Jennyfer Colditz
Auch dieses Jahr verbrachten wir wieder zehn produktive Tage mit rund 200 Jugendlichen auf unserem Sommercamp 2019 in Österreich am Attersee. Das Motto lautet „Die Zukunft gehört uns“. Ganz nach unserem Motto, gestalten wir auch unser Sommercamp so, wie wir auch unsere Zukunft gerne gestalten würden. Eine Zukunft, in der wir in Frieden, Solidarität und Gleichberechtigung leben. Eine Zukunft, in der Zusammenhalt stärker ist als Hass.
Neue Talente entdecken und bestehende fördern: die AG‘s
Das alles spiegelt sich auch auf unserem Camp wieder, indem wir versuchen zehn Tage in einem Kollektiv zu leben, um den Campalltag zu meistern. Mit unseren vielen verschiedenen AG’s, Seminaren und Abendprogrammen war mal wieder viel geboten. Durch die AG’s entdecken wir oft neue oder fördern schon bestehende Talente, die in uns stecken. Die AG’s machen nicht nur Spaß, wir können außerdem unsere Erfahrungen und Fähigkeiten aus den AG’s auch für unsere Arbeit vor Ort nutzen. Die Foto AG, Zeitungs AG und Camp TV fusionieren dieses Jahr als Medien AG. Die Foto AG fotografiert unseren Campalltag, um schöne Erinnerungen festzuhalten und mit anderen zu teilen. Die Zeitungs AG bringt jeden Tag eine neue Ausgabe der Campzeitung raus. In der Zeitung behandeln wir gesellschaftskritische und aktuelle Themen. In unserem Ort können wir die Erfahrungen aus der Zeitungs AG für einfache Flyer, Reden oder Artikel für die Junge Stimme nutzen. Camp TV hat einen hohen Unterhaltungsfaktor auf unserem Camp. Sie filmen den Campalltag und drehen kleine Sketche, um aktuelle Themen zu behandeln und als zusammengeschnittenen Film zu zeigen. Vor Ort nutzen wir Videos um medienwirksam zu bleiben, wir filmen Aktionen, Redebeiträge und Demonstrationen, um diese Erlebnisse mit anderen zu teilen, denn Videos erzeugen meistens mehr Aufmerksamkeit als Texte. In der Kunst AG konnten die Teilnehmer sich dieses Jahr künstlerisch ausleben, entweder auf der Leinwand oder um handwerklich Schmuck herzustellen. Wer Rhythmus im Blut hat ist in der Tanz AG genau richtig. In der Theater AG können wir auch mal jemand anderes sein, als man selbst. Man lernt sicheres Auftreten auf einer Bühne, dies stärkt das Selbstbewusstsein und kann vor Ort beim Halten von Reden hilfreich sein. Für musikalische Unterhaltung sorgten die Live Musik und Musikproduktions AG. In der Live Musik AG kann jeder ein eigenes Instrument oder einfach seine Stimme mitbringen. Gemeinsam erarbeiten sie Lieder, die sie am letzten Abend spielen. Aus dieser AG entstand 2018 auch unsere DIDF-Jugend Band, die sogar auf dem DIDF-Festival „Für Zusammenhalt & Solidarität“ im Juni diesen Jahres im Kölner Tanzbrunnen vor mehreren tausend Menschen aufgetreten ist. Die Musikproduktions AG hingegen brachte wie jedes Jahr einen sehr beliebten Campsong raus. Sie schreiben ihre Texte selbst und nehmen diese dann in ihrem eigenen kleinen Tonstudio auf. Die Campsongs sind immer eine sehr schöne Erinnerung an unsere Sommercamps.
Uns inhaltlich stärken: Workshops und Seminare
Neben den AG’s, wurden nachmittags verschiedene Workshops angeboten. Im Frauenworkshop wurde unter anderem die Rolle der Frau in verschiedenen Gesellschaftsformen behandelt. Falls sich jemand gefragt hat, warum und wie man sich organisieren soll, erfuhren wir dies in einem passenden Workshop dazu. Ebenfalls wurde als Workshop eine Einführung in den Marxismus angeboten. Auch dieses Jahr hatten wir wieder viele interessante Seminare mit unterschiedlichen Referenten dabei. Themen, wie zum Beispiel die politische Situation in Österreich, Klimawandel oder Industrie 4.0, waren sehr gut besucht. Mit Susann Witt-Stahl, Chefredakteurin der Gegenkultur-Zeitschrift „Melodie & Rhythmus“, diskutierten wir über die Notwendigkeit von Gegenkultur für die politische Jugendarbeit. Mit Vertretern der „Jungen Linken“ tauschten wir uns über die Situation der Jugend in Deutschland und Österreich aus. In den Basisarbeitsgruppen sprachen wir über unsere Situation als Schüler, Studierende und junge Arbeiter / Azubis, um unsere Mitarbeit an bestehenden Bewegungen, wie z.B. Fridays for Future, zu planen. Die Diskussionen endeten jedoch nicht mit den Seminaren. Themen, wie §218 oder Artikel 13, wurden auch noch das gesamte Camp über hitzig unter den Teilnehmern diskutiert.
