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Erneut Zwangsverwaltung für Kommunen

İHSAN ÇARALAN

Seit der Kommunalwahl sind nicht einmal fünf Monate vergangen. Drei HPD-Oberbürgermeister, die trotz aller Unterdrückung und Drohungen am 31. März großem Vorsprung ins Amt gewählt wurden, wurden vom Innenminister abgesetzt. An ihre Stelle wurden die Gouverneure der drei Provinzstädte als „Zwangsverwalter“ ernannt.

Somit lösten Präsident Innenminister Soylu ihr Wahlversprechen an die rassistisch-nationalistischen Kreise ein. Bereits vor der Wahl hatten sie angekündigt, „Bürgermeister abzusetzen und die Kommunen unter Zwangsverwaltung zu stellen, wenn Personen mit Kontakt zum Terror gewählt“ würden. Das war eine Umschreibung ihres Wunsches, dass nur ihre Kandidaten gewählt werden sollten.

Den abgesetzten Oberbürgermeistern wird also der bekannte Vorwurf gemacht, sie stünden in Verbindung mit Terrororganisationen. Diese Vorwürfe werden natürlich – wie immer – nicht belegt und auch nicht mit Gerichtsbeschluss nachgewiesen. Vielmehr begründet man sie mit Handlungen wie Umbenennung von Parks oder Straßen, was im Zuständigkeitsbereich von Kommunen liegt. Auch bei der Absetzung von Bürgermeistern in jüngster Vergangenheit hatte man ähnliche Begründungen vorgeschoben und keinen Vorwurf nach Terrorverdacht gerichtlich nachgewiesen.

WER SICH MIT DEM VOLK ANLEGT, WIRD AM ENDE DER VERLIERER SEIN

Trotz der Drohungen von Erdoğan und Soylu, sie würden gewählte Bürgermeister abwählen, wenn ihre eigenen Kandidaten die Wahl nicht gewinnen, hatte die Bevölkerung bei der Wahl ihren Willen unmissverständlich artikuliert und mit überwältigender Mehrheit HDP-Kandidaten ins Amt gewählt.

Innenminister Soylu schaltete auf stur. Er setzt die Oberbürgermeister von Diyarbakır, Van und Mardin ab und setzte die Gouverneure dieser Provinzen als neue OBs ein. Damit legten sozusagen eine Starrsinnigkeit ohnegleichen. Denn die kurdische Bevölkerung hatte am 31. März die eingesetzten Zwangsverwalter abgesetzt und die HDP-Kandidaten ins Amt gewählt. Nicht einmal fünf Monate später erkennt nun die Regierung ihren Willen nicht an, die von ihnen gewählten Bürgermeister ab und setzt eigene Vertreter ein.

Es ist kaum absehbar, wohin diese Starrsinnigkeit führen wird. Allerdings ist die Geschichte der Menschheit voller Beispiele, die zeigen, dass Starrsinn bei Politikern nicht zum Erfolg führen kann.

GEMEINSAMER KAMPF ALLER GEGEN DIE EIN-MANN-HERRSCHAFT

Die Nichtanerkennung des Volkswillens erscheint auf den ersten Blick wie eine Abrechnung zwischen der AKP-Regierung und der HDP. Doch dass dahinter vielmehr steckt, wird deutlich, wie man sich das Ganze Bild ansieht.

Denn mit der Absetzung von gewählten Bürgermeistern und der Ernennung von Zwangsverwaltern wird der gesamten Opposition zu gedroht. Man rechnet nicht nur mit den Wählern in den betroffenen drei Provinzen ab. Die Adressaten dieser Abrechnung sind auch die HDP-Wähler, die in den meisten Großstädten die CHP-Kandidaten unterstützt und bei der schweren Niederlage der AKP und ihrer Verbündeten eine Schlüsselrolle gespielt haben. Diese Annährung soll jetzt bestraft werden. In den Großstädten, in denen die oppositionellen OB-Kandidaten gewählt wurden, allerdings in den Stadtparlamenten mit einer AKP-Mehrheit konfrontiert sind, versucht man, den Bürgermeistern das Regieren möglichst zu erschweren. Eigens zu diesem Zweck wurden Gesetze geändert und die Befugnisse der Kommunalverwaltungen eingeschränkt. Die Absetzung der Bürgermeister in den kurdischen Regionen ist eine Fortsetzung dieser Taktik. Sollten die Gesetzesänderungen im Westen nicht zum erwünschten Ergebnis führen und viel wichtiger, sollten die Proteste gegen die Absetzung von gewählten Bürgermeistern schwach bleiben, wird die AKP nicht davor zurückschrecken, wird auch in den westlichen Städten Bürgermeister der Opposition abzusetzen. Das ist der Ausdruck des Wunsches, auf kommunaler Ebene die Ein-Mann-Herrschaft zu installieren. In diesem Herrschaftssystem sind die Gouverneure und Bürgermeister traditioneller Weise in einer Person vereint. Hinter der jüngsten Entwicklung steckt also die Absicht, die Eine-Partei-Ein-Mann-Herrschaft auf untere Ebenen auszuweiten.

Es steht außer Frage, dass die AKP auch diesen Schritt gehen wird. Nur eine starke Bewegung, mit der der Volkswille verteidigt werden kann, kann sie davon abhalten.

Kurzum: Die Absetzung von gewählten Bürgermeistern oder die Zwangsverwaltung ist nicht nur das Problem der Wähler in der kurdischen Region oder der HDP. Es geht um die Demokratisierung des Landes und um den Kampf gegen die Ein-Mann-Herrschaft. Es ist eine Frage der Demokratisierung, die den gemeinsamen Kampf aller Gegner der Ein-Mann-Herrschaft, Intellektuellen, Künstler, Akademiker erfordert.

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