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Türkei: Arbeitsministerium verhängt hohe Geldstrafe gegen kämpferische Gewerkschaft BIRTEK-SEN!

Mahir Sahin/ Neues Leben

Das Arbeitsministerium hat in einem skandalösen Beschluss der “Vereinten Textil- und Lederarbeitergewerkschaft” (BIRTEK-SEN), eine Geldstrafe von 1,5 Millionen Türkische Lira verhängt (Umgerechnet ca. 50.000 Euro). “Dies ist ein Angriff auf unsere Gewerkschaft, man bestraft uns, weil wir prekäre und unmenschliche Arbeitsbedingungen in der Türkei verhindern wollen. Wir kämpfen mit unseren Gewerkschaftsmitgliedern um katastrophale Arbeitszustände wie in Bangladesch zu verhindern, diese Zustände wollen wir nicht in der Türkei haben!” sagte Mehmet Türkmen, Vorsitzender der BIRTEK-SEN in einer ersten Erklärung.

Als Grund für die hohe Geldstrafe gibt das türkische Arbeitsministerium den massenhaften Gewerkschaftsübertritt der Belegschaft von der Öz-Iplik-Is zur Basisgewerkschaft BIRTEK-SEN an. Die Gewerkschaft BIRTEK-SEN habe laut Arbeitsministerium die Arbeiter vom Textilbetrieb ÖZAK am Standort in der Stadt Urfa an einem Gewerkschaftsübertritt gezwungen. 545 von den 757 Arbeitern aus dem Werk Urfa waren zur BIRTEK-SEN gewechselt. Die Öz-Iplik-Is gehört zur AKP-nahen islamischen Arbeiterkonföderation HAK-IS an. Seit 7 Jahren war die Öz Iplik-IS, die zuständige Gewerkschaft bei ÖZAK, die Beschäftigten hatten in den letzten Jahren immer wieder versucht, in eine andere Gewerkschaft zu wechseln, die sich wahrhaftig für die Interessen der Beschäftigten einsetzt. Doch der Arbeitgeber konnte das (bis November 2023) zusammen mit Hilfe der Öz-Iplik-Is immer wieder verhindern. ÖZAK produziert Textilien für Levi`s, Zara und Hugo Boss. Hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter aus der Fabrik hatten 80 Tage für gewerkschaftliche Rechte und gegen Massenkündigungen gestreikt. Auch international kam es zu einem weltweiten Aktionstag von den Levi`s Stores. Die Solidarität war enorm, aber die Repressionen gegen die streikenden Arbeiter war extrem, sie wurden von Polizeikräften zusammengeschlagen, verhaftet, jegliche Versammlungen der Arbeiter in der Stadt Urfa und vor der Hauptzentrale in Istanbul wurden verboten. Es gab am Ende für die Arbeiter ein Teilerfolg, die Entlassungen wurden zwar nicht zurückgenommen aber 376 Arbeiter bekamen nach den 80 Tagen Arbeitskampf außergerichtliche Abfindungen.

Unhaltbare Arbeitsbedingungen bei ÖZAK

Die Beschäftigten berichteten den Gewerkschaftern von BIRTEK-SEN von einer Arbeitszeit bis teilweise bis zu 18-20 Stunden pro Arbeitstag. Laut den Beschäftigten gehörten Bossing, Drohungen und Belästigungen gegenüber weiblichen Beschäftigten zum Alltag in der Fabrik. Die Arbeiter bekommen nur den gesetzlichen Mindestlohn (Liegt knapp über der Hungersgrenze).

Gegen diese schlechten Arbeitsbedingungen haben sich 500 von den 700 Beschäftigten entschieden von der Öz Iplik-Is zur progressiven kleinen Gewerkschaft BIRTEK-SEN zu wechseln um sich dort zu organisieren und die unhaltbaren Zustände zu verändern. Dies geschah ab November 2023. Ab November 2023 also den Wechsel hunderter Mitglieder zur BIRTEK-SEN gab es noch stärkere Repressionen auf die Gewerkschaftsmitglieder.

Nachdem dann eine Gewerkschaftsaktivistin aufgrund Gewerkschaftsmitgliedschaft in der BIRTEK-SEN entlassen wurde, solidarisierten sich knapp 450 Beschäftigte mit der Kollegin und traten spontan in den Arbeitskampf.

Die streikenden wurden mehrmals Verhaftet, es gab schwere Gendarmerie-Einsätze gegenüber den streikenden, wo es zu etlichen Verletzungen auf Seiten der streikenden Beschäftigten kam.

Der Arbeitskampf ist letztendlich beendet worden. Und es gab, wie oben erwähnt, außergerichtliche Abfindungen, aber die Streikenden, 376 an der Zahl, haben ihren Arbeitsplatz verloren.

24 Kolleg*innen führen noch Kündigungsschutzklagen. “Die finanzielle Lage der Familien der Arbeiterinnen und Arbeiter ist sehr schlecht, viele bekommen in der Stadt keine Arbeit mehr, weil sie aufgrund der Streikbeteiligung auf einer Liste der Arbeitgeber aufgelistet sind”, so der Vorsitzende der BIRTEK-SEN Mehmet Türkmen in einem Telefongespräch gegenüber unserer Zeitung. Etliche Gewerkschaften haben sich schon mit der BIRTEK-SEN solidarisch erklärt, man bereitet sich auf gemeinsame Protestaktionen vor.

BIRTEK-SEN: Dieser Angriff ist ein Angriff auf alle Beschäftigten die sich gegen ausbeuterische Verhältnisse widersetzen!

In euner ersten Erklärung schreibt die Gewerkschaft BIRTEK-SEN: “Die Gewerkschaften, die tatsächlich für bessere Arbeits-und Lebensbedingungen kämpfen, werden von dieser skandalösen Entscheidung auch zukünftig betroffen sein, man nimmt den progressiven Gewerkschaften die Möglichkeit zu existieren, man versucht sie finanziell zu zerschlagen. Das Arbeitsministerium greift die gesamte Gewerkschaftsbewegung in der Türkei an. Wir werden uns mit den anderen progressiven Gewerkschaften dagegen wehren. Solch ein Einschnitt, der einmalig ist in der Geschichte der Gewerkschaften, ist ein weiterer Schritt, um Gewerkschaftsrechte und die freie Betätigung der Gewerkschaften in den Betrieben zu verhindern. Das Recht sich frei für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft zu entscheiden wird aufgehoben. Das werden wir nicht hinnehmen”.

Solidaritätserklärungen kann man an folgende Email schicken: birlesiktekstilsendikasi@gmail.com

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