das System an sich beizubehalten, aber falsche Angriffspunkte und Wege aufzuzeigen. Im Kern läuft die neoliberale Politik weiter, da nicht diese Politik angegriffen wird, die Profitgier und Reiche begünstigt, sondern falsche Ziele, nämlich die Gruppe der Flüchtlinge und Migranten. Ganz offen zeigte sich das bei den französischen Präsidentschaftswahlen zwischen Le Pen und Macron: Also zwischen einer neoliberalen Rassistin und einem neoliberalen Investmentbanker. Der Sieg Macrons über Le Pen wird den Rechtsruck aber nicht stoppen, da Macron die Politik fortführen wird, die Le Pen so gut auszunutzen weiss.

Deshalb ist es dringend notwendig, sich immer zu verinnerlichen, dass die Wurzel des Problems das neoliberale kapitalistische Wirtschaftssystem ist, das sowohl die Fluchtursachen, als auch die Zukunftsängste in Europa schafft. Einheit und Solidarität statt Rassismus und Spaltung ist die Lösung. Um dem 8. Mai 1945 nicht nur emotional zu gedenken, sondern seinem Sinn ernsthaft gerecht zu werden, muss man sich das immer vor Augen führen.

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