Written by 15:00 HABERLER

Bilanz des Jahres 2022: Krieg in der Ukraine – Militarisierung in Deutschland

Was Bundeskanzler Olaf Scholz als „Zeitenwende“ bezeichnete, kam für die (deutschen) Rüstungskonzerne gerade recht: nachdem die russische Armee am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, begann sie einen Krieg, der bis heute andauert. Während Tausende gestorben und Millionen auf der Flucht sind, treiben die Kriegsparteien und deren Unterstützer, wie die USA, China oder die EU-Staaten, den Kampf um ihre eigene Vormachtstellung in der Region weiter an. Diese allgemeine Kriegsstimmung wurde im letzten Jahr auch in Deutschland verbreitet. Die  oft einseitig antirussische, medial angeheizte Stimmung drehte sich fast ausschließlich darum, welche Waffen in die Ukraine geschickt werden  sollen und nicht darum, wie möglichst schnell Frieden geschlossen werden kann. Man muss die russische Aggression klar benennen, aber durch Waffenlieferungen an die Ukraine wird man keinen Frieden erbomben können! Das war eigentlich von Anfang an klar. Die Zustimmungswerte für Waffenlieferungen sind zwar in den vergangenen Monaten in der deutschen Bevölkerung wieder gesunken, aber mit 48 % sind sie immer noch sehr hoch. Der Krieg hat bei Waffenkonzernen für Rekordgewinne gesorgt, sowohl durch die Waffenlieferungen, als auch dadurch, dass der Krieg genau die richtige Gelegenheit bietet, um auch in Deutschland massiv aufzurüsten. Während die Lage für die Werktätigen immer prekärer wird, werden Milliarden in Form des sogenannten „Sondervermögens“ und mit dem 2 % Ziel der NATO in Rüstung investiert. Dass die Friedensbewegung in Deutschland schwach und zerstritten ist, nimmt ihr in vielerlei Hinsicht den Handlungsspielraum. Wo in den 2000`er Jahren zu Beginn von Kriegseinsätzen, wie z.B. in Afghanistan oder gegen den Irak, noch Hunderttausende auf die Straßen gegangen waren, konnten sich große Proteste nach Kriegsbeginn in der Ukraine nicht dauerhaft halten. Die Notwendigkeit einer starken Friedensbewegung ist dabei umso größer, weil vieles jetzt schon darauf hindeutet, dass militärische Auseinandersetzungen in der Zukunft weiter zunehmen werden.

Ein Jahr Ampel – viele kosmetische Korrekturen

„Mehr Fortschritt wagen“ war der Titel des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Grüne und FDP. Während nach außen hin vieles als Fortschritt verkauft wird, zeigt die Bilanz des ersten Regierungsjahres der Ampelkoalition jedoch mehr Schein als Sein. Das lange angekündigte Bürgergeld ist nichts anderes als Hartz-IV, nur mit einem neuen Anstrich. Niedrige Einkünfte, ein übergreifender Niedriglohnsektor, der trotz Arbeit arm bleiben lässt und zu Aufstockung zwingt, Sanktionen bei Ablehnung von unzumutbaren Jobs usw. bleiben alle bestehen. Wie Menschen mit dem Bürgergeld in Würde Leistungen beziehen sollen, bleibt fraglich.

Ebenso betrachten Experten die vor kurzem angekündigte Krankenhausreform als unzureichend und kosmetische Augenwischerei. An dem Grundprinzip, Patienten mit möglichst niedrigen Kosten bei maximaler Gewinnmarge schnell abzufertigen, ändert sich nichts. Stattdessen sollen Krankenhäuser in Level eingeteilt werden und dementsprechend Leistungen und Eingriffe durchführen dürfen. Besonders im ländlichen Raum, wo Krankenhäuser mittlerweile dünn gesät sind, bedeutet das für viele Menschen eine fehlende Versorgung.

Nicht zuletzt lässt der Fortschritt trotz prunkvoller Schlagwörter auf sich warten. Stattdessen wird Energie von rückständigen Staaten gekauft, mehr Geld in die Rüstung gesteckt und an Sozialem gespart.

