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Wir kämpfen weiter um Aufklärung und Gedenken!

Gamze Karaca

Die lange Liste rechter Terroranschläge in diesem Land ist bekannt und auch der Umstand, wie der Staat damit umgeht. Der Umgang dieser Verbrechen äußert sich in einer Ignoranz und einem Desinteresse an der Aufklärung dieser Taten. Dies dürfte allerdings nicht wirklich überraschen, blicken wir auf die ersten Geburtsjahre der BRD zurück, die geprägt davon waren, Naziverbrechen gar nicht erst aufdecken zu wollen, sondern vielmehr zu vertuschen und ehemalige NS-Funktionären Karrieren zu ermöglichen. Jenes Desinteresse können wir seit jeher beobachten. Der Anschlag des Oktoberfestattentats vor 40 Jahren, bei dem 13 Menschen von einem Rechten ermordet wurden, ist ein Beispiel dafür. In diesem Fall wurden 2017 die Ermittlungen neu aufgenommen, die allerdings im Sommer 2020 wieder eingestellt worden sind – ohne Ergebnisse. Oder auch der rechte Anschlag auf das Olympia-Einkaufszentrum in München, bei dem neun Menschen getötet wurden und die ersten Jahre von einem rassistischen Motiv überhaupt nicht die Rede war, obwohl es frühzeitig viele Indizien dafür gab. Erst Jahre später wird der Anschlag in München als rassistisch eingestuft.

Was die rechten Taten allerdings gemein haben, ist, dass krampfhaft an der These des ,,Einzeltäters‘‘ festgehalten und ein Netzwerk dahinter gar nicht in Erwägung gezogen wird. Am deutlichsten wurde das Schützen oder bewusste Ignorieren rechter Strukturen jedoch durch die jüngste Einstellung der Ermittlungen der Fälle „André Eminger“ im Rahmen des NSU-Prozesses und des Anschlags in Hanau Mitte Dezember. 

Ein fatales Signal 

Zehn Morde, sämtliche Überfälle und Bombenattentate gehen auf das Konto des Nationalsozialistischen Untergrunds, der die bis heute schwerste Rechtsterror-Serie der Bundesrepublik zu verantworten hat. Die Auswirkungen dieser Anschläge sind immens und äußern sich in vielfacher Form. Neben der Angst und Traumata ist eine Konsequenz vor allem die Ignoranz der Behörden, die Hintergründe des NSU–Komplexes aufzudecken. Dies beginnt schon damit, dass der NSU sich 2011 erst selbst enttarnen musste, weil der Staat sämtliche Hinweise ignorierte, die schon bekannt waren, bevor der NSU 1998 in den Untergrund ging. 

Es folgte ein fünfjähriger Prozess mit ernüchternden Urteilen. Lediglich Beate Zschäpe muss lebenslänglich ins Gefängnis, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt begangen suizid. Die anderen Helfer kamen mit sehr niedrigen Strafen davon, darunter auch André Eminger, ein sehr enger Freund des Trios und bekennender Nazi, was er mehrmals vor allem während des Prozesses  demonstrierte. Eminger wurde zu zweieinhalb Jahren Strafe verurteilt, wogegen die Bundesanwaltschaft Revision einlegte und zwölf Jahre forderte, weshalb Anfang Dezember das Urteil neu verhandelt wurde. Nun bestätigte das Bundesgerichtshof Mitte Dezember das milde Urteil von zweieinhalb Jahren. 

Eminger ist somit auf freiem Fuß – ein Signal, das mehr als fatal ist. Zwar stehen noch einige Verfahren gegen weitere mögliche Helfer offen, doch wenn Eminger, einer der engsten Helfer, nicht belangt werden kann, so liegt die Vermutung nahe, dass auch ihre Urteile (wenn denn überhaupt welche gefällt werden sollten) milde ausfallen werden. Vielmehr wird es aber dazu führen, dass die rechte Anhängerschaft sich in Sicherheit wiegen und ihre menschenverachtende Ideologie weiter ausführen wird. Es ist also eine Strafe, die einfach keine ist. 

Ungeklärte Fragen, die nun ein Untersuchungsausschuss beantworten möchte

Auch bei dem Anschlag in Hanau wurden Mitte Dezember die Ermittlungen gegen Unbekannt eingestellt, da es keine Hinweise auf Mittäter, Mitwisser oder Beihelfer des rassistischen Mörders gebe. 

Der Täter ermordete im Februar 2020 neun Menschen und anschließend sich selbst. Die Aufdeckung der Hintergründe dieser Tat ist unter anderem der Initiative 19. Februar zu verdanken, die bis heute für eine lückenlose Aufklärung kämpft, weil die Behörden auch hierin jeglicher Hinsicht versagten. 

Die Rolle des Vaters des Täters wurde nicht annähernd beleuchtet, der aber offensichtlich dasselbe rassistische Weltbild seines Sohnes teilt. So bezeichnete er in einem Schreiben die Angehörigen der Opfer als ,,wilde Fremde‘‘, die sich ,,dem deutschen Volk unterordnen‘‘ sollten. Zwar räumt die Bundesanwaltschaft ein, dass es ,,ein übereinstimmendes Weltbild von Vater und Sohn mit extremistischen und verschwörungstheoretischen Tendenzen‘‘ gebe, dies allerdings nicht die Tat beeinflusste. 

Außerdem waren die Fragen und Kritiken am polizeilichen und behördlichen Versagen in dem ganzen Fall nicht Gegenstand der Ermittlungen. Wie kann es sein, dass der Täter trotz politischer und psychischer ,,Auffälligkeiten‘‘ einen Waffenschein erhalten konnte? Wieso konnte in der Tatnacht die Notrufnummer nicht erreicht werden? Wie kann es sein, dass der Täter sein rassistisches Weltbild ohne Probleme im Internet veröffentlichen konnte? Was hat es mit dem verschlossenen Notausgang im zweiten Tatort auf sich? Vor allem der Frage nach der Rolle rechter SEK-Polizisten in Hanau wurde nach wie vor nicht nachgegangen. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass es weiterhin Fragen gibt, die offen bleiben. Die Aufklärung dieser ungeklärten Hintergründe liegen allerdings in der Verantwortung der hessischen Landesregierung. Doch was können wir von einem Bundesland erwarten, das die NSU Akten jahrelang unter Verschluss hält und eine Offenlegung verwehrt? 

Ein Untersuchungssausschuss im hessischen Landtag möchte diesen offenen Fragen nachgehen und in einigen Sitzungen verdeutlichen, wie widerwärtig mit den Überlebenden und Hinterbliebenen umgegangen wurde. 

Kein Vergessen!

All diese rechten Verbrechen verdeutlichen, dass der Staat keinerlei Interesse daran hat, jene Verbrechen aufzudecken, da es zeitgleich bedeuten würde, gegen sich selbst ermitteln zu müssen. Daher ist es unerlässlich, in unterschiedlichster Form zur Aufklärung beizutragen.

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