Die Natur genießen, auch bei Regen
Wir hatten eine schöne Location mit einem wunderschönen See und die Berge im Hintergrund, so war das für viele noch ein kleiner Urlaub. In den ersten Tagen konnten wir das Wetter noch gemeinsam am See genießen, doch am vierten Tag brach ein Unwetter über unser Camp ein. Es regnete wie aus Eimern und nur nach wenigen Stunden stand unser gesamter Campplatz unter Wasser. Die Zelte waren leider überflutet, so mussten alle in kürzester Zeit, Nachts und im Regen anpacken und den Zeltplatz evakuieren. Jeder half dem anderen und alle hielten zusammen. Dieser Abend war zwar für alle sehr nervenaufreibend, dennoch sahen wir, dass wir auch in solchen Situationen einen kühlen Kopf bewahren können und wir solidarisch untereinander waren. An diesem Tag, aber auch an den anderen, als wir gemeinsam Zelte abgebaut haben, Küchendienst hatten, gemeinsam die Toiletten und Duschen gereinigt haben, haben wir praktische Solidarität gelebt. Bei uns musste niemand alleine da stehen. Unsere Aufgaben erledigten wir immer gemeinschaftlich.
Sozialer Wohnungsbau und Sachertorte: Tagesausflug nach Wien
Während ein kleiner Teil der Teilnehmer freiwillig auf dem Gelände blieb, um die Regenschäden zu reparieren, fuhr der Großteil des Camps nach Wien. Dort angekommen besichtigten wir mit der „Jungen Linken“ den Karl-Marx-Hof, ein riesiges Sozialbau-Projekt entstanden in Zeiten des „Roten Wien“. Dort betrachteten wir nicht nur den beeindruckenden Bau, der mehrere tausend Wohnungen, sowie eigene Einrichtungen, wie KiTas und Apotheken fasst, sondern erfuhren auch, wie die Arbeiter, die im Karl-Marx-Hof lebten, 1934 geschlossen gegen den Faschismus kämpften. Nach diesem Kampf ist der Hauptplatz des Karl-Marx-Hofs, der 12.-Februar-Platz benannt.
Nach Ende der Besichtigung hatten wir die Möglichkeit selbstständig Wien zu erkunden, einige der vielen beeindruckenden Museen zu besichtigen oder uns an Wiener Spezialitäten, wie dem Wiener Schnitzel oder der Sachertorte zu erfreuen.
Zum Abschluss des Camps zogen wir alle ein gemeinsames Fazit: Wir bildeten uns nicht nur weiter, sondern stärkten gleichzeitig unser Gemeinschaftsgefühl. Wir aßen, lachten, arbeiteten und tanzten gemeinsam. Wir kamen mit neuen Leuten ins Gespräch oder entdeckten neue Eigenschaften an alten Freunden. Wir respektierten jeden von uns und lernten voneinander. Wir gestalteten unser Sommercamp 2019 ganz nach unseren Vorstellungen und können von uns behaupten, dass es dieses Jahr wieder ein voller Erfolg war und freuen uns schon auf das nächste Sommercamp und unsere Arbeit vor Ort. Denn die Zukunft gehört uns!
Wir haben ein Gespräch mit Doguş Birdal aus der Geschäftsführung der DIDF-Jugend über die inhaltliche Seite des Camps geführt
Das Interview führte Sinem Yeşil
Auch du hast dieses Jahr am Sommercamp teilgenommen. Was waren die inhaltlichen Schwerpunkte und warum wurden explizit diese gewählt?