Die Auswirkungen der Inflation

Die durchschnittliche Inflation in Deutschland liegt aktuell bei 10,1 % und das spüren die Beschäftigten am ganzen Leibe. Nahrungsmittel, Gas, Strom und Benzin, praktisch alle Güter des täglichen Bedarfs, sind auf einem Hoch, das sich viele Menschen nicht mehr leisten können. Da helfen auch die Entlastungspakete der Bundesregierung herzlich wenig, wobei  Finanzminister Lindner ja für das kommende Jahr auch kein Budget mehr frei geben möchte. Während Eingriffe in den „freien Markt“ bisher nicht erwünscht waren, werden die Kosten der Energiekonzerne und die zusätzlichen Lasten, auf die Steuerzahler abgewälzt, anstatt sie durch Preisregelungen oder Gewinnsteuern von den Nutznießern der Energiekrise einzufordern. Auch wenn nach monatelanger Diskussion nun eine Preisdeckelung folgen soll, ist sie nicht ausreichend und zu spät, da viele an der Hunger- oder Kleinunternehmer an der Existenzgrenze angekommen sind. Forderungen nach höheren Löhnen werden von der Politik mit Floskeln nach solidarischer, „konzertierter“ Aktion und dass alle im gleichen Boot sitzen würden, abgewürgt. Dass wir, wie bereits schon zuvor bei Corona, nicht im gleichen Boot sitzen, sehen wir spätestens daran, wer am stärksten von den Preissteigerungen betroffen ist: Das sind die, die von vornherein schon wenig hatten: junge Menschen, (alleinerziehende) Frauen und diejenigen, die im Niedriglohnsektor arbeiten. Die, die ohnehin den größten Teil ihrer Einkünfte für Miete und Lebensmittel ausgeben und jetzt vor dem Ruin stehen. Umso zynischer wirken Diskussionen in der letzten Zeit. So z.B. die von FDP, Union und AfD vorgebrachten „Bedenken“ bei der Einbürgerung. Man wolle ja nicht, dass in die Sozialsysteme eingewandert werden soll. Dass für die Einbürgerung weiterhin ein bestimmtes Einkommen nachgewiesen werden soll, zeigt einmal mehr, dass es hier nur um den Schein geht. Oder wenn über „Schonvermögen“ im Zusammenhang mit Bürgergeld gesprochen wird, während in der Wirklichkeit Menschen mit knapp 450 Euro im Monat klarkommen müssen. Oder wenn auf die Angst im Winter frieren zu müssen, entgegnet wird, man solle einfach einen Pullover anziehen, statt die Heizung anzumachen. Das alles betrifft kaum diejenigen, die sich grade dank der steigenden Energiekosten usw. eine goldene Nase verdienen.

Was uns 2023 erwartet: weitere Kämpfe!

All diese Probleme gehen aber selbstverständlich nicht ohne Widerstand an uns vorbei. Auch wenn die Friedensdemonstrationen nicht von Dauer waren und die dezentralen Demonstrationen u.a. veranstaltet von ver.di im Oktober in sechs Städten hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, gibt es ein paar Ereignisse, die es hervorzuheben gilt. Die Jugend wehrt sich gegen die aktuelle Politik. Beim globalen Klimastreik im September 2022 waren 280.000 Menschen in ganz Deutschland auf den Straßen. Forderungen waren u.a. ein Sondervermögen für den Umweltschutz und die dauerhafte Einführung des Neun-Euro-Tickets.

Was einen Vorgeschmack auf das nächste Jahr geliefert hat, waren die Tarifauseinandersetzungen in der Metall- und Elektrobranche. Während das Ergebnis keinesfalls zu bejubeln ist, muss deutlich gemacht werden, dass 900.000 Metallerinnen und Metaller auf den Straßen waren und sich an den Streikaktionen beteiligt haben. 2023 stehen u.a. Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst und bei der Post an. Diese werden kämpferisch verlaufen und müssen solidarisch begleitet werden.

Die Entwicklungen machen deutlich, dass sich die Situation in Deutschland und weltweit für die Werktätigen zuspitzen wird, umso wichtiger sind gemeinsame Kämpfe gegen Armut, Krieg und Ausbeutung.

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