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Deutschland ist aus der Atomenergie ausgestiegen

Baris Ege Dönmez

Mitte April wurden die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland gemäß Atomgesetz abgeschaltet und sind vom Netz gegangen. Der Atomausstieg ist damit vollzogen und nach 62 Jahren ist die Atomenergie in Deutschland Geschichte.

Am 30.06.2011 hatte der Bundestag mit einer breiten, parteiübergreifenden Mehrheit den Ausstieg aus der Atomenergie entschieden und damit den Weg für ein geordnetes Ende der Hochrisikotechnologie in Deutschland freigemacht. Ausgelöst war dies durch die Nuklearkatastrophe in Fukushima am 11. März 2011, welche weltweit eine Debatte um die Nutzung von Atomkraft in Gang setzte.

Die Gefahren von Atomkraftwerken

Die Atomkraft ist die vielleicht umstrittenste Technologie zur Energiegewinnung und hat sowohl seine Befürworter als auch seine Gegner. Auf der einen Seite ist Uran ist ein Brennstoff mit hoher Energiedichte. Atomkraftwerke produzieren daher große Mengen an Energie und können eine hohe Energieproduktion gewährleisten. Sie liefern konstant und planbar große Strommengen ohne Schwankungen und das unabhängig von Naturbedingungen und Marktpreisen. Für manche gilt Atomkraft sogar als wichtige Brückentechnologie im Kampf gegen Luftverschmutzung und Klimawandel, da sie im Vergleich zu fossilen Brennstoffen wie Kohle, Gas und Öl weitgehend emissionsfrei ist und daher nicht zum Treibhauseffekt beiträgt. Bei der Energiegewinnung entsteht Wasserdampf und nur geringe Mengen an Gasen wie Kohlenstoffdioxid. Der Platz- und Landbedarf für die Werke sind überschaubar.

Auf der anderen Seite handelt es sich um eine Hochrisikotechnologie und von Atomkraftwerken geht ein starkes Risiko aus. Bei einem Unfall können AKWs zu schwerwiegenden Katastrophen führen und die Reaktorkatastrophen Tschernobyl und Fukushima haben das verheerende Ausmaß der Folgen gezeigt. Bei Funktionsstörungen, Erdbeben und andere Naturkatastrophen (welche mit dem Klimawandel häufiger als in der Vergangenheit vorkommen werden), aber auch bei Anschlägen stellen AKWs somit eine große Gefahrenquelle dar. Die Entstehung und Lagerung des radioaktiven Abfalls ist das größte Problem bei AKWs. Radioaktive Abfälle haben sehr lange Halbwertszeiten. Die Halbwertszeit ist die Zeit, die erforderlich ist, damit die Hälfte des radioaktiven Materials zerfällt und somit auch die Hälfte ihrer Radioaktivität verliert. Der immer wieder vorgeschobene Argument, der Betrieb und die Wartung von Kernkraftwerken sei billiger als bei Gas und Kohle gilt nur für die Betreiber, die die staatlichen Zuschüsse nicht als Ausgaben einrechnen.

Der Bau von Atomkraftwerken ist sehr teuer und es gibt immer wieder Verzögerungen und Kostenüberschreitungen. Als Beispiel muss man sich nur die Nachbarländer England und Frankreich anschauen, bei denen aktuell Kernkraftwerke gebaut werden. Der Bau des AKWs Hinkley Point in England zum Beispiel kostet jetzt schon über 30 Milliarden Euro und der Starttermin wurde zuletzt auf frühestens Mitte 2027 verschoben. Auch der Uranabbau verursacht Umweltschäden und kann der Natur und Gesundheit schaden. Beim Abbau des Urans entstehen nämlich gewaltige Mengen radioaktiv strahlenden Abraums. Außerdem müssen für die Weiterverarbeitung des Uranerzes aggressive Chemikalien verwendet werden, die Gewässer und Böden der Region werden zusätzlich mit Schwefelsäure, Quecksilber, Arsen und weiteren Chemikalien belastet. Arbeiter erkranken häufig an Lungenkrebs und Leukämie.

Ist die Energieversorgung in Deutschland gefährdet?

Die Bundesnetzagentur gibt an, dass die Versorgungssicherheit von Strom nicht gefährdet sei. Der Anteil der Stromversorgung aus der Kernenergie betrug 2022 in Deutschland zuletzt 6%. Die Energiekrise war insbesondere im vergangenen Winter eine große Herausforderung. Das Risiko dafür dürfte im nächsten Winter jedoch deutlich geringer sein. Da aufgrund der Klimakrise die erneuerbaren Energien ohnehin ausgebaut werden müssen, wird der Bedarf an Atomstrom mit den Jahren immer geringer werden. Der Mix aus Erneuerbaren und Atomkraft ist ohnehin sehr schwierig, da tagsüber die Solarkraft 100% der Stromversorgung ausmacht und die AKWs somit tagsüber abgeschaltet und abends wieder eingeschaltet werden müssten, was technisch nicht realisierbar ist. Ein plötzlicher Stopp des Reaktors kann durch den Druckabfall im Kühlsystem zu einem schnellen Temperaturanstieg führen, welche eine Kernschmelze auslösen kann, die bekanntermaßen die Sicherheit der Anlage gefährdet.

Auswirkungen des Atomausstiegs auf die Arbeitsplätze

Die letzten drei AKWs sind nun abgeschaltet und dem Atomgesetz folgend konzentrieren sich die Unternehmen auf den Rückbau der Anlagen. Der Atomausstieg wird direkte Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation in der Atomenergieindustrie haben, doch da er schon vor über zehn Jahren beschlossen wurde und das Datum dafür auch festgelegt war, haben sich die Beschäftigten weitgehend darauf vorbereiten können. Ein Teil wird weiterhin bis zum Ende des Rückbaus, der voraussichtlich bis 2040 dauern wird, benötigt, und ein weiterer Teil hat sich schon bereits in anderen Branchen niedergelassen. Wichtig ist nun, dass man den übrigen Arbeitern Umschulungsmöglichkeiten bietet, damit sie z.B. bei den erneuerbaren Energien beschäftigt werden können. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie könnten durch den Ausbau erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 etwa 230.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen. Bereits bis 2030 kann den Autoren zufolge die Mehrbeschäftigung auf insgesamt rund 100.000 Personen ansteigen, heißt es in dem 200-seitigen Papier.

Auch wenn die Debatte überraschend, vor allem von Markus Söder, wieder angestoßen wurde, sind sich Experten darin einig, dass es zu spät für eine Kehrtwende ist und der Atomausstieg nicht umgekehrt werden kann. In Deutschland dürfte das Atomzeitalter zu Ende sein. Die Nachteile der Atomkraft sind so verheerend und lang anhaltend, dass sie die angeblichen Vorteile in den Schatten stellen. Dass eine saubere Zukunft auf Dauer mit Kohle- und Gasenergie als Ersatz nicht möglich ist, ist offensichtlich und das Versäumnis der letzten Jahre, die erneuerbaren Energien auszubauen, muss aufgeholt werden. Eine saubere und sichere Welt ist im Interesse aller Lebewesen auf der Erde und somit auch von der arbeitenden Bevölkerung. Der Weg für die erneuerbare Energien ist frei.

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