Sidar Carman
In vielen Ländern bereiten sich Frauenorganisationen, feministische Gruppen und Bündnisse auf den 8. März vor. Die Frauenbewegung ist in den letzten Jahren laut und lebendig geworden. Sie reagiert auf die wachsende Ungleichheit und Ausbeutung von Frauen. Sie formiert sich gegen die zunehmende Gewalt gegen Frauen und gegen Übergriffe auf die Selbstbestimmung über den eigenen Körper.
Frauenstreikbündnis: Feministisch streiken
Seit rund fünf Jahren sammeln sich die Proteste zum 8. März unter dem Aufruf zu einem „Internationalen Frauenstreiktag“, deren Ableger in Deutschland das in November 2018 gegründete bundesweite „Bündnis Frauen*streik“ bildet. Der Großteil der Akteurinnen ist auffällig jung (zwischen 20 – 30 Jahren); mit akademischem Hintergrund und überwiegend verankert in der querfeministischen Szene. Sie positionieren sich „für eine deutliche Verschärfung der Proteste gegen die Diskriminierung von Frauen und queeren Personen und verstehen sich explizit anti-rassistisch, antikapitalistisch und ökologisch.“ Dabei dient das Frauenstreikbündnis wie eine Klammer um die verschiedenen feministischen Gruppen, die – trotz verschiedener inhaltlicher und politischer Agenda – eine gemeinsame Aktionsplattform eröffnet. Auch zum diesjährigen 8. März ruft das Bündnis zum feministischen Streiken auf. Ihr Streikaufruf zielt auf den Kampf gegen die prekäre Arbeits- und Lohnsituation von Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen, wie auch gegen die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit zuhause, wie Kindererziehung, Hausarbeit und die Pflege von Angehörigen. Im Mittelpunkt des Aufrufs und der Aktionsplanungen vor Ort steht die Unterstützung und Verknüpfung der Frauenstreikbewegung mit der Tarifrunde der Sozial- und Erziehungsdienste.
Unterbezahlt, überbelastet, unsicher
Die Folgen der Pandemie hat die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern um ein Vielfaches befeuert. Frauen mussten häufiger ihre Arbeitszeit reduzieren und übernahmen mehr Sorgearbeit, etwa in Form von Kinderbetreuung, Hausarbeit oder der Pflege von Familienmitgliedern. Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung haben in Haushalten mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren 27 Prozent der Frauen, aber nur 16 Prozent Männer ihre Arbeitszeit reduziert, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten. Frauen arbeiteten vor der Pandemie durchschnittlich fünf Stunden pro Woche weniger, als Männer in Lohnarbeit. In Haushalten mit betreuungsbedürftigen Kindern betrug die Kluft zwischen Frauen und Männern elf Stunden.
Größere Unterschiede zeigten sich besonders zwischen Haushalten mit geringerem oder mittlerem Einkommen. Das zeigt, dass finanzielle Überlegungen bei der Entscheidung, wer von den Eltern Arbeitszeit reduziert, eine wesentliche Rolle spielten. Schon vor Corona arbeiteten Frauen überproportional im Niedriglohnsektor, meist in Teilzeit und unterbezahlt. Vier von fünf Pflegekräften waren 2020 Frauen (Krankenpflege 80 Prozent; Altenpflege 83 Prozent.) Viele Frauen erleben heute, wie der Rückfall in traditionelle, überkommene Frauenrollen bzw. „Retraditionalisierung“ durch die Pandemie beschleunigt wurde. Die Zahl der Gewaltfälle ist gestiegen. Das Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen war schon vor Corona völlig überlastet. Es fehlen Frauenhausplätze; Beratungsstellen bleiben unterfinanziert.