Maike Reichartz
Vor wenigen Wochen verstarben mehr als 72 Geflüchtete bei einem Bootsunglück an der Küste Italiens, darunter 28 Kinder. 81 Menschen konnten gerettet werden, jedoch gelten 30 bis 50 Personen weiterhin als vermisst. Der Vorfall wirft erneut Fragen über die Geflüchtetenpolitik der EU und die Grenzschutzagentur Frontex auf.
Laut Meldungen der EU-Grenzagentur Frontex wurde das Boot bereits zwischen Griechenland und Italien geortet, ein zuständiges Überwachungsflugzeug entsandt und die nötigen Informationen an die umliegenden Küstenwachen weitergeleitet. Laut dem italienischen Innenminister Piantedosi lagen die nötigen Informationen zur Durchführung einer Rettungsmission deutlich zu spät vor und waren mangelhaft, weshalb die italienische Finanzpolizei zum Unglücksort geschickt wurde und nicht die eigentlich zuständige Küstenwache.
Somit kommt die Frage auf, wie solch eine Fehlmeldung zustande kam – denn das Mittelmeer gilt als eines der am besten überwachten Gewässer weltweit und Frontex wurde über die letzten Jahre mit immer mehr Ausrüstung zur Überwachung der Seegrenzen ausgestattet.
Wenn wir uns die Debatten der letzten Jahre genauer ansehen, wird klar, dass Frontex als Organisation der europäischen Union nicht die Aufgabe hat, Flüchtende in Not zu retten. Die Agentur ist seit mehreren Jahren immer wieder in Skandale um illegale Pushbacks verwickelt und mehrere NGO’s machten in der Vergangenheit darauf aufmerksam, wie Frontex in der wichtigen Informationen zur Rettung von Menschen in Not absichtlich nicht weitergab. Mehrfach wurde nachgewiesen, wie sie gegen die Menschenrechtskonvention und ebenso gegen das Völkerrecht verstieß.
Sie leistet damit herausragende Vorarbeit zur Durchführung illegaler Pushbacks. Nicht umsonst haben unterschiedliche Minister, wie beispielsweise der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU), die Stärkung von Frontex gefordert und nicht umsonst wurden mehrere Tausende von Euro in die Verbesserung der Ausrüstung der Agentur investiert. Denn diejenigen, die am lautesten für die Stärkung der Agentur riefen, sind auch diejenigen, die die Legalisierung der Seenotrettung und die Legalisierung von Fluchtrouten verhindern wollen.
Und auch in der aktuellen Debatte über das Unglück in Italien wird der Charakter der Agentur deutlich. Die ganze Diskussion dreht sich nicht um die Schaffung legaler und sicherer Fluchtrouten oder auch die Ausweitung von Organisationen zur Seenotrettung. Weiterhin werden die Verantwortlichkeiten für die fehlende Weitergabe von Informationen nur hin- und hergeschoben – weder Frontex noch die italienische Küstenwache sehen sich in der Verantwortung. Erneut geht es der Regierung und den Behörden ausschließlich um die härtere Kontrolle der Grenzen und die Einschränkung von Fluchtmöglichkeiten.