Rassismus und Klimawandel waren dieses Jahr wohl die zwei dominantesten Themen. Aber unsere Camps zeichnen sich auch gerade dadurch aus, dass zu vielen verschiedenen Themen, die die Jugendlichen betreffen und interessieren, etwas gemacht wird. Themen, wie Industrie 4.0, Frauen oder das Internet mit der ganzen Artikel 13 Debatte. Und warum wir diese Inhalte gewählt haben, habe ich eigentlich damit auch beantwortet. Wir richten uns einzig nach dem, was die Jugendlichen betrifft und interessiert. Und vor allem der Rassismus und die Klimafrage sind akute Probleme. Und als migrantische Jugendliche sind wir natürlich alle in unserem Leben von dem Erstarken der Rechten in Deutschland betroffen.
Haben diese Inhalte auch vor dem Camp eine Rolle in eurer politischen Arbeit gespielt und inwiefern werden diese Themen eure zukünftige Arbeit in den Orten aber auch bundesweit prägen?
Klar, haben und werden sie es. Das Sommercamp ist auch nur ein Teil unserer gesamten Arbeit und damit auch nicht von ihr losgelöst. Das Thema Rassismus prägt uns als Organisation schon seit unserer Entstehung, weil es uns natürlich mit am stärksten betrifft. Ob in der Schule, im Betrieb oder bei der Wohnungssuche. Den Kampf gegen Rassismus haben wir uns praktisch auf die Fahne geschrieben. Und die Klimafrage ist mit eine der wichtigsten Fragen unseres Jahrhunderts, die jeden auf diesem Planeten betrifft und von uns auch in Zukunft noch stärker angegangen wird. Sie bringt viele Menschen dazu, das bestehende profitorientierte System zu hinterfragen. Jetzt, nach dem Camp kommt es vor allen Dingen darauf an, eben diese Inhalte in die Orte zu tragen, sodass diese weiterhin auf unserer Agenda stehen. Passend zu unserem diesjährigen Motto, „Die Zukunft gehört uns“, haben wir mit der Themensetzung den Anspruch die Inhalte in unsere Orte zu tragen und diese Themen auch in Zukunft aktiv zu behandeln. Wir haben dieses Jahr erneut betont, dass wir gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft ohne jegliche Arten von Diskriminierung, Rassismus und Ungleichheit kämpfen. Diesen Kampf werden wir auch in Zukunft weiterhin stärken.
Wir haben uns mit Dilara aus Marburg, die im Campkomitee war, über ihre Eindrücke auf dem Camp unterhalten
Das Interview führte Duran Deniz Enhas
Wie bewertest du das Camp im Allgemeinen?
Im Allgemeinen würde ich das Camp als ein gutes und lehrreiches Camp bewerten. Der Camp-Alltag lief, trotz anfänglicher Schwierigkeiten, wie gewohnt. Die größte Schwierigkeit war der plötzliche Sturm, der uns überrumpelte, aber da haben wir auch gemeinsam angepackt und das Problem überwunden. Wir hatten alle gemeinsam eine schöne Zeit und haben auch viel aus unseren AG’s und den Seminaren mitgenommen.
Was war die größte Herausforderung als Campkomiteemitglied?
Ich habe dieses Jahr das erste Mal Aufgaben und Verantwortung übernommen, was eine riesige Umstellung für mich war. Genau das war die größte Herausforderung, also der Umgang mit der Verantwortung und den Aufgaben. Aber auch keine Unmögliche, weil wir alle auch gemeinsam angepackt haben, um alles zu meistern.
Hat sich viel geändert an deinem Tagesablauf im Gegensatz zum letzten Jahr?
Ja, und zwar alles. Letztes Jahr hatte ich zum ersten Mal teilgenommen und dementsprechend keine Aufgaben und Verantwortung. Ich habe gelernt ein Teil der Organisation des Camps zu sein. Mal abgesehen davon, dass ich mehr gemacht habe, als am Camp-Alltag teilzunehmen, konnte ich dieses Jahr besser mit der Masse an Menschen umgehen. Der Camp-Alltag bietet einem genug Möglichkeiten für menschlichen Kontakt, doch dieses Jahr ist es mir noch einfacher gefallen Gespräche, Diskussionen zu führen etc.
Für was warst du im Campalltag zuständig?
Im Camp-Alltag war ich für die Hygiene – d.h. die Planung und Koordination für das Sauberhalten der Toiletten und des Campgeländes – zuständig.
Kamen dabei Probleme auf?
So viele Jugendliche auf einem Fleck. Da treten zwangsläufig einige Probleme bei der Hygiene auf, aber damit kann man umgehen. Die Probleme waren anfänglich da, weil die Kommunikation fehlte vor allem, aber das hat sich nach einigen Tagen geregelt. Alles in allem würde ich sagen, dass wir das alle gut gemeistert haben mit der Hygiene.
