Written by 09:16 DEUTSCH

Wohnungsnot in Studistädten: Fehlende Wohnheimplätze und kein bezahlbarer Wohnraum

Güneş Kaplan

In Hessens Universitätsstätten sei die Situation „angespannt“ heißt es in einer Umfrage der Hessenschau. Mehr als 11.000 Menschen sind auf Wartelisten für Studierendenwohnheime und es wird mit noch mehr Bewerbungen zum Semesterbeginn gerechnet. Um das Problem zu lösen, starteten Studierendenwerke in Gießen und Frankfurt Kampagnen, indem sie private Wohnungsvermittlungen anbieten oder bei Privatleuten dafür werben, bezahlbaren Wohnraum an Studierende zu vermieten.

Dass die Situation auf dem Wohnungsmarkt schon lange nicht mehr an die Bedürfnisse der Menschen angepasst ist und unbezahlbarer Wohnraum die Überhand gewinnt, ist nichts Neues und spätestens seit der Corona-Pandemie deutlicher denn je geworden. Studierende mussten ihr Studium abbrechen oder zogen für ihr Studium erst gar nicht um. Und dass die Situation sich von Jahr zu Jahr verschlimmert zeigt, wo die Prioritäten seitens der Politik eben nicht liegen.

So auch in Marburg: Im Schnitt gehen hier 15 Bewerbungen am Tag ein. Derzeit seien zum 1. September 549 und zum 1. Oktober 1185 Menschen auf der Warteliste, Tendenz steigend. Gleichzeitig reicht das BAföG nicht zum Leben und die Lebenserhaltungskosten und Semesterbeiträge sind enorm gestiegen. Aufgrund der Pandemie haben viele Studierende ihre Jobs verloren, mussten sich verschulden und derzeit teilweise in zwei verschiedenen Jobs arbeiten, um all das wieder auszugleichen – und das alles neben dem Studium. Wie also soll es jungen Menschen gelingen, das Studium zu priorisieren, dieses in der Regelstudienzeit abzuschließen, die Regelwohndauer in den Studierendenwohnheimen einzuhalten und eventuell früher auszuziehen? Während also die Stadt Marburg in den letzten Jahren so viel Gewerbesteuer eingenommen hat, wie noch nie und die Gewinne der Unternehmen in einem Fonds über rund 340 Millionen Euro anlegt, werden junge Menschen im Stich gelassen und es wird nicht in den Bau von neuen Studierendenwohnheimen oder den Ausbau von bezahlbarem Wohnraum investiert. Statt also in Soziales zu investieren, folgt auch die Stadt Marburg getreu dem Motto der Bundesregierung, im sozialen Bereich zu kürzen und das Geld in Fonds anzulegen, von der die lernende und arbeitende Jugend am wenigsten profitiert.

In Marburg gab es während der Corona-Pandemie rund 80 wohnungslose junge Menschen, denen nur aufgrund von Protesten und Solidarität unter Studierenden bedingt geholfen werden konnte. Wenn eine Stadt, die sich als Universitätsstadt brüstet, nicht in der Lage ist, für ausreichenden Wohnraum zu sorgen, während einzelne Familien und Immobilienkonzerne auf dem Markt spekulieren und diesen bestimmen, stellt sich die Frage, wie eine so reiche Universitätsstadt ein so großes Armutszeugnis erzeugen kann, während wir dringender denn je bezahlbaren Wohnraum und Investitionen in sozialen Wohnungsbau brauchen und ein BAföG, was zum Leben reicht. Und dabei darf es nicht bei einzelnen Kampagnen bleiben, die alleinig an die Moral von Hauseigentümern anknüpft, denn diese Situation zeigt uns deutlich, dass die Prioritäten und das Handeln der Politik nicht in unserem Interesse liegt und dass es unsere Antwort und unser Handeln sein muss, für unsere Interessen einzustehen.

Close