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BSW: Erster Parteitag, erste politische Verortung

Eren Gültekin

Die Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ (kurz: BSW), die sich am 8. Januar gegründet hat, hielt ihren ersten Parteitag am 27. Januar in Berlin ab. Anlass hierfür war die Wahl des erweiterten Parteivorstandes, der Europawahl-Kandidatenliste sowie die Verabschiedung des Europawahlprogramms. Die Partei BSW selbst spricht von einem enormen Andrang von bis zu tausenden Mitgliedsanträgen, die vor ihnen liegen. Zunächst möchte man in Ruhe erst Landesverbände aufbauen, zumal in diesem Jahr auch die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg anstehen.

Europawahlprogramm einstimmig angenommen

Die erste Herausforderung, der sich Wagenknecht und ihre Partei stellen müssen, sind die Europawahlen am 9. Juni. Hierfür wurden 20 Kandidaten für die Europawahlliste aufgestellt. Der bereits zuvor gewählte Parteivorstand hatte einen inhaltlichen Entwurf erarbeitet. Das 25-seitige Europawahlprogramm ist somit auch eine erste ausführliche Verortung der Partei. Bis dato waren die meisten Kritiken eher auf Aussagen und Interviews bezogen, größtenteils gezielt auf die Person Wagenknecht. Eine Kritik an einem politischen Programm, das die Positionierung der gesamten Partei darlegt, hat von nun an ein berechtigteres Gewicht. Zumal das Europawahlprogramm des BSW auch noch einstimmig angenommen wurde. In diesem sind vor allem die drei Bereiche Friedenspolitik, Wirtschaft und Migration bestimmend.

In ihrer Friedenspolitik fordern sie als Partei eine „grundlegende Neuausrichtung der EU“, eine Politik der Abrüstung und Diplomatie, anstatt einer Fortführung der militärischen Aufrüstung. Es wird darauf hingewiesen, dass die EU, statt sich in Konflikte verwickeln zu lassen, eine Politik der Entspannung, des Interessenausgleichs und der internationalen Zusammenarbeit verfolgen sollte. Dabei wird angestrebt, eine neue europäische Friedensordnung zu schaffen, die langfristig auch Russland miteinbezieht. Eine solche Politik soll es Europa ermöglichen, eine unabhängige Rolle in der globalen Arena einzunehmen und nicht zwischen den rivalisierenden Mächten USA und China zerrieben zu werden. Im Kontext des Ukraine-Konflikts wird gefordert, dass die EU sich für einen Waffenstillstand einsetzt und Friedensverhandlungen initiiert. Zudem soll der Waffenexport in die Ukraine gestoppt werden, um die Bereitschaft Russlands zu Friedensverhandlungen zu fördern. Des Weiteren wird betont, dass die EU eine unparteiische und diplomatische Vermittlerrolle in internationalen Konflikten einnehmen sollte.

Beim Punkt Wirtschaft ist das BSW der Auffassung, dass es eine gerechte Handelspolitik geben müsse. Die EU, besonders Deutschland als exportstarkes Land, soll stabile Handelsbeziehungen mit vielen Ländern pflegen, um Rohstoffe und günstige Energie zu sichern. Die EU brauche gute Beziehungen zu den USA und China, um ihren wichtigsten Handelspartner, China, nicht zu verlieren. Zudem werden Handelsabkommen, wie TTIP, CETA und TiSA, abgelehnt, die multinationalen Konzernen Vorteile bringen und Ungerechtigkeit im globalen Süden verstärken würden. Stattdessen sollen regionale Märkte und Ernährungssouveränität gefördert werden. Diesbezüglich fordern sie „stabile und faire Handelsbeziehungen“, um die Versorgung mit Rohstoffen und günstiger Energie gewährleisten, ohne die Handelspartner zu benachteiligen. Eine Reform der EU-Handelspolitik, damit Handelsabkommen nicht zu unfairem Wettbewerb für europäische Hersteller durch niedrige Sozial- und Umweltstandards führen.

Bezüglich der oft kritisierten Haltung zur Migration wird im Programm Folgendes beschrieben: Es soll eine EU-Politik geben, die darauf abzielt, die illegale Migration zu stoppen und gleichzeitig die Perspektiven in den Herkunftsländern der Migranten zu verbessern. Betont wird, dass Krieg, Gewalt und politische Verfolgung in vielen Ländern eine traurige Realität sind und dass Menschen, die aus solchen Gründen fliehen müssen, ein Recht auf Asyl haben. Die EU sei mit einem massiven Anstieg von Geflüchteten und Zuwanderern konfrontiert. Durch die gefährlichen Fluchtrouten über das Mittelmeer habe dies viele Menschenleben gefordert. Dennoch sei Migration allein nicht die Lösung für die Probleme von Armut und Ungleichheit in der Welt. Zuwanderung und kulturelle Vielfalt seien für die Zielländer eine Bereicherung, jedoch müssten die Integrationskapazitäten vor Ort berücksichtigt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass in einigen Ländern islamistisch geprägte „Parallelgesellschaften“ entstanden sind, die Probleme mit der Integration haben. Die Reduzierung der Flucht- und Migrationsursachen durch eine Neuausrichtung der EU-Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, um die Bedingungen für wirtschaftliche Entwicklung in den Herkunftsländern zu verbessern, wird als Antwort gefordert.

Sozialer als die Sozialdemokraten

Auf den ersten Blick scheint das Projekt, das mehrheitlich von den alten Mitgliedern der Linkspartei getragen wird, den Anschein zu erwecken, dass es fortschrittlicher sei. Jedoch hat es mehrheitlich im Programm nur einen sozialeren Anstrich, als die etablierten Parteien, sowie die Linkspartei. Ja, in der Friedensfrage, konkret gegen Waffenexporte zu sein und auf Friedensverhandlungen zu setzen, hebt BSW von allen anderen ab. Jedoch kann es dennoch nicht den Ausweg für die Werktätigen, Frauen und Jugendlichen geben. Eben, weil sie nicht dieses Interesse verfolgt. Wagenknecht und ihre loyalen Mitstreiter führen meist die Probleme auch nur auf die Inkompetenz der Politiker zurück, verdecken aber, dass dieses ausbeuterische System die Ursache für die Probleme im Kern ist und nicht nur eine falsche Politik. Auch sprechen sie zwar von Konzernen, jedoch auch hier mit der Illusion einer Verdeckelung und Reformen als Ausweg. Ihre Antwort ist ein sozialerer Anstrich und nur der Versuch, alle Menschen von allen Seiten abzufangen, was aber danach passieren sollte, bleibt aus. Denn de facto wird das Augenmerk nur darauf gelegt, dass die Interessen der Kleinen durch das Wählen des BSW gewährleistet werden. Es ist eine Halluzination zu glauben, dass es im Kapitalismus eine gerechte Handelspolitik geben kann, die fair sein könnte, wie im BSW-Programm beschrieben. Allein die Forderung nach mehr nationaler Souveränität und das Streben als ein Akteur, der nicht abhängig von den USA sein solle, zeigt, dass es nur darum geht, sich dem Teil des deutschen Kapitals anbieten zu wollen, der aktuell nicht durch die Politik der Herrschenden profitiert.

Fazit: Sie hat das Potenzial, eine bessere SPD zu sein, somit die sozialen Probleme anzuprangern. Jedoch mit der illusionären Verbreitung, dass eine Korrektur der Wirtschaftspolitik die Ursachen lösen könnte. Bezüglich der Migrationspolitik, aufzuzeigen, warum die Menschen flüchten und als Antwort für wirtschaftliche Entwicklung in den Herkunftsländern zu plädieren, verdeutlicht auch, dass man kein ehrliches Interesse hat, dieses Problem schnellstmöglich zu lösen.

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