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ver.di hat die Urabstimmung für die 160.000 Streikenden der Post AG eingeleitet

Özgün Önal

In den 1980er-Jahren gab es in der alten Bundesrepublik noch rund 29.000 eigene Postfilialen und Postämter. Seit 2012 betreibt die Post keine hauseigenen Zweigstellen mehr, dafür entstanden 13.000 private Postagenturen, die meistens in den Räumen kleiner Tante-Emma-Läden, Tankstellen, Kiosken und Supermärkten als Verkaufsstellen eingerichtet wurden. Die Maßnahme sparte gegenüber einer eigenen Filiale 60 Prozent an Kosten ein. Die Filialen standen von Anfang an im Wettbewerb, umrahmt von Rankings und Prämien. Die Devise lautete nur noch: Kosten sparen, Umsatz steigern und Gewinn maximieren.

Die Deutsche Post zählt zu den Krisengewinnern, sie schloss das Geschäftsjahr 2021 mit einem Rekordergebnis von 8,4 Milliarden Euro ab. Dafür hat der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Frank Appel, der im Jahr mehr als 10 Millionen Euro (eines der höchsten Gehälter aller Vorstände in Deutschland) ausgezahlt bekommt, ausdrücklich auch den „engagierten Beschäftigten“ gedankt. Ein Zusteller der Post müsste, um auf das Jahresgehalt von Appel zu kommen, mehr als 300 Jahre arbeiten. Nun fordern die Postbeschäftigten eine Lohnerhöhung von 15 Prozent, eine Erhöhung der Vergütung der Auszubildenden und dual Studierenden um 200 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Damit soll nicht nur die zeitweise zweistellige Inflation ausgeglichen werden, sondern auch den Beschäftigten ein Anteil an den steigenden Gewinnen des Unternehmens gesichert werden.

Mitte Januar 2023 fanden die ersten bundesweiten Streiks statt, die zeigen, dass die Beschäftigten sich ihrer Stärke bewusst und nicht mehr bereit sind, die Situation weiter hinzunehmen. Die Auswirkungen bekommen die Kunden der Post jeden Tag vor Augen geführt, auch weil in den vergangenen Jahren die Sendungsmenge deutlich stärker zugelegte, als die Zahl der Beschäftigten.

In den vergangenen Wochen hatte ver.di mit Warnstreiks den Druck in den Tarifverhandlungen erhöht, Millionen von Sendungen konnten wegen der Arbeitsniederlegungen erst verspätet zugestellt werden. Die Post lehnt die Forderung der Gewerkschaft als wirtschaftlich nicht darstellbar ab und warnt vor einem Arbeitsplatzabbau, sollten die Personalkosten zu stark steigen. Subunternehmer, die bisher nur eine Nischenrolle spielen beim «Gelben Riesen», könnten künftig stärker eingesetzt werden, heißt es aus dem Management.

Nach Scheitern der Tarifverhandlung begann ver.di am 20. Februar eine bis zum 8. März laufende Urabstimmung bei dem Bonner Konzern, in der über einen unbefristeten Streik entschieden werden soll.

Eine Urabstimmung wird von Gewerkschaften eingeleitet, wenn die Tarifverhandlungen scheitern und es zu keinem zufriedenstellenden Angebot seitens des Arbeitgebers kommt. Die Urabstimmung ist eine Abstimmung der ver.di-Mitglieder bei der Deutschen Post AG; sollten mehr als 75 Prozent der Befragten das Angebot ablehnen, wird ver.di unbefristete Arbeitskampfmaßnahmen einleiten.

Das Ergebnis der Urabstimmung soll am 9. März bekanntgegeben werden.

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