Written by 14:00 HABERLER

Stigmatisierung von sozialem Wohnungsbau

Özgün Önal

Bezahlbarer Wohnraum ist schwer zu finden. Man müsse in Erwägung ziehen, außerhalb der Stadt zu wohnen, falls die finanzielle Lage es nicht erlaubt, in den Zentren der Ballungsräume zu leben, so die allgemeine Wahrnehmung. Bekanntlich ist das Wohnen in zentraler Lage sehr teuer – vor allem in den Großstädten.

Für viele ist daher das Angebot der geförderten Wohnungen sehr wichtig. Aber umso schwieriger ist es, in einem dieser geförderten Wohnungen zu wohnen.

Das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt hat ermittelt, dass alleine in Frankfurt am Main (eines der Städte mit den teuersten Mieten) 68 % der Einwohner Anspruch auf geförderten Wohnraum hätten. Die Zahl spricht Bände und ist somit aussagekräftig für die gesamte Wohnungspolitik der Stadt. Sehr anders sieht es in vielen anderen Städten auch nicht aus. Und es entstehen trotzdem immer weniger Sozialwohnungen und stattdessen sind immer mehr Einfamilienhäuser am kommen.

„Armut zieht Armut an“

Wenn es aber dann doch wenige Sozialwohnungen gibt, dann in Vierteln mit einem schwachen sozio-ökonomischen Durchschnittseinkommen. Dabei spielt die Frage nach der ethnischen Herkunft meist keine Rolle, obwohl Migranten meist stärker in prekären Wohn- und Arbeitsverhältnissen leben. Das bedeutet im Klaren: ärmere Bevölkerungsschichten konzentrieren sich in bestimmten Gebieten, weil sie es sich aufgrund der Mietpreise nicht aussuchen können, wo sie wohnen. Dies verstärke die soziale Benachteiligung, so verschiedene Untersuchungen zu dem Thema. Doch wem nutzt so eine neue „Ghetto-Debatte“?

Matthias Bernt, Stadtforscher, stellt fest, dass die größte Konzentration von Niedrigeinkommen sich vielmehr in solchen Beständen finden, die in den 1990er und 2000er Jahren privatisiert wurden und jetzt von Unternehmen wie Vonovia, AD Properties oder Deutsche Wohnen verwaltet werden. Nicht der Neubau von Sozialwohnungen treibt also die soziale Entmischung voran, sondern der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Zweitens ist die Gleichsetzung von Konzentrationen unterer Einkommensschichten mit sozialer Desorganisation, Krise und Kriminalität, die sowohl im „Ghetto“- als auch im „Slum“-Begriff mitschwingen, irreführend. Das wesentliche Merkmal eines Ghettos ist seine Funktion als Ort der sozialen Isolation einer stigmatisierten Gruppe, so Bernt.

Ein Ghetto hat die soziale Aufgabe, diese Gruppe der Stigmatisierten von der Mehrheitsgesellschaft fern zu halten. Slums sind Orte baulichen und sozialen Verfalls. In der Regel stellen sie auf Nachbarschaftseffekte ab, also auf die Idee, dass die Bewohner von Quartieren mit sozialen Problemlagen konzentriert auftreten, sich gegenseitig nach unten ziehen. Statt den sozialen Wohnungsbau zu stigmatisieren, wäre die Politik gut beraten, wirksamere Instrumente gegen die Verdrängung von Armen aus der Innenstadt zu entwickeln, und zu überlegen, wie Neubau besser mit der Entwicklung von sozialer und technischer Infrastruktur verbunden werden kann. Irreführende Argumente, Sozialwohnungen abzulehnen, um Ghettos nicht zu fördern, gehen am Kern der Fakten vorbei!

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