Statements
Wir haben drei Leute, die dieses Jahr auf dem Camp waren, gefragt, was sie rückblickend über das Camp sagen können.
Kardelen, 21 Jahre aus Frankfurt:
„Das ist jetzt schon mein fünftes Camp, das heißt ich habe schon mehrere Camps miterlebt und es ist jedes mal etwas neues, es sind immer andere Leute und andere Situationen da. Ich leite zusammen mit dem Eren aus Marburg die Foto-AG und ich kann über meine AG sagen, dass es dieses Jahr sehr gut gelaufen ist. Wir hatten sehr interessierte Teilnehmer, die auch mit angepackt haben und wir haben auch dabei sehr gute Fotos bekommen, welche man auch später in der Camp-Zeitung oder beim Camp-TV gesehen hat. Ich fand dieses Jahr, dass alle AG´s sehr gut gearbeitet haben und ich habe keinen gesehen, der keine AG besucht hat, weil jeder mit angepackt hat und jeder hat dementsprechend den Camp-Alltag mitgestaltet. Die Seminare waren dieses Jahr inhaltlich sehr viel besser und ich fand auch die Auswahl an Themen sehr interessant. Mein Lieblingsseminar war Industrialisierung 4.0, weil wir alle in diesem Arbeitskreis gefangen sind, egal ob Schüler/Student/Auszubildender oder Arbeiter. Im Allgemeinen bin ich eigentlich sehr positiv vom Camp beeindruckt, obwohl wir auch harte Tage durchgemacht haben, muss ich sagen, dass wir dieses gemeinschaftliche sehr gut beibehalten haben und es war toll die alten Freunde wieder zusehen, aber auch neue Menschen kennenzulernen. Ich freue mich wie jedes Jahr auf das nächste Camp.“
Aysegül, 18 Jahre aus Siegen:
„Ich fand auf dem Camp die Seminare sehr interessant, weil es Themen waren, die sehr aktuell sind und womit man sich zu unserer Zeit beschäftigen sollte. Besonders fand ich das Seminar zum Thema „Paragraph 218 /219a“ sehr interessant, da wir dort auch viele Diskussionen hatten. Dann fand ich auch das Umwelt-Seminar sehr interessant. Ich war dieses Jahr in der Kunst-AG. Ich fand die AG sehr toll. Der Ort hier ist wirklich sehr schön, vor allem der Attersee und die Landschaft hier in Österreich sind sehr schön. Ich möchte auf jeden Fall nächsten Jahr wieder kommen, da es dieses Jahr echt viel Spaß gemacht hat. Für mich war auch das Abendprogramm immer sehr schön und lustig. Ich war dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Camp und die Leute hier waren direkt sehr offen und hilfsbereit. Ich habe viele neue Leute kennengelernt und neue Freunde gefunden und mich schnell in den Camp-Alltag eingefunden. Ich finde, dass die 10 Tage sehr schnell vergangen sind und ich fand es auch sehr schade, dass das Camp jetzt vorbei ist, weil sich alle sehr gut verstanden haben und es mir sehr viel Spaß gemacht hat.“
Akin, 16, Mannheim:
„Ich war in der Foto-AG und ich habe gemerkt, dass die AG-Leiter sich wirklich ins Zeug gelegt haben. Das hat mich wirklich beeindruckt. Auch wenn ich nicht besonders begabt in Fotos machen bin, hat mir die AG sehr großen Spaß gemacht. Zu den Seminaren kann ich sagen, dass mir diese auch sehr gefallen haben und ich aus diesen auch sehr viel mitnehmen konnte. Auch wenn ich schon manche Sachen über die Themen wusste, fand ich es trotzdem sehr interessant. Das Camp im Allgemeinen fand ich sehr gut, da man hier täglich dieses Gemeinschaftsgefühl gespürt hat. Vor dem Camp wusste ich zwar, dass ich sehr viel Spaß haben werde, aber ich habe mich auch darauf eingestellt, früh aufzustehen und den Camp-Alltag mitzumachen, um etwas dazu lernen zu können. Ich wusste, dass ich hier etwas dazu lernen werde und wollte das natürlich auch. Das sehe ich als etwas Positives vom Camp und auch als Motivation dazu die politische Arbeit auch in Mannheim weiterzuführen.“