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Das Alleinstellungsmerkmal

Ahmet YAŞAROĞLU

Das anstehende Referendum weist ein Alleinstellungmerkmal auf, welches sich von den früheren Referenden und Wahlen grundlegend unterscheidet. Das von AKP, Erdoğan und MHP ins Spiel gebrachte Verfassungsreferendum zielt unmittelbar auf einen Regimewechsel ab und der Staat, die Regierung und die Medien rufen die Bürger auf, diesem Regimewechsel zuzustimmen. Gewünscht ist also die Zustimmung zur Diktatur eines Ein-Mann- und Einparteiensystems. Dies ist das Alleinstellungsmerkmal, das hier dick zu unterstreichen ist. Das Los des Landes und der gesamten Bevölkerung soll in die Hände eines einzelnen Mannes gelegt werden.

So wurde auch über die Verfassung vom 12. September bei einem Referendum abgestimmt. Diese Verfassung lag allerdings einem bereits vorhandenen Regime zugrunde und sollte bestätigt werden. Die Putschisten wussten damals, dass sie durch einen Putsch an die Macht gekommen sind und waren darum „bemüht“, den Nachweis für den Umstand zu erbringen, dass es sich bei ihrer Herrschaft um ein „Provisorium“ handelt. Die von ihnen etablierten Verfassungsstrukturen wurden im Laufe der Zeit durch die Opposition der Arbeiter- und Volksbewegung da und dort untergraben. Die später vorgenommenen Änderungen hatten einen eher kosmetischen Charakter.

Dagegen waren der Kampf für eine demokratische Verfassung sowie die Forderung der Kurden nach Freiheit stets an der Tagesordnung. Diese Kämpfe wiesen zwar ein ständiges Auf und Ab auf, allerdings wurde in dieser Ära keine demokratische Verfassung konstituiert. Nur dank dem Druck der Volksbewegung konnten demokratische Rechte und Freiheiten teilweise in Anspruch genommen und ein Defacto-Zustand erreicht werden.

In diese Ära fallende Wahlen waren dadurch gekennzeichnet, dass etablierte Parteien ihre auf Lügen basierenden Versprechungen machten, es sollte sich jedoch alles im Rahmen des vorhandenen Regimes abspielen, dessen Grenzen höchstens hier und da etwas verschoben werden sollten. Auch wenn ab und zu der Wunsch nach einem Wechsel zum Präsidialsystem geäußert wurde, zielte er nicht auf Bestrebungen nach Errichtung einer Diktatur ab, wie wir es heute erleben.

Der Inhalt der zur Abstimmung stehenden Verfassungsänderung ist inzwischen weiten Teilen der Bevölkerung. Im Zentrum der Diskussionen darüber steht die offensichtliche Tatsache, dass mit den Änderungen ein Verfassungssystem, das durch die Diktatur eines Einzelnen und seiner Partei gekennzeichnet ist, eingerichtet und somit ein Regimewechsel herbeigeführt werden soll. Kein einziger Einwand aus dem Ja-Lager kann darüber hinwegtäuschen.

In diesen Tagen kurz vor dem Referendum erkennen immer mehr Menschen, dass es lebenswichtig ist, die Verfassungsänderung abzulehnen. Auch wenn es im Ja-Lager Kreise gibt, die man nicht umstimmen kann, ist deutlich zu sehen, dass viele, die mit Ja stimmen wollen, in sachlichen Diskussionen überzeugt werden können. Auch die Führung des Landes ist sich dessen bewusst und verstärkt ihre Provokationen. Die offene Drohung des Innenministers an die Kurden ist nur ein Beispiel dafür.

Man sollte jedoch eines nicht vergessen: die Kämpfe für Demokratie und Freiheiten werden stärker und immer mehr Menschen erreichen. Die reaktionären und faschistischen Herrschaften werden zum Schluss erkennen müssen, dass die Diskussionen und der Einsatz für die Ablehnung der Verfassungsänderung nicht umsonst waren.

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