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Überlastete Lehrer sollen noch mehr arbeiten

Dilan Baran

Zu viele Schülerinnen und Schüler treffen auf zu wenig Lehrkräfte. Bis 2035 fehlen jährlich rund 1600 Lehrkräfte. Das schätzt ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz und fordert: Lehrerinnen und Lehrer sollen noch mehr arbeiten. Bildungsverbände sprechen von “blankem Hohn”.

Eine Stunde mehr pro Woche, damit der Lehrermangel abgefangen wird: In Sachsen-Anhalts Schulen soll die wöchentliche Arbeitszeit erhöht werden. Die Landesregierung hofft auf spürbare Effekte, die Lehrerverbände sind empört. Künftig soll es Arbeitszeitkonten für Lehrkräfte geben, auf denen sie die sogenannten Vorgriffsstunden ansparen. Die Lehrer können wählen, ob sie sich die Stunden auszahlen lassen oder später im Block als Freizeit nehmen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert die Maßnahme scharf. „Offensichtlich sollen jetzt die Lehrkräfte die unsägliche Personalpolitik der Landesregierung der vergangenen Jahre wegtragen. Diese zusätzliche Stunde ist aus Sicht der GEW Sachsen-Anhalt eine falsche Maßnahme für die ohnehin schon überlasteten Kollegien, die wir nicht akzeptieren“, erklärte die Gewerkschaft. Für den 13. und 14. Februar hat die Gewerkschaft zu Kundgebungen nach Magdeburg und Halle aufgerufen.

Die Überlegungen gehen aber über Sachsen-Anhalt hinaus, die mit einer Stunde mehr ohnehin den darüber hinaus bundesweiten Standard einführen würden. Jetzt wird die Flüchtlingszuwanderung als Erklärung für Personalmangel und mehr Arbeit ausgenutzt. Dass z.B. in Baden-Württemberg Wohlstandeinbußen drohen, wird Kretschmann (Grüne) schon seit Beginn des Ukraine-Kriegs nicht müde zu betonen. Jetzt wurde er konkret: „Vielleicht müssen wir mehr arbeiten.“

„Wenn alle Lehrer in Teilzeit eine Stunde länger arbeiten würden“, so hatte Kretschmann bei der Bundeskonferenz „laut nachgedacht“ „hätte ich 1000 Lehrer mehr, die ich dringend brauche“. Denn an den Kitas und Schulen im Land, wo ohnehin Personal fehlt, müssen auf einen Schlag tausende von ukrainischen Flüchtlingskindern zusätzlich untergebracht werden.

Knapp 40 Prozent der insgesamt 702.000 Lehrkräfte an Deutschlands Schulen haben im Schuljahr 2020/2021 in Teilzeit gearbeitet.

Befragt man diese, begründen sie diese Entscheidung mehrheitlich damit, dass sie mit einer Vollzeitstelle überlastet und total ausgelaugt sind. „Viele Kolleginnen arbeiteten deshalb nur noch Teilzeit“, erzählt eine Kollegin „auch die ganz jungen“.

Der Lehrermangel bei zunehmend mehr Schülern wird seit Jahren bemängelt und vorausgesagt. Attraktiver wurden die Arbeitsbedingungen nicht. Jetzt sollen schnelle Lösungen her, die Lehrer und Schüler mit mehr Belastung und schlechten Lern- und Erziehungsbedingungen zahlen müssen, denn neben der Begrenzung der Teilzeit sollen auch die Klassengrößen abermals vergrößert werden.

Das Problem des Lehrkräftemangels wird aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben”, verkündet die Kultusministerkonferenz dennoch eben mal so in ihrer Stellungnahme.

Marode Schulen, ungenügend Ausstattung, Lehrermangel, zu große Klassengrößen und zu kleine Klassenzimmer. Die Verkümmerung des Schulwesens wird in der Zukunft mehr Eltern dazu bewegen ihre Kinder an private Schulen zu schicken. Damit wird wie über die Privatisierung des Gesundheitswesens, auch das allgemeine Bildungswesen für Unternehmer attraktiv gemacht und weiter privatisiert. Die Grundsteine für eine Zweiklassenbildung werden damit weiter ausgebaut